Mit Augmented Reality gegen den Pflegeengpass

Ziel des von der Fachhochschule Wiener Neustadt in Zusammenarbeit mit der WU Wien geleiteten Projektes „Care about Care“ war es, technologische Lösungen zur Unterstützung mobiler Pflegekräfte zu entwickeln und zu testen, um den Pflegealltag unterstützend zu gestalten. [...]

Die HoloLens-Datenbrille im Einsatz. (c) WU Wien

Die mobile Pflege ist ein wichtiger Bestandteil der häuslichen Betreuung älterer Menschen. Sie steht jedoch vor dem Problem eines wachsenden Bedarfs bei gleichzeitig schrumpfendem Personal. Um dem entgegenzuwirken, hat die Fachhochschule Wiener Neustadt in Zusammenarbeit mit der WU Wien, dem Hilfswerk Niederösterreich, der MOCCA Software GmbH sowie weiteren Partnerunternehmen aus der Schweiz, Luxemburg und Belgien das Forschungsprojekt „Care about Care“ initiiert und erfolgreich abgeschlossen. Ziel war es, technologische Lösungen zur Unterstützung mobiler Pflegekräfte zu entwickeln und zu testen, um den Pflegealltag unterstützend zu gestalten. Erste Nutzerinnen und Nutzer berichten, dass das System in vielfältigen Einsatzbereichen hilfreich sein kann.

Eine mobile Pflegekraft steht vor einer unerwarteten Herausforderung: Eine komplizierte Wunde, die sofortige fachliche Begutachtung erfordert. Anstatt auf den nächsten Besuch einer Wundmanagerin oder eines Wundermanagers zu warten, erhält die Pflegekraft Hilfe durch den Fernunterstützungsservice „Remote Care Assist (RCA)“ über ein Care Expert Center (CXC). Mit Live-Bild- und Tonübertragung können diplomierte Fachpersonen direkt an der Situation vor Ort teilhaben und fachliche Unterstützung geben. Diese Technologie ist das Ergebnis des europäischen Projekts „Care about Care“.

Testphasen in Österreich und Luxemburg

Im Rahmen des Projekts wurde die an der FHWN programmierte RCA-Smartphone-App sowie die HoloLens-Datenbrille über einen Zeitraum von rund fünf Monaten in Österreich und Luxemburg getestet. Insgesamt nahmen in Österreich rund 265 Personen aktiv an den Tests der Smartphone-App teil, während es in Luxemburg 51 Personen waren. Zusätzlich wurde die HoloLens-Augmented Reality-Brille in beiden Ländern in je einem Testcenter eingesetzt, mit insgesamt 20 Pflege- und Betreuungskräften (neun in Österreich und elf in Luxemburg). In Österreich wurden 310 Anrufe mit einer Gesamtdauer von etwa 21,5 Stunden durchgeführt, während es in Luxemburg 161 Anrufe mit einer Gesamtdauer von rund elf Stunden waren.

Eine Expertin sieht sich im Care Expert Center (CXC) in Echtzeit eine Wunde an. (c) WU Wien

Cornelia Schneider, Leiterin des Instituts für Informatik der FHWN, betont die Bedeutung dieser Tests: „Die Möglichkeit, dass eine Expertin oder ein Experte aus der Ferne die Situation vor Ort direkt sehen und unterstützen kann, hat sich als großer Vorteil erwiesen. Besonders in der Pflege und Betreuung von älteren Menschen ist es hilfreich, sich schnell und unmittelbar zur Situation vor Ort auszutauschen und beraten zu können“.

Ein zusätzlicher Vorteil des Systems liegt darin, dass die Software auf Servern in Österreich betrieben wird, wodurch die Kontrolle über die Daten im Land bleibt. Die im Projekt getesteten Funktionen umfassten zahlreiche Tools, die sowohl im Care Expert Center (wo Expertinnen und Experten aus der Ferne unterstützen), auf der Smartphone-App als auch auf der HoloLens genutzt wurden. Im CXC konnten 2D- und 3D-Markierungen eingezeichnet, Screenshots und Bilder geteilt, der Bildschirm freigegeben und Dokumentationen erstellt werden. Auf der HoloLens wurden Bilder angezeigt, Handstrahlen ein- und ausgeschaltet, Fotos aufgenommen und gesendet sowie verschiedene Lineale (Einhand-, Zweihand-, Strahlen- und Wegpunktlineal) verwendet.

Überwindung von Hürden

Organisatorische Hürden, insbesondere Personalengpässe bei den Pflegemanagerinnen und -managern und Expertinnen und Experten, die ihr Knowhow zur Verfügung stellen sollten, mussten überwunden werden. In Luxemburg konnte dieses Problem teilweise durch ein regionenübergreifendes Expertinnen- und Expertenzentrum kompensiert werden, während in Österreich oft kurzfristig Lösungen gefunden werden mussten. Zusätzlich war es aus technischer Sicht herausfordernd, in Regionen mit schlechter mobiler Internetabdeckung zumindest Teile des Systems bereitzustellen.

Cornelia Schneider ist Leiterin des Institutes für Informatik an der FH Wiener Neustadt. (c) FH Wiener Neustadt

Trotz anfänglicher Schwierigkeiten zeigen die positiven Rückmeldungen der Nutzerinnen und Nutzer, dass die Technologie eine Unterstützung im Pflegealltag bieten kann. „Die Rückmeldungen aus den Testphasen zeigen uns, dass wir mit unserer Technologie eine echte Innovation in der Pflege schaffen können. Pflegepersonen können direkt vor Ort unterstützt werden, und Klientinnen und Klienten müssen nicht auf den Besuch einer anderen Profession warten, um ihre Anliegen zu klären“, erklärt Schneider.

So geht es weiter

Das Testsystem wird in Luxemburg weiterhin genutzt, um zusätzliche Einsatzbereiche zu erproben und zukünftige Integrationsmöglichkeiten zu untersuchen. Außerdem wird die RCA-Smartphone-App im Rahmen des Forschungsprojekts „24/7-Digital“ der FHWN gemeinsam mit Partnerorganisationen weiterentwickelt, in dem die Herausforderungen der 24h-Betreuung aufgegriffen werden.

Das Projekt „Care about Care“ hat aufgezeigt, wie digitale Technologien die häusliche Pflege und Betreuung unterstützen können, wodurch auch wertvolle Zeit und viele gefahrene Kilometer eingespart werden können. Detaillierte Ergebnisse des 30-monatigen Forschungsprojekts werden derzeit ausgewertet und sollen Informationen für die Weiterentwicklung der Technologie liefern.


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