Die von PwC veröffentlichte Studie The Leader’s Guide to Value in Motion analysiert, wie globale Megatrends wie künstliche Intelligenz (KI), Klimawandel und geopolitische Spannungen in den kommenden zehn Jahren Wertströme verschieben, Branchen neu konfigurieren und die Agenda von Unternehmensführungen grundlegend beeinflussen könnten. ITWelt.at hat sich die Studie angesehen. [...]
Die Studie „The leader’s guide to value in motion“ basiert auf mehr als zwölf Monaten Forschung und zahlreichen CEO-Befragungen. Bereits 2023 gaben 40 Prozent der befragten 4410 CEOs an, dass ihre Unternehmen bei unverändertem Kurs in zehn Jahren wirtschaftlich nicht mehr tragfähig sein könnten. Seither haben sich technologische, klimatische und geopolitische Entwicklungen weiter zugespitzt. PwC skizziert daher ein Zukunftsbild, das drei große gleichzeitige Diskontinuitäten beschreibt: die Fragmentierung der geopolitischen Ordnung, den Produktivitätsschub durch KI und die zunehmenden physischen Klimarisiken.
Die potenziellen Produktivitätsschübe durch KI
Laut PwC birgt die aktuelle Welle generativer KI das Potenzial, die globale Wirtschaft ähnlich grundlegend zu transformieren wie frühere technologische Revolutionen, etwa die Elektrifizierung. KI könnte, sofern sie verantwortungsvoll eingesetzt und breit akzeptiert wird, das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) bis 2035 um bis zu 15 Prozent über die Basisprognosen hinaus steigern. Ein entscheidender Faktor bleibt jedoch, ob Unternehmen in der Lage sind, Aufgaben, die durch KI wegfallen, durch neue Tätigkeiten für Menschen zu ersetzen. Bei weniger optimistischen Annahmen könnte das KI-Wachstumspotenzial hingegen auch nur bei ein oder acht Prozent liegen.
Zudem erfordert der KI-Betrieb erhebliche Energiemengen. PwC-Analysen zufolge könnten diese Mehrverbräuche langfristig durch KI-gestützte Effizienzgewinne in anderen Wirtschaftsbereichen kompensiert werden. Dennoch bleibt das tatsächliche Ausmaß der KI-Dividende unsicher.
Klimawandel als wachsender Kostenfaktor
Gleichzeitig identifiziert PwC den Klimawandel als massiven ökonomischen Belastungsfaktor. Extreme Wetterereignisse, Naturkatastrophen und schleichende Veränderungen wie Hitzestress oder Verlust landwirtschaftlicher Nutzflächen könnten das globale BIP bis 2035 um rund sieben Prozent unter das Niveau einer business-as-usual-Entwicklung drücken. Selbst ambitionierte Dekarbonisierungsanstrengungen könnten bis dahin keine signifikante Entlastung bringen, da viele Klimaeffekte bereits unumkehrbar eingetreten sind.
Zusätzlich fallen durch die Dekarbonisierung Investitionen in Höhe von mehreren Billionen Dollar an, während gleichzeitig bestehende kohlenstoffintensive Vermögenswerte an Wert verlieren könnten. PwC schätzt die Kosten durch sogenannte “stranded assets” bis 2035 auf über drei Prozent des weltweiten BIP.
Drei Szenarien für das Jahr 2035
Aus diesen komplexen Wechselwirkungen entwickelt PwC drei alternative Zukunftsszenarien:
- Trust-Based Transformation: Verantwortungsbewusster KI-Einsatz und ambitionierte Dekarbonisierung führen zu überdurchschnittlichem Wachstum. Hier übersteigen die Produktivitätsgewinne durch KI die Kosten der Transformation deutlich.
- Tense Transition: Geopolitische Spannungen, fragmentierte Technologienutzung und zurückhaltende Nachhaltigkeitsbemühungen halten sich die Waage. Wachstum stagniert auf heutigem Niveau, da KI-Gewinne durch Klimaschäden aufgezehrt werden.
- Turbulent Times: Vertrauensverlust in Technologien, ausbleibende Innovationen und zunehmende internationale Spannungen verhindern sowohl Produktivitätsfortschritte als auch wirksame Klimaschutzmaßnahmen. Das Wachstum fällt deutlich unter die Basiserwartungen.
Wachstumsdomänen als neue Ordnung der Wirtschaft
PwC schlägt vor, die künftige Wirtschaft nicht mehr strikt nach Branchen, sondern nach menschlichen Bedürfnissen und den darauf aufbauenden Wertschöpfungsdomänen zu strukturieren. Diese umfassen unter anderem Mobilität (how we move), Ernährung (how we feed), Gesundheitsversorgung (how we care), Energie (fuel and power), Finanzierung (fund and insure), Kommunikation (connect and compute) sowie Governance (govern and serve). Diese neu entstehenden Wertschöpfungsräume könnten durch technologische Integration und Kooperation vielfältige Innovationschancen bieten.
Chancen durch technologische und organisatorische Innovation
In allen Szenarien wird Unternehmen empfohlen, ihre Geschäfts-, Betriebs- und Energiemodelle frühzeitig zu innovieren. Dazu gehören:
- Der Einsatz von KI in Geschäftsprozessen, zum Beispiel für Vertragsprüfung (Unilever), Kundenservice (Samsung) oder Prototypenentwicklung (SoftBank).
- Kooperationen über Branchengrenzen hinweg, etwa bei der Entwicklung von Elektromobilität durch Partnerschaften zwischen Autobauern, Batterieherstellern, Softwarefirmen und Infrastrukturanbietern.
- KI-basierte Prognosen und Analysen zur Optimierung von Lieferketten, Energieverbrauch oder Produktionsprozessen.
- Neue Wertangebote für alternde Gesellschaften und einkommensschwache Bevölkerungsschichten, etwa Concierge-Healthcare, personalisierte Produkte und Dienstleistungen oder nachhaltigere Konsumgüter.
Herausforderungen: Unsicherheit, fehlende Regulierung, Investitionsbedarf
Gleichzeitig identifiziert PwC vielfältige Hindernisse für eine zügige Transformation:
- Fehlende regulatorische Rahmenbedingungen
- Unvollständige technologische Reife
- Hohe Investitionsbedarfe in neue Infrastrukturen
- Mangel an Fachkräften
- Komplexe globale Abhängigkeiten und geopolitische Spannungen
Diese Faktoren könnten den Wandel verzögern oder in einzelnen Weltregionen ganz unterschiedlich verlaufen lassen.
Mindsets für die Führungsriege der Zukunft
PwC fordert Unternehmenslenker auf, drei Denkweisen zu verinnerlichen, um den bevorstehenden Wandel erfolgreich zu gestalten:
- Unsicherheit annehmen: Zukunft aktiv mitgestalten, auch wenn der exakte Verlauf unvorhersehbar bleibt.
- Systemisch denken: Zusammenhänge zwischen KI, Energie, Klimawandel und Geopolitik ganzheitlich erfassen.
- Exponentiell denken: Die kombinatorische Kraft neuer Technologien und die nicht-lineare Dynamik von Klimarisiken frühzeitig erkennen und für Wachstum nutzen.
Laut PwC ist es entscheidend, jetzt mutige Entscheidungen zu treffen und sich sowohl auf Wachstumschancen als auch auf neue Wettbewerbsdynamiken vorzubereiten. Insbesondere könnten „No-Regret“-Investitionen, etwa in Energieeffizienz, Kreislaufwirtschaft oder resiliente Lieferketten, in allen Szenarien sinnvoll sein.
Das Fazit der ITWelt-Redaktion
PwC zeichnet ein differenziertes Bild der globalen Wirtschaftslandschaft bis 2035, in dem Technologiepotenziale und Klimarisiken eng miteinander verwoben sind. Die Studie liefert Führungskräften ein wertvolles Analyse- und Orientierungsinstrument, um ihre Unternehmen auf unterschiedliche Zukünfte vorzubereiten. Frühzeitige Innovationsinitiativen, systemische Perspektiven und eine neue Offenheit für Partnerschaften könnten zum entscheidenden Erfolgsfaktor werden.
Die Studie kann hier heruntergeladen werden.

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