T-Systems-Verkauf: Das sagen Analysten

Die Deutsche Telekom bereitet offenbar den Verkauf von T-Systems vor. Analysten und Marktbeobachter sind nicht überrascht. Aber sie rechnen mit schwierigen Verhandlungen. [...]

Für T-Systems könnten bei der Deutschen Telekom bald die Lichter ausgehen. (c) geogif - shutterstock.com

Die Deutsche Telekom arbeitet einem Bericht des „Manager Magazin“ zufolge seit Monaten daran, die IT-Dienstleistungstochter T-Systems zu verkaufen. Das Blatt beruft sich auf die Aussagen von „Beteiligten“. Der T-Systems-Chef Adel Al-Saleh, seit 2018 mit dem Umbau des Konzerns betraut, müsse in einem Konzern aufräumen, der seit Jahren wie ein „schwarzes Loch“ Geld und Talent verschlinge. Gemeinsam mit Telekom-Vorstand Tim Höttges bereite er nun im „Projekt Eagle“ den Verkauf vor. In der Branche schlagen die Spekulationen hohe Wellen. Das sagen Analysten zu den Verkaufsgerüchten.

Mario Zillmann, Lünendonk

Dass sich da etwas über T-Systems zusammenbraut, hat sich bereits in den vergangenen Jahren abgezeichnet, sagt Mario Zillmann, Partner bei Lünendonk. Die Ausgliederung der beiden Einheiten „TC Services“ und „Classified ICT“ von T-Systems in die Telekom Deutschland lasse sich durchaus als eine Art Portfoliobereinigung verstehen. Das sei mit ein Grund dafür gewesen, warum T-Systems im diesjährigen Lünendonk-Ranking der führenden IT-Dienstleister in Deutschland um zwei Plätze von Rang 2 auf 4 abgerutscht sei, sagt Zillmann. „Der Marktanteil von T-Systems im deutschen IT-Services-Markt ist seit Jahren rückläufig.“

Aus einer technologischen Perspektive sei T-Systems eigentlich ganz gut aufgestellt, meint der Marktbeobachter. Der Dienstleister habe wichtige Themen wie zum Beispiel Cloud Computing und Security By Design früh aufgegriffen und in sein Portfolio integriert. Allerdings habe es T-Systems nie richtig geschafft, einen Zugang zu den Fachbereichen zu bekommen, die immer mehr Digitalprojekte initiieren und mitentscheiden. Auch komplexe Managementstrukturen zwischen der Telekom und T-Systems hätten Entscheidungen nicht gerade beschleunigt, so Zillmann. Außerdem seien Zuständigkeiten im Grenzbereich zwischen Mutter und Tochter für Kunden oft nur schwer zu durchschauen gewesen, zumal sich an dieser Stelle laufend etwas geändert habe.

Mario Zillmann, Lünendonk: „Der Marktanteil von T-Systems im deutschen IT-Services-Markt ist seit Jahren rückläufig.“
(c) Lünendonk

Wie es mit T-Systems weitergeht, ist dem Marktexperten zufolge schwer vorherzusagen. Es gebe allerdings einige Assets, die für Wettbewerber interessant sein könnten. Das Cloud-Geschäft könnte demnach beispielsweise einen Brückenkopf für indische Anbieter wie Tata Consultancy Services (TCS) oder Infosys bilden. Beide Unternehmen versuchen seit Jahren stärker in Deutschland Fuß zu fassen. TCS hat erst vor einem Jahr Postbank Systems von der Deutschen Bank übernommen. Um ihren IT-Ableger los zu werden, legte das deutsche Bankhaus sogar noch 120 Millionen Euro drauf.

Mit der Übernahme von Postbank Systems sicherte sich TCS Branchen-Know-how im Finanzsektor. Auch bei T-Systems schlummern solche Perlen, stellt Zillmann fest und verweist auf die Automotive-Sparte, die im Wesentlichen 2005 durch den Kauf der Gedas, des ehemaligen IT-Dienstleisters von Volkswagen, für kolportierte 450 Millionen Euro entstanden ist.

Wie eine T-Systems-Abspaltung in finanzieller Hinsicht gelingen könnte, bleibt allerdings abzuwarten. „Die Deutsche Telekom braucht jedenfalls Geld für den 5G-Ausbau“, sagt der Lünendonk-Experte. Eine defizitäre Großkundensparte sei da wenig hilfreich. Ein weiterer Vorteil läge darin, dass die Telekom die Pensionsansprüche in der T-Systems-Belegschaft aus den Büchern hätte. Alles in allem dürfte der Deal nicht einfach auszuhandeln sein, zumal auch die Gewerkschaft sicherlich ein Wörtchen mitreden möchte. Mit Verdi haben die T-Systems-Verantwortlichen in den vergangenen Jahren den einen oder anderen Streit ausgefochten.

Carlo Velten, Atlantic Ventures

„Für die Telekom war T-Systems zuletzt leider nicht mehr besonders relevant“, sagt Carlo Velten, Founder & Principal Analyst von Atlantic Ventures GmbH. Das gilt aus unterschiedlichen Perspektiven. 2020 steuerte die Sparte mit knapp 4,2 Milliarden Euro gerade noch gut vier Prozent zum Gesamtumsatz der deutschen Carriers bei, der bei 101 Milliarden Euro lag. Zum Vergleich: Allein das Geschäft von T-Mobile in den USA wuchs nach der Sprint-Übernahme um mehr als 50 Prozent und steuerte 61,2 Milliarden Euro zum Telekom-Umsatz bei. Auch für die Digitalisierung der Konzernmutter sei T-Systems letztendlich nicht mehr wichtig gewesen, zumal sich die Telekom die für sie relevanten Filetstücke der Tochter bereits gesichert habe, konstatiert Velten.

T-Systems schiebe seit vielen Jahren Altlasten vor sich her. Velten spricht unter anderem das sich ständig drehende Personalkarussell an und verweist auf strukturelle Probleme. Es sei nicht gelungen, die Belegschaft zu verjüngen und ein neues Mindset zu etablieren. Auch die Transformation des eigenen Geschäfts habe im Grunde genommen nicht funktioniert. Zu viel hing immer noch am alten Outsourcing-Geschäft mit geringen Margen. In neuen Zukunfts- in Innovationsfeldern habe T-Systems nie wirklich Fuß fassen können.

„Es wäre ein Verkauf mit Ansage“, zieht der Analyst Bilanz. Al-Saleh sei letztendlich nicht angetreten, um T-Systems zu retten. Er sollte das Unternehmen hübsch machen für einen Verkauf. „Diesen Auftrag hat der Manager erledigt.“ Jetzt steuere das Ganze auf das große Finale zu.

Carlo Velten, Atlantic Ventures: „Al-Saleh ist nicht angetreten, um T-Systems zu retten. Er sollte das Unternehmen hübsch machen für einen Verkauf. Diesen Auftrag hat der Manager erledigt.“
(c) Atlantic Ventures

Die Chancen für einen Verkauf stehen aus Veltens Sicht nicht schlecht. Im Markt sei momentan viel Geld da. Gerade Private-Equity-Gesellschaften suchten nach Möglichkeiten, sich in Software- und IT-Service-Unternehmen einzukaufen. Aus deren Sicht könnte T-Systems eine interessante Option sein, stellt der Marktbeobachter fest. Das Outsourcing-Geschäft biete zwar keine große Marge, verspreche allerdings stabile Umsätze über einen längeren Zeitraum. Auch die Data Center von T-Systems seien ein lohnenswertes Asset mit Blick auf die voranschreitende Digitalisierung in den Unternehmen. Wenn Investoren andere Beteiligungen im Portfolio hätten, könnten sich interessante Kombinationen mit dem T-Systems-Geschäft ergeben, sagt Velten.

Der Knackpunkt im Falle eines Verkaufs dürfte aus Sicht des Analysten in möglichen Widerständen seitens der Belegschaft liegen. Velten geht davon aus, dass sich das Klima bei T-Systems merklich abkühlen wird, sollten Investoren zugreifen. Eine andere Frage sei, was ein solcher Schritt für Deutschland in digitalpolitischer Hinsicht bedeute. „Für den IT-Standort ist das nicht gut“, meint der Gründer von Atlantic Ventures und verweist auf die anhaltenden Diskussionen um digitale Souveränität.

Christophe Chalons, teknowlogy Group

„Über einen Verkauf von T-Systems wird seit vielen Jahren spekuliert“, sagt Christophe Chalons, Senior Vice President, Head of Research & Chief Analyst bei teknowlogy. Es sei kein Geheimnis, dass das Systemgeschäft nicht gerade das Lieblingskind im Telekom-Konzern ist. Das liege auch daran, dass man sich hier mit vergleichsweise geringen Gewinnmargen begnügen müsse.

Die Deutsche Telekom habe sich offenbar entschieden, nicht weiter in T-Systems zu investieren und stattdessen die Abspaltung vorzubereiten. Dabei gehe es T-Systems im Grunde gar nicht so schlecht. Die Rückgänge im vergangenen Geschäftsjahr seien in erster Linie auf Veräußerungen und Währungseffekte aus dem internationalen Geschäft zurückzuführen. Gerade in Deutschland habe der IT-Service-Provider vor allem bei Kunden im gehobenen Mittelstand ein gutes Standing.

Christophe Chalons, teknology Group, mahnt, dass auch wieder mehr Ruhe bei T-Systems einkehren müsse: „Die ständigen Gerüchte über einen möglichen Verkauf helfen dem Unternehmen nicht.“
(c) PAC

Für Chalons ist das eine gute Basis, um darauf aufzubauen. Beispielsweise könne T-Systems beim Thema Hybrid Cloud punkten. Viele Anwenderunternehmen steuerten derzeit auf hybride IT-Landschaften aus Private- und Public-Cloud-Anteilen zu. Für eine solide Wachstums-Story müsste der Konzern allerdings Geld in die Hand nehmen und gezielte Übernahme tätigen – vor allem in Zukunftsthemen wie Public Cloud, KI und Customer Experience (CX). Andere IT-Serviceanbieter wie Accenture, Capgemini oder Atos seien hier bereits vorangeschritten. T-Systems habe in diesen Feldern Nachholbedarf.

Zuletzt müsste auch wieder mehr Ruhe bei T-Systems einkehren. „Die ständigen Gerüchte über einen möglichen Verkauf helfen dem Unternehmen nicht“, macht Chalons klar. Wer möchte als Kunde schon mit einem Anbieter zusammenarbeiten, der möglicherweise kurz vor dem Verkauf steht.

Duncan Brown, IDC

Auch Duncan Brown, Vice President, European Enterprise Research bei IDC, verweist auf die Probleme von T-Systems, sich im Markt zu behaupten. Gerade im Wettbewerb mit den Cloud-Hyperscalern hätten es die kleineren Player schwer, weil sie an die Skalenvorteile nicht heranreichen könnten. Kunden seien aber meistens nicht bereit, mehr Geld bei einem lokalen Anbieter zu lassen. Vor diesem Hintergrund seien die aufkommenden Spekulationen über einen Verkauf keine Überraschung. „Die Telekom möchte T-Systems irgendwo abladen.“

Ob und wie das gelingt, bleibe aus Sicht Browns abzuwarten. Die Gretchenfrage werde sein, wie viel Flexibilität ein potenzieller Käufer bekomme, T-Systems umzubauen und neu aufzustellen. Gerade die derzeitigen Konzernstrukturen mit der Beteiligung des Bundes dürften ein schwieriger Punkt in den Verkaufsverhandlungen werden.

Grundsätzlich sieht aber auch der IDC-Analyst Chancen für T-Systems. Er verweist auf gute Skills beispielsweise im Security-Bereich. Auch das Standing bei mittelständischen Kunden spreche für den deutschen IT-Service-Provider. Allerdings gelte es an einige Stellen nachzuschärfen. Beispielsweise brauche es mehr und bessere Qualifikationen in neueren Themenfeldern wie Analytics und KI. Auch im Portfolio müssten alternative Wege beschritten werden und beispielsweise mehr flexible, verbrauchsabhängige Dienste angeboten werden. Solche Maßnahmen, gepaart mit einem klaren Fokus auf bestimmte Marktsegmente und Branchen, wären aus Browns Sicht ein vielversprechender Ansatz für einen Neustart von T-Systems.

ver.di

Die Dienstleistungsgewerkschaft hat in den vergangenen Jahren so manchen Streit mit dem Telekom- und T-Systems-Management ausgefochten. In möglichen Verkaufsverhandlungen dürften Vertreter von Betriebsrat und Gewerkschaft ein gewichtiges Wörtchen mitreden wollen. „ver.di ist von den Presseberichten zu angeblichen Verkaufsabsichten der T Systems überrascht“, teilt die Gewerkschaft mit. „Die Beschäftigten der Telekom-Tochter werden seit Jahren mit Umorganisationen und Stellenabbau konfrontiert und immer neuen Spekulationen ausgesetzt. Zudem wurde ihnen zuletzt eine faire Entgeltentwicklung verwehrt. Das ist für die Beschäftigten unzumutbar und keine geeignete Basis, ein so wichtiges Geschäftsfeld der Telekom positiv zu entwickeln.“

Gewerkschaftsvertreter fordern, „die Perspektive der Beschäftigten und Arbeitsplätze in den Mittelpunkt weiterer Überlegungen zu stellen. Die Zukunft und Perspektive für die Beschäftigten, Standorte und Arbeitsplätze müssen mit uns ver.di und den betrieblichen Sozialpartnern besprochen werden.“

T-Systems-Abspaltung: Wie geht es weiter?

Laut dem Bericht des Manager Magazins sollen erste Gespräche mit potenziellen Käufern ab Februar 2022 geführt werden. Einen Vertrag werde es wohl erst im September nächsten Jahres geben. Für die Telekom wäre der Abschied von der ungeliebten Tochter nicht billig, da ein hoher Restrukturierungsaufwand anstehe. Einen Insider zitiert das Manager Magazin mit der Schätzung, die Mitgift werde auf bis zu eine Milliarde Euro geschätzt. Die Telekom äußert sich zu den Gerüchten nicht. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge werden derzeit neben einem Verkauf aber auch andere Optionen geprüft.

* Martin Bayer ist stellvertretender Chefredakteur der Computerwoche.


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