Rasante Reise in die neue Arbeitswelt

Franz Edlinger (47) ist seit September neuer Leiter für den KMU-Bereich bei Microsoft, zuvor war er Partner Development Lead. Insgesamt besitzt der gebürtige Waldviertler mehr als 20 Jahre Erfahrung in der IT-Branche, fokussiert auf Vertrieb, digitale Strategien und technische Beratung. [...]

Franz Edlinger, KMU-Chef Microsoft: "Die Krise ht die Unternehmen gezwungen, neue Ideen zu entwickeln." (c) Microsoft

Die Corona-Krise hat massive Veränderungen ins Rollen gebracht, betont Franz Edlinger und schildert im Gespräch mit der COMPUTERWELT seine Einschätzung der Lage und Ziele für 2021.

Was haben Sie sich in Ihrer neuen Position jetzt vorgenommen, in einer Zeit, die massiv durch die Corona-Krise geprägt ist?

Wir reden ja von 340.000 Unternehmen in Österreich, 99 Prozent von den Unternehmen. Das ist ein riesengroßer Wirtschaftsbereich. Mir ist ganz wichtig, dass wir diesen Unternehmen bei der Digitalisierung helfen, aber auch beim Fachkräftemangel – und speziell in der Corona-Krise sie dabei zu unterstützen, neue Absatzwege zu finden, Kosten zu sparen oder Prozesse zu optimieren. Ich würde es gerne an drei wichtigen Punkten festmachen: Aus- und Weiterbildung, die Digitalisierung und Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Ländern und das dritte Thema ist Cloud. Wir sehen, dass Unternehmen, die in die Cloud investieren, einfach erfolgreicher am Markt sind.

Wo sehen Sie da bei diesen drei Themen in Österreich den Mittelstand?

Für mich gibt es eine Zeit vor Corona und eine Zeit während Corona. Vorher sind die Unternehmen in punkto Digitalisierung stark hinterhergehinkt. Durch die Krise ist Österreich in die Zukunft katapultiert worden. Im Schul- und Bildungsbereich haben Home Schooling und Distance Learning für große Veränderungen gesorgt. KMU und Gemeinden, mussten von heut auf morgen ihre Mitarbeiter ins Homeoffice verlagern. Und viele denken jetzt natürlich nach, weiter und nachhaltig Homeoffice anzubieten. Das wäre gerade im Gemeinde-Bereich vor der Krise undenkbar gewesen. Die Digitalisierung ermöglicht da sehr vieles, auch flexibler arbeiten zu können.

Corona hat vieles verändert, womit haben die Unternehmen gekämpft? Welche Auswirkungen haben Sie gesehen?

Viele Unternehmen haben auf einmal massive Einbußen erlebt, etwa im stationären Handel, im Tourismus, in Kultureinrichtungen oder der Gastronomie, bei Friseuren oder Fitness-Studios. Viele waren dadurch gezwungen, neue Lösungen und Ideen zu entwickeln. Nur ein kleines Beispiel: Wir haben etwa einem Vorarlberger Fahrradunternehmen mittels Microsoft Planner dabei geholfen, dass die Rad-Service-Termine remote angeboten werden können inklusive einem Bring-und-Hol-Service für die Kunden. Auch viele neue Bestell- und Liefer-Angebote sind entstanden. Aber auch soziale Medien wurden viel häufiger als Kanäle genutzt, um an die Kunden heranzukommen. Hinzu kommt nach wie vor das interne Problem, die Kommunikation zu den Mitarbeitern, die derzeit in Kurzarbeit oder im Homeoffice sind, aufrecht zu halten. Ich denke, die Arbeitswelt hat sich durch Corona nachhaltig verändert. Gerade auch die junge Generation wird sicher nicht mehr so arbeiten wollen, wie wir es traditionell gewohnt waren.

Was heißt das für Ihre Planung und Strategie?

Modern Work ist für uns natürlich ein ganz wichtiger Schwerpunkt, diesen Bereich definieren wir gerade komplett neu. Wir sind auch selbst gerade dabei, unser Büro wieder umzubauen, um hier selbst einen Trend zu setzen, wie moderne Büro- und Arbeitswelten künftig aussehen müssen. Der Umbau wird in Kürze fertiggestellt. Bei Microsoft gab es ja immer schon Homeoffice. Früher konnte man von zu Hause arbeiten, jetzt müssen wir es alle machen. Das hat auch bei uns selbst einen Veränderungsprozess in der Zusammenarbeit, auch in der deutlichen Steigerung der Nutzung von Videokonferenzen via Microsoft Teams, gebracht. Neben der Technologie braucht es aber auch unbedingt Regeln für den Ablauf von Online Meetings. Künftig werden wir mit ganz anderen Augen darauf schauen, welche Balance man zwischen physischer Präsenz im Büro und Online Collaboration findet. Microsoft 365 bietet dazu laufend Innovationen. Es wird vielfach um verbesserte digital gestützte Prozesse gehen. Datengetriebene Entscheidungen sehe ich als großen Trend. Da kommt Künstliche Intelligenz ins Spiel und auch unsere Azure Plattform hilft, hier neue Wege zu gehen. Vertrieb wird in Zukunft viel digitaler ablaufen, der Webshop erhielt durch Corona auch eine neue Dimension. Für die Unternehmen bedeutet das, einerseits eine Verpflichtung in Technologie zu investieren und anderseits die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter voranzutreiben.

Weil Sie gerade den Vertrieb angesprochen haben: Wie stellen Sie sich denn Digital Selling vor?

Hier gibt es mehrere Komponenten. Auf der einen Seite ist die Frage: Wie schaffe ich es, meine Zielgruppe zu erreichen? Und wie kann ich die gesamte Customer Journey jetzt digital abbilden? Wir bieten da mit unserer Dynamics Plattform auch Customer Insights, um hier gezielter und genauer die Vertriebssteuerung machen zu können und zu wissen: Zu welchem Zeitpunkt kann der Kunde mit welchem Thema adäquat adressiert werden. Wir erleben da im Moment einen gewaltigen Wandel, es wird sich komplett verändern, wie wir in Zukunft verkaufen. Allerdings ist es sehr schwierig eine gute Kundenbeziehung nachhaltig aufzubauen, wenn es keinen persönlichen Kontakt gibt. Man bekommt dafür im Moment von den Kunden und deren Mitarbeitern ganz andere Einblicke, weil sie im Homeoffice sitzen. Da sind dann des Öfteren Kinder bei Video-Calls mit dabei.

Viele Unternehmen haben sich Corona-bedingt oder gezwungenermaßen auch mit dem Thema Cloud beschäftigt? Wie sieht es denn dabei mit dem Einsatz von Azure aus?

Die großen Kunden sind beim Thema Cloud, auch mit Azure, schon sehr weit fortgeschritten. Wir arbeiten sehr stark mit den sogenannten großen, aber auch kleinen „Outsourcern“ zusammen, das sind an die 200 Unternehmen in ganz Österreich. Da sind wir auch gerade dabei, den Partnerkanal zu transformieren. Ein weiterer Multiplikationseffekt sind die rund 3.000 Microsoft Partner in ganz Österreich, wo wir die breite Masse an KMU adressieren wollen. Meine Vision in Richtung KMUs geht so weit, dass ich sage: Wir brauchen keine Hardware mehr vor Ort. Alle notwendigen IT-Ressourcen können als as-a-Service Komponenten bezogen werden. Das ist für die Unternehmen viel flexibler und sicherer und entspricht auch dem Innovationsgeist. Was wichtig ist: Ist lebenslanges Lernen. Die Unternehmen müssen das Ausbildungs- und Trainings-Thema neu angehen. Etwa in punkto Azure, Künstliche Intelligenz und Datennutzung. Daten helfen im Unternehmen, Dinge schneller zu erkennen. Mit Machine Learning können Prozesse und Abläufe automatisiert werden. Wir haben auch eine neue Power Platform, da gibt es die Möglichkeit, Prozesse ohne Programmierung zu automatisieren. Hier haben wir im Moment schon 400 Konnektoren zu Fremdsystemen. In Zukunft wird es noch viel mehr auf Agilität ankommen, da kommt wieder die Cloud-Thematik ins Spiel: Eine Plattform wie Azure liefert genau diese Agilität, die die Unternehmen brauchen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und schneller agieren und reagieren zu können.

Wie viele Unternehmen haben denn in Österreich schon Azure im Einsatz?

Im KMU Bereich sind wir bei ca. 20 Prozent. Wir glauben aber, der Bereich entwickelt sich gerade jetzt stark weiter. Wir sind da auch als Technologiepartner gefordert, neue Absatzkanäle aufzubauen. Wir reden von rund 200.000 Unternehmen mit 4 bis 49 Mitarbeitern. Viele dieser KMU haben allerdings keinen IT- oder Technologieansprechpartner. Um diese Unternehmen zu adressieren, arbeiten wir schon mit den Telekom-Anbietern und auch größeren Systemhäusern gut zusammen. Es gilt aber auch, neue Wege zu gehen, etwa über Webinare. Ziel ist: Wir wollen sie für neue Innovationen und neue Technologien begeistern. Das sehen wir auch als unsere wichtige Aufgabe, die wir für den Wirtschaftsstandort Österreich leisten wollen.

Wozu wird denn Azure hauptsächlich genutzt?

Das beginnt bei Infrastruktur-Services, das bringt vielen Unternehmen eine Kosteneinsparung. Das Wichtigste ist dabei immer: die Cloud als Chance sehen, um innovativer, schneller und agiler, aber auch skalierbarer zu werden. Wir haben derzeit 21 Startups in Azure Förderprogrammen, deren Wachstum dadurch gut unterstützt wird, etwa Lamie Direkt, ein reiner Online Anbieter für Versicherungen. Oder Tributech, ein Startup das den Austausch von Unternehmensdaten auf eine neue Ebene hebt und es ermöglicht, Daten sicher, rückverfolgbar und ohne Verlust der Datenhoheit mit anderen Unternehmen zu teilen.

Sehen Sie eigentlich noch Scheu oder Zurückhaltung beim Wort Digitalisierung?

Es ist leider so, dass die wenigsten KMUs das Thema verstehen. Viele glauben nach wie vor, Digitalisierung bedeutet, einen Papierprozess zu digitalisieren. Aber es geht bei der Digitalisierung um neue Geschäftsprozesse und Prozess-Optimierung, um Kosteneinsparung und Neukundengewinnung – das sind die drei großen Kernthemen. Das müssen wir für KMUs noch einfacher und verständlicher beibringen. Da ist wie gesagt auch unser Partner-Netzwerk stark gefordert, damit es dann auch in der Praxis greifbarer und einfach umsetzbar ist. Die Bereitschaft zu investieren ist ja laut KMU Studie da. Aber Corona und der Lockdown haben da natürlich einiges bewirkt und verändert. Das Positive daran war und das muss man schon unterstreichen: Es hat die Digitalisierung in Österreich massiv vorangetrieben.

Ist da die Politik auch gefordert?

Ich denke, da ist die Regierung sehr gefordert, speziell was das Bildungsthema angeht. Das muss neu gedacht werden. Für die Unternehmen haben wir vor etwas mehr als einem Jahr den Microsoft Skills Campus gegründet, den wir gemeinsam mit dem Enterprise Training Center (ETC) anbieten. Wir decken damit zehn der attraktivsten Digital-Jobs der Zukunft ab, die von Agenda Austria ermittelt wurden. (Hier geht es zur umfassenden Studie “Die Jobs der Zukunft”) Unser Ziel dabei ist es, dem Fachkräftemangel langfristig entgegenzuwirken und gerade im Bereich „Digital Job-Roles“ mit gezieltem Ausbilden und Vermitteln alle Unternehmen zu unterstützen. Es geht in Kooperation mit dem AMS auch darum, Leute umzuschulen, die heute arbeitslos sind oder in Jobs arbeiten, die in Zukunft verschwinden werden. Um den Wirtschaftsstandort zu stärken, muss hier auch die Regierung in die Ausbildung von IT-Fachkräften investieren.

Die Kurzfassung dieses Interviews lesen Sie auch in der aktuellen Printausgabe 01/2021 der COMPUTERWELT.


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