OCG fordert nationalen Kraftakt für Aufholjagd bei Digitalisierung

„Wir müssen endlich erkennen, dass programmieren im 21. Jahrhundert neben lesen, schreiben und rechnen eine ganz natürliche Kulturtechnik ist“, sagt OCG-Präsident Wilfried Seyruck. [...]

OCG-Präsident Wilfried Seyruck bei der Verleihung der Biber Awards 2019. (OCG)

Es sind zwei sehr gegensätzliche Signale, die der Wirtschaftsstandort beim Thema Digitalisierung setzt. Einerseits setzen in Österreich gegründete IT-Unternehmen international gültige Qualitätsstandards. Andererseits scheitern viele Landsleute schon an einfachsten Aufgabenstelllungen am Computer. Wirklich alarmierend sei aber, dass gerade die Generation der „Digital Natives“ ihre Qualifikationen deutlich überschätze, betont die Österreichische Computer Gesellschaft (OCG).

Deshalb fordert die OCG von der nächsten Regierung einen nationalen Kraftakt, um auf dem Gebiet der Digitalisierung verlorenes Terrain wiedergutzumachen. Dafür müsse man schon bei den Jüngsten ansetzen und auch die Ausbildung der Pädagogen modernisieren. Dafür brauche es neben mehr Selbstbewusstsein, mit den Besten mithalten zu können, gleichzeitig weniger Selbstüberschätzung bei den potenziellen Nachwuchskräften. Die OCG fordert ein 3-Säulen-Modell, das neben Schülerinnen und Schülern auch Lehrlinge und Erwerbstätige sowie Senioren fit für die Digitalisierung macht.

„Österreichische Software-Entwickler beweisen immer wieder, dass sie auch mit dem Silicon Valley mithalten können. Es gibt also Grund genug, als IT-Standort selbstbewusst zu sein“, zollt OCG-Präsident Wilfried Seyruck heimischen Talenten Respekt. „Gleichzeitig müssen wir jenen Weg einschlagen, der die Selbstüberschätzung unserer Nachwuchskräfte von beendet. Wir müssen ihre Qualifikationen soweit anheben, dass sie der Selbsteinschätzung entspricht.“

So glauben insgesamt 60 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher, dass ihre Computerkenntnisse im Allgemeinen „sehr gut“ oder „gut“ sind. Beim Online‐Test schneiden im Gegensatz dazu aber 61 Prozent „schlecht“ bis „sehr schlecht“ ab. “Alarmierend ist, dass bei den Jugendlichen – also bei den sogenannten Digital Natives – die Selbstüberschätzung besonders ausgeprägt ist“, konstatiert Seyruck.

Digitale Fitness von der Volksschule an

Schon im Volkschulalter könne man mit einem spielerischen Zugang das so genannte Computational Thinking – also die informatische Denk- und Herangehensweise – wecken und fördern. „Das funktioniert mit einfachen Brettspielen und Büchern hervorragend und kommt ohne elektronische Geräte aus“, unterstreicht OCG-Generalsekretär Ronald Bieber. In den höheren Schulstufen schaffe man über Robotik-Spiele oder spezielle Apps auch den Einstieg ins Programmieren spielerisch. „Dafür braucht aber die Lehrerschaft auch das pädagogische Rüstzeug. Ob die Vermittlung digitaler Kompetenzen gelingt, hängt in erster Linie von der Qualität des Unterrichts und weniger von der technischen Ausstattung ab. Investitionen in die Lehrerausbildung haben also oberste Priorität“, fordert Bieber eine längst überfällige Anpassung der Curricula der Pädagogischen Hochschulen. Auch in der Lehrlingsausbildung sei eine Ergänzung der wichtigsten Computerkenntnisse unerlässlich.

Von den Vorreitern lernen

Dass es dafür nicht viel mehr als die Entschlossenheit brauche, eine digitale Aufholjagd zu starten, zeigen Länder wie Südkorea, die Slowakei und die Schweiz. In allen drei Staaten sind bereits erfolgreiche Initiativen etabliert. Während Süd-Korea Computational Thinking im Lehrplan für Volksschüler verankert hat, setzt die Slowakei den fahrbaren Bodencomputer BeeBot bereits im Kindergarten ein. In der Schweiz ist informatische Bildung Teil des zukunftsweisenden „Lehrplan 21“.

„Wir müssen endlich erkennen, dass programmieren im 21. Jahrhundert neben lesen, schreiben und rechnen eine ganz natürliche Kulturtechnik ist“, betont Wilfried Seyruck. Österreich könne auch von den Vorreitern in Südkorea, der Slowakei und Schweiz lernen, wie man bei allen Kindern das Interesse weckt, Talente gezielt fördert, maßgeschneiderte Lehrpläne erstellt, die PädagogInnen-Ausbildung modernisiert und welche Lehrmittel besonders geeignet sind.

Verantwortung für Jugend wahrnehmen

Als österreichische Zertifizierungsstelle für den Europäischen Computerführerschein (ECDL – European Computer Driving License) verfügt die OCG über langjährige Erfahrung in der Konzeption und Durchführung von IT-Schulungsprogrammen. Ähnlich wie ein internationaler PKW-Führerschein ist auch der ECDL ein international anerkanntes Zertifikat, das digitale Kompetenzen verifiziert. Mit dem online Wettbewerb „Biber der Informatik“, an dem alleine im vergangenen Jahr mehr als 32.000 Schülerinnen und Schüler teilgenommen haben, und den OCG-Sommercamps mit Coding-Trainings, setzt die OCG selbst erfolgreiche Initiativen um.

„Die wichtigste Erkenntnis aus all diesen Aktivitäten ist ebenso einfach wie ermutigend: Kinder und Jugendliche haben Spaß am Programmieren und am kreativen Umgang mit Computern“, appelliert Wilfried Seyruck an die Politik, die Lehrpläne zu modernisieren. „Es ist unsere gesellschaftliche Verantwortung, Kinder, Jugendliche, Lehrlinge und Erwerbstätige mit jenen Qualifikationen auszustatten, die es braucht, um beruflich auch im internationalen Vergleich bestehen zu können.“

Digitalisierung braucht 3-Säulen-Modell

Begleitet werden müsse die dringend nötige Modernisierung der Lehrpläne an den Schulen von einer generellen Aufbruchsstimmung. Die Digitalisierung bringe – neben den berechtigten Sicherheitsbedenken – einen Wettbewerbsvorteil und Komfortgewinn für viele Menschen. Zu oft sei die ältere Generation allerdings davon ausgeschlossen. Deshalb brauche es ein Drei-Säulen-Modell, das neben Schülerinnen und Schülern, Lehrlingen und Berufstätigen auch die Generation 65+ umfasst.

Dass jene Berührungsängste, die Senioren oft mit neuen Technologien haben, erfolgreich überwunden werden können, zeigen spezielle Angebote. So werden in Asien e-citizen-Kurse für die ältere Generation mit großem Erfolg angeboten werden. „Das hat auch etwas mit Generationengerechtigkeit zu tun“, argumentiert Seyruck. „Wir müssen auch Senioren in die Lage versetzt, die Preisvorteile und den Komfortgewinn nutzen zu können, die Buchungs- und Vergleichsportale im Internet bringen, oder Apps zu verwenden, die wichtige Assistenzleitungen im täglichen Leben bringen.“


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