So wollen Staaten Onlineterrorismus bekämpfen

Zum ersten Mal kommen Regierungen und Technikunternehmen zusammen, um konkrete Massnahmen im Kampf gegen Terrorinhalte im Netz zu beschliessen. Ohne die USA. [...]

Die Algorithmen von Facebook hatten zum Teil Probleme, von Nutzern neu hochgeladene Kopien des Christchurch-Videos zu entdecken, wenn sie etwas verändert worden waren. (c) Pixabay
Die Algorithmen von Facebook hatten zum Teil Probleme, von Nutzern neu hochgeladene Kopien des Christchurch-Videos zu entdecken, wenn sie etwas verändert worden waren. (c) Pixabay

Im Kampf gegen Terrorvideos im Netz haben Internetgiganten wie Amazon, Facebook oder Google und 17 Staaten ein internationales Bündnis geschmiedet. Anlass für den Christchurch-Gipfel in Paris war der Terroranschlag in Neuseeland Mitte März mit 51 Toten. Der Täter übertrug seinen Angriff mit einer Helmkamera über Facebook zu großen Teilen live ins Internet. Davon gibt es auch ein insgesamt 17-minütiges Video, das millionenfach angeklickt wurde.

„Es ist das erste Mal, dass Regierungen und Technikunternehmen zusammenkommen“, sagte die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern. Sie hatte gemeinsam mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron die Initiative angestoßen. „Wir haben konkrete Massnahmen beschlossen, damit sich ein Drama wie in Christchurch nicht wiederholen kann“, sagte Ardern. In dem Aufruf wird versichert, dass die Grundsätze eines freien und offenen Internets sowie die Meinungsfreiheit respektiert werden.

Investitionen zum Kampf gegen Terrorinhalte im Netz

Die Internetunternehmen Microsoft, Twitter, Facebook, Google sowie Amazon begrüßten die Initiative und stellten mehr konkrete Schritte sowie Investitionen zum Kampf gegen Terrorinhalte im Netz in Aussicht. Sie betonten zugleich, dass es hier um komplexe Probleme gehe, bei denen die gesamte Gesellschaft gefordert sei.

Deutschland gehört nach Angaben des französischen Präsidialamts zu den insgesamt 17 Ländern, die den Aufruf mittragen. Weitere Staaten sind Kanada, Grossbritannien, Australien und Japan. Die riesige Wirtschaftsmacht USA ist hingegen nicht dabei.

Facebook kündigte pünktlich zum Christchurch-Gipfel neue Einschränkungen für die Plattform an. So sollen Nutzer schon nach einer schwerwiegenden Regelverletzung „eine bestimmte Zeit lang“ keine Livevideos übertragen dürfen. Als ein Beispielzeitraum für eine Sperrung wurden 30 Tage angegeben. Als Beispiel für einen schwerwiegenden Regelverstoss nannte Facebook die Weiterleitung eines Links zu einer Mitteilung einer Terrorgruppe ohne Einordnung.

Deutschland als Beobachter eingebunden

Mehrere Staats- und Regierungschefs waren nach Paris gekommen, unter ihnen Jordans König Abdullah II. oder Kanadas Premier Justin Trudeau. Deutschland war laut Élysée-Kreisen als Beobachter eingebunden. Macron hatte bereits in der vergangenen Woche mit Facebook-Chef Mark Zuckerberg über den Kampf gegen Hass im Netz beraten.

Frankreich führt im laufenden Jahr die Runde der großen Industriestaaten (G7). Zudem wurde das Land in den vergangenen Jahren schwer vom islamistischen Terrorismus getroffen – rund 250 Menschen wurden getötet.

Ardern sagte, der sogenannte Christchurch-Appell sei nur ein Ausgangspunkt: „Wir werden das nicht mit einer Erklärung regeln.“ Es gehe nicht um die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen der Unternehmen. „Wir müssen jedoch wissen, wie Algorithmen unsere Gesellschaften beeinflussen können.“

Mit Strafen zum raschen Löschen zwingen

Die Algorithmen von Facebook hatten zum Teil Probleme, von Nutzern neu hochgeladene Kopien des Christchurch-Videos zu entdecken, wenn sie etwas verändert worden waren. Facebook will nun in einem 7,5 Millionen US-Dollar teuren Forschungsprojekt gemeinsam mit Wissenschaftlern die Bilderkennung in Videoaufnahmen verbessern.

Neuseeland hatte nach dem Anschlag des australischen Rechtsextremisten rasch gehandelt und Sturmgewehre sowie halbautomatische Waffen verboten. Auch Europa war bisher im Kampf gegen Terrorpropaganda im Netz nicht tatenlos. Die EU-Kommission schlug 2018 vor, Internetfirmen unter Androhung empfindlicher Strafen zum raschen Löschen zu zwingen. Bei mehrmaligen Verstössen drohen dem Vorschlag zufolge Geldbußen. Dies ist allerdings noch nicht gültiges Recht, da die EU-Staaten und das Europäische Parlament sich noch auf eine gemeinsame Position einigen müssen.


Mehr Artikel

Rüdiger Linhart, Vorsitzender der Berufsgruppe IT der Fachgruppe UBIT Wien. (c) WeinwurmFotografie
Interview

IT-Berufe im Fokus: Innovative Lösungen gegen den Fachkräftemangel

Angesichts des anhaltenden IT-Fachkräftemangels ist schnelles Handeln gefordert. Die Fachgruppe IT der UBIT Wien setzt in einer Kampagne genau hier an: Mit einem breiten Ansatz soll das vielfältige Berufsbild attraktiver gemacht und innovative Ausbildungswege aufgezeigt werden. IT WELT.at hat dazu mit Rüdiger Linhart, Vorsitzender der Berufsgruppe IT der Fachgruppe UBIT Wien, ein Interview geführt. […]

News

ISO/IEC 27001 erhöht Informationssicherheit bei 81 Prozent der zertifizierten Unternehmen

Eine Umfrage unter 200 Personen verschiedener Branchen und Unternehmensgrößen in Österreich hat erstmals abgefragt, inwiefern der internationale Standard für Informationssicherheits-Managementsysteme (ISO/IEC 27001) bei der Bewältigung von Security-Problemen in der Praxis unterstützt. Ergebnis: Rund 81 Prozent der zertifizierten Unternehmen gaben an, dass sich durch die ISO/IEC 27001 die Informationssicherheit in ihrem Unternehmen erhöht hat. […]

News

Public Key Infrastructure: Best Practices für einen erfolgreichen Zertifikats-Widerruf

Um die Sicherheit ihrer Public Key Infrastructure (PKI) aufrecht zu erhalten, müssen PKI-Teams, sobald bei einer Zertifizierungsstelle eine Sicherheitslücke entdeckt worden ist, sämtliche betroffenen Zertifikate widerrufen. Ein wichtiger Vorgang, der zwar nicht regelmäßig, aber doch so häufig auftritt, dass es sich lohnt, PKI-Teams einige Best Practices für einen effektiven und effizienten Zertifikatswiderruf an die Hand zu geben. […]

News

UBIT Security-Talk: Cyberkriminalität wächst unaufhaltsam

Jedes Unternehmen, das IT-Systeme nutzt, ist potenziell gefährdet Opfer von Cyberkriminalität zu werden, denn die Bedrohung und die Anzahl der Hackerangriffe in Österreich nimmt stetig zu. Die Experts Group IT-Security der Wirtschaftskammer Salzburg lädt am 11. November 2024 zum „UBIT Security-Talk Cyber Defense“ ein, um Unternehmen in Salzburg zu unterstützen, sich besser gegen diese Bedrohungen zu wappnen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*