Neue Generation: 6G soll die Versprechen von 5G einlösen

Die Entwicklung von 6G läuft auf Hochtouren. Welche Geschäftsmodelle damit möglich sein werden ist allerdings aktuell noch kaum vorhersehbar. [...]

Mit 6G plant man die Nutzung des Terahertz-Bereichs (THz). Vo­raussichtlich kommt das D-Band im Bereich von 0,11 bis 0,17 THz zum Einsatz (c) pixabay.com

Der Aufbau von 5G-Mobilfunknetzen ist rund um den Globus voll im Gang. Der Telekommunikationsausrüster Ericsson geht davon aus, dass Ende letzten Jahres weltweit bereits rund eine Milliarde Menschen Zugang zu einem 5G-Netz hatten. In Deutschland ist die Netzabdeckung mit der neuesten Mobilfunkgeneration allerdings noch ein riesiger Flickenteppich. 5G kommt gerade erst in Fahrt, die ersten Geräte im Internet of Things (IoT) nutzen dessen Potenziale und die ersten Unternehmen bauen ihre eigenen 5G-Campus-Netze auf.

Doch denkt die Forschung schon weiter. Sie überlegt, wie die Nachfolgetechnologie von 5G aussehen und welche Möglichkeiten diese bieten könnte. Zahlreiche Unternehmen und Forschungseinrichtungen tüfteln bereits an 6G.

Auch wenn 5G derzeit noch das Nonplusultra ist und – zumindest unter Idealbedingungen – irgendwann einmal Geschwindigkeiten von bis zu 20 GBit/s ermöglichen soll: Was heute schnell ist, ist es in ein paar Jahren schon nicht mehr. Der weltweite Datenhunger ist schier unstillbar, sodass sich Mobilfunknetze stetig weiterentwickeln müssen, um leistungsfähig zu bleiben. „Denn durch neuartige Anwendungen werden auch die Anforderungen an Datenrate, Zuverlässigkeit, Latenz und Verbindungsdichte weiter steigen“, erklärt Bernhard Niemann. Er ist Abteilungsleiter Breitband und Rundfunk beim Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS), das schon am 6G-Funk arbeitet. „Die Forschung muss bereits jetzt beginnen, an den grundlegenden Technologien zu arbeiten, um in zehn Jahren eine neue Mobilfunkgeneration einführen zu können.“ Und hier ist die Fraunhofer-Gesellschaft ganz vorne mit dabei: Im Projekt „6G SENTINEL“ bündeln fünf Fraunhofer-Institute ihre Kompetenzen, um gemeinsam Schlüsseltechnologien für den kommenden Mobilfunkstandard 6G zu entwickeln.

Immer schneller …

Ähnlich wie beim Übergang von LTE/4G auf 5G geht es laut Bernhard Niemann auch bei 6G um eine konsequente Weiterentwicklung der bis­herigen Mobilfunktechnologien – „sprich: höhere Spitzendatenraten, höhere Datenraten pro Nutzer, niedrigere Latenz und mehr Endgeräte pro Flächeneinheit.“ Es sei darüber hinaus zu erwarten, dass 6G auch neue Möglichkeiten bietet und zum Beispiel neben der Genauigkeit bei der Positionsbestimmung (Lokalisierung) sowie der Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit der Datenübertragung auch die Energieeffizienz stärker in den Vordergrund rücken wird.

Nach Angaben des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM), das ebenfalls bereits an 6G arbeitet, haben die Forscher beim neuen Mobilfunkstandard ambitionierte Ziele: eine Datenrate von einem Terabit pro Sekunde und eine Latenz von rund 100 Mikrosekunden – also das Fünfzigfache der Datenrate und ein Zehntel der Latenz von 5G. Damit soll 6G die Erwartungen erfüllen, die 5G geweckt hat.

Ein Beispiel ist das autonom fahrende Auto: Es teilt anderen Verkehrsteilnehmern seine Position in Echtzeit mit, es misst Abstände und schaut sich mit einem 360-Grad-Blick um. Dafür braucht es Sensoren, die enorm viele Daten sammeln, die gleichzeitig geteilt werden. Hinzu kommt, dass das autonome Fahrzeug die Straßen sehr gut kennen muss – was etwa den Download hochauflösender Stadtpläne erfordert. Die mit 5G im besten Fall möglichen 20 Gigabit pro Sekunde sollen hierfür und die zahlreichen Up- und Downloads der Sensordaten in Echtzeit laut dem Fraunhofer IZM schlicht nicht ausreichen: Die Spezifikationen von 5G ermöglichten es nicht, Infrastrukturen und Netze aufzubauen, die gleichzeitig Hunderte von Gigabit pro Sekunde und eine extrem niedrige Latenz gewährleisten: Mit 5G sei wahrscheinlich echtes autonomes Fahren überhaupt nicht möglich – deshalb brauche man 6G.

Ein weiteres Beispiel ist die Telemedizin, genauer gesagt der Bereich der Tele-Chirurgie: Hier muss beispielsweise der operierende Arzt nicht mehr vor Ort sein. Roboter führen die Operationen durch, während der Arzt sich irgendwo anders befindet und bestimmte Geräte steuert. Hierfür benutzt er einen ultrahochauflösenden Bildschirm oder ein Mixed-Reality-Headset, um mithilfe von 3D-Hologrammen genau zu sehen, was im Inneren des Körpers passiert. Er muss feinste Details erkennen können. So etwas realisiere man zwar schon mit 5G, doch gebe es – so das Fraunhofer IZM – viele Einschränkungen durch die maximale Datenrate und die Latenz, die mit 5G einhergehen. Man brauche für dieses Einsatzgebiet Daten in Echtzeit und unkomprimiert mit einer Übertragungsrate von mehreren Hundert Gigabit/Sekunde bis über 1 Terabit/Sekunde sowie eine Latenz von weniger als 1 Milli­sekunde – das schaffe 5G auf keinen Fall.

Terahertz-Wellen

Eine Herausforderung bei der Forschung rund um 6G sind die hohen Frequenzbereiche, die später einmal genutzt werden sollen. So arbeiten die Forscher an der Nutzung von Frequenzen jenseits von 100 GHz, der damit einhergehenden Weiterentwicklung der Halbleitertechnologie sowie der Miniaturisierung und Integration von Antennen und Gehäuse.Bis zum Standard LTE/4G spielt sich die gesamte Mobilkommunika­tion im Bereich unter 6 GHz ab. 5G nutzt 26 GHz, 28 GHz und 39 GHz, also erstmals das Spektrum oberhalb von 6 GHz.

Drahtlose Übertragung im Terahertz-Frequenzbereich: Bis 6G in rund zehn Jahren praxistauglich sein soll, ist noch viel Forschungsarbeit im Labor notwendig. (c) Rohde & Schwarz

Mit 6G plant man die Nutzung des Terahertz-Bereichs (THz). Vo­raussichtlich kommt das D-Band im Bereich von 0,11 bis 0,17 THz zum Einsatz. Darüber hi­naus könnte man laut Fraunhofer IZM auch Visible Light Communication (VLC) verwenden, einen op­tischen Kommunika­tionsansatz für die Nahbereichskommunikation, bei dem sichtbares Licht zwischen etwa 400 und 800 THz genutzt wird.

Bislang gibt es aber noch keine vollständigen Lösungen für einen Funk im Terahertz-Bereich. Die Forschung befasst sich unter anderem damit, die enorme Freiraumdämpfung zu überwinden, also die Reduzierung der Leistung bei der Ausbreitung der elektromagnetischen Wellen.

So verhalten sich Terahertz-Wellen ähnlich wie Licht und durchdringen so gut wie keine Mauern. Da die Wellen nicht weit reichen, kann bereits ein Baum die Übertragung stören. Das gilt auch für schlechtes Wetter wie Regen oder Nebel. Eine Lösung können Mehrantennen-Architekturen mit Hunderten Antennen pro Mobilfunk-Basisstation sein, sogenannte MIMO-Architekturen (Multiple Input Multiple Output).Terahertz-Wellen liegen zwischen dem Infrarot- und Mi-krowellenbereich. Entsprechende Empfänger sind noch vergleichsweise komplex und damit teuer. Erste Lösungsansätze für den Mobilfunk gibt es aber bereits: Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben in Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Diodenhersteller Virginia Diodes (VDI) einen besonders einfachen und kostengünstig herzustellenden Empfänger für Terahertz-Signale entworfen. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Schottky-Diode, die sich durch hohe Geschwindigkeit auszeichnet. Mit dem neuen Empfänger erreichten die Forscher über eine Entfernung von 110 Metern und eine Frequenz von 0,3 THz eine Datenübertragungsrate von 115 GBit/s. Nach Angaben des KIT ist das die höchste Datenrate, die bislang mit drahtloser Terahertz-Übertragung über mehr als hundert Meter demonstriert wurde.

Fazit & Ausblick

Auch wenn die Spezifikationen des 6G-Mobilfunks noch unklar sind, eines dürfte sicher sein: Auch die neue Mobilfunkgeneration wird eine Menge bisher noch undenkbarer Geschäftsmodelle ermöglichen. Das Fraunhofer IZM nennt als Beispiele die Entwicklung hochminiaturisierter, tragbarer medizinischer Sensoren, in Kleidung integrierte Sensoren oder implantierbare Sensoren, die eine kontinuierliche Überwachung der Vitalparameter von gesunden wie kranken Menschen ermöglichen könnten. Über 6G-Netze könnten die Sensoren diverse Werte mit extrem geringer Verzögerung an Ärzte zur durchgehenden medizinischen Fernüberwachung in Echtzeit übertragen. Gesundheitliche Schwierigkeiten ließen sich so zeitnah erkennen.

Eine Vorhersage, welche Geschäftsmodelle der 6G-Mobilfunk tatsächlich einmal erlauben wird, wäre laut Bernhard Niemann vom Fraunhofer IIS jedoch „zum jetzigen Zeitpunkt eher ein Blick in die sprichwörtliche Kristallkugel“.

Bis es so weit ist, haben die Forscher, Hardware-Hersteller, Mobilfunkbetreiber und potenziellen 6G-Nutzer ohnehin noch genügend Zeit, sich über neue Geschäftsmodelle Gedanken zu machen. „Mit der Einführung von 6G ist ab dem Jahr 2030 zu rechnen, geht man von dem üblichen Zehn­jahreszyklus aus, der in der Vergangenheit zwischen zwei Mobilfunkgenerationen zu beobachten war“, erklärt Bernhard Niemann.

Die kommenden fünf Jahre wären deshalb primär von der Grundlagenforschung an den verschiedenen Basistechnologien geprägt. „Erst ab 2025 wird damit gerechnet, dass sich die Wissenschafts-Community mit der Definition der genauen Funktionsumfänge und der Ausarbeitung der notwendigen Spezifikationen beschäftigt.“

In jedem Fall ist es gut zu sehen, dass deutsche Forschungseinrichtungen wie die Fraunhofer-Gesellschaft oder das Karlsruher Institut für Technologie bereits an 6G arbeiten, hierzulande entsprechende Expertise aufbauen und den künftigen Standard mitprägen. Auch Unternehmen wie der Münchner Messtechnik-Spezialist Rohde & Schwarz tüfteln schon an künftigen Übertragungstechniken und Mobilfunktechnologien.

Und vielleicht gelingt dann mit 6G, was mit dem aktuellen 5G-Mobilfunk nicht möglich ist: ein Mobilfunknetz mit deutscher Technologie und Technik. Denn bei 5G kommt man beim Aufbau von Mobilfunknetzen nicht um die Geräte auslän­discher Anbieter wie Ericsson, Nokia oder Huawei herum.

*Konstantin Pfliegl ist Redakteur bei der Zeitschrift com! professional und schreibt auch für die Internet World Business, Telecom Handel und die Schweizer Computerworld. Er hat rund 20 Jahre Erfahrung als Redakteur für verschiedene Print- und Online-Medien. Er arbeitete als Redakteur unter anderem für die Fachpublikationen tecChannel und Internet Professionell sowie freiberuflich unter anderem für FOCUS Online.


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