Top IT-Trends 2023

Wir blicken auf zwei Jahre eines fantastischen Aufschwungs auf dem Markt für IT-Services zurück. Der Weltmarkt wuchs 2021 um 5,2 Prozent und 2022 um weitere 5,8 Prozent auf 840 Milliarden Euro. Noch höher war das Wachstum im Markt für Consulting und Systemintegration mit 8,1 Prozent im Jahr 2021 und 8,7 Prozent im Jahr 2022. [...]

Foto: GerdAltmann/Pixabay

Die USA (40% des Weltmarkts) wuchsen sogar noch schneller (Consulting & SI nahmen in den letzten zwei Jahren um über 10% zu), doch auch in Europa (30% des Weltmarkts) war das Wachstum anhaltend (7,1% im Jahr 2021, 7,6% im Jahr 2022), wobei die drei großen Länder (Deutschland, Großbritannien und Frankreich) leicht über dem Durchschnitt lagen.

Die Pandemie führte zwar zu einer Verschiebung zahlreicher neuer Projekte und zu einem vorübergehenden Stopp einiger Projekte im zweiten und dritten Quartal 2020, aber auch zu einer Beschleunigung der digitalen Transformation. So erlebte der Markt im Jahr 2021 einen fantastischen Aufschwung.

Das Jahr 2022 begann mit einer ähnlichen Dynamik; der Aufholeffekt war verschwunden, aber die Dynamik der digitalen Transformation hatte sich auf hohem Niveau stabilisiert. Darüber hinaus führte der Fachkräftemangel zu einem massiven Anstieg der Tagessätze (4-5% für neue Onshore-Projekte, 9-10% für neue Offshore-Projekte, was sich insgesamt um 3-4% auf die durchschnittlichen Tagessätze in Westeuropa auswirkte).

Der im Februar 2022 begonnene Ukraine-Krieg führte zum Zusammenbruch ausgewählter Märkte wie Russland, Weißrussland oder der Ukraine, hatte jedoch nur begrenzte Auswirkungen auf die übrigen Länder.

Im Gegensatz zur Pandemie führte er zunächst zu fast keinem Projektstopp und auch zu fast keiner Verschiebung von Entscheidungen, während er zu einer massiven Inflation führte, die den Anstieg der Tagessätze verstärkte.

Insgesamt werden die Jahre 2021 und 2022 als zwei außergewöhnliche Jahre für den IT-Markt in Erinnerung bleiben.

Ausblick 2023: Einige dunkle Wolken am Himmel

Ursprünglich erwarteten wir eine sehr leichte Verlangsamung des Wachstums in den reifen Märkten, teilweise ausgeglichen durch eine weitere Beschleunigung in den Schwellenländern. Doch im Moment sehen wir immer mehr dunkle Wolken am Horizont, die vor allem auf zwei Probleme zurückzuführen sind: den massiven Anstieg der Energiepreise und das sehr konkrete Risiko einer Energieknappheit.

Infolgedessen beobachten wir eine immer vorsichtigere Haltung bei immer mehr Unternehmen, die sich auf eine Rezession vorbereiten und Sparmaßnahmen für den “Ernstfall” festlegen, die jedoch bisher nur von wenigen umgesetzt wurden.

Sicherlich sind Unternehmen mit einem energieintensiven Geschäft wie die Schwerchemie oder die Metallurgie am stärksten betroffen, aber die Gefahr eines Dominoeffekts auf weitere Branchen ist nicht auszuschließen.

Insgesamt sehen wir die größten Risiken im verarbeitenden Gewerbe, im Einzelhandel und im Dienstleistungssektor, insbesondere bei den KMU, während der öffentliche Sektor das widerstandsfähigste Segment sein wird.

Aus heutiger Sicht halten wir die drei Säulen der digitalen Transformation und die zwei wichtigsten Enabler nach wie vor für sehr relevant und lebendig:

  • Transformation des Frontends, inkl. Customer Experience, Sales & Commerce, Marketing, User Experience und Employee Experience;
  • Transformation der industriellen IT mit 2 Hauptbereichen: Smart Products/ Intelligente Produkte und Smart Factory/ Industrielles IoT, verstärkt durch  5G und Edge Computing;
  • Transformation des Backoffice, um die Agilität, Widerstandsfähigkeit und Effizienz zu erhöhen;
  • Cloud Computing als zentraler Enabler und Veränderungsfaktor, sowohl mit SaaS (“New Normal” im Front-End als auch in ausgewählten Back-Office-Prozessen wie HR oder SRM) als auch mit den Hyperscalern (sowohl für den Betrieb von Unternehmensanwendungen wie SAP als auch für die Speicherung riesiger Mengen von Maschinendaten);
  • Analytik & KI als weiterer wichtiger Enabler: natürlich in der CX, natürlich in intelligenten Produkten, essenzieller Veränderungsfaktor im Backoffice.

Was ändert sich durch das aktuelle Umfeld?

Die aktuelle Krise, der massive Preisanstieg und der daraus resultierende Kostendruck sowie die anhaltende Unberechenbarkeit verstärken den Fokus auf Effizienz, Resilienz und Agilität, sowohl in der IT als auch beim Einsatz von IT. Zudem hat sich der Fokus eindeutig auf Projekte mit kurzfristigem ROI verlagert.

Das aktuelle Umfeld verstärkt auch den Trend zum Offshore- und Outsourcing – allerdings “transform & run” oder “run & transform” anstelle des alten “mess for less”-Outsourcings.

Die Sicherheit macht sich die verschärfte Bedrohungslage zunutze. Cloud-Sicherheit, industrielle Sicherheit, SOC, SASE und Threat Intelligence bilden schnell wachsende Märkte.

Schließlich werden Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung angekurbelt, da die Unternehmen die aktuelle Energieknappheit nutzen, um ihre Bemühungen in diesem Bereich zu beschleunigen. Bisher lag der Schwerpunkt auf der Transparenz. Wir sehen jedoch immer mehr Initiativen, die die Ziele der Nachhaltigkeit und der Kosteneinsparung miteinander verbinden.

Auf der anderen Seite sehen wir, dass Projekte mit einem langfristigen, hypothetischen ROI aufgeschoben werden. Und wie üblich wird sich die Konjunkturabschwächung stärker auf Consulting und “Contract Staff” auswirken.

Insgesamt erwarten wir eine deutliche Verlangsamung des Wachstums sowohl für IT-Services insgesamt (von 5,8% im Jahr 2022 auf 3,5% im Jahr 2023 weltweit; von 5,2% auf 3,1% in Europa) als auch für den Beratungs- und SI-Markt (von 8,7% im Jahr 2022 auf 4,8% im Jahr 2023 weltweit; von 7,6% auf 4,1% in Europa).

In einigen Bereichen erwarten wir jedoch eine ungebremste Dynamik, die wir mit folgenden Top 10-Prognosen für 2023 zusammenfassen.

Trend 1: Optimierung der Cloud-Nutzung / optimiertes Kostenmanagement /  FinOps – ein wesentlicher Schritt in Richtung bedarfsgerechtes Management von Multi-Clouds und hybriden Clouds

Trotz der weltweiten wirtschaftlichen Probleme erwartet PAC weiterhin erhebliches Wachstum bei Public Cloud Services im Jahresvergleich, da Unternehmen und Organisationen schrittweise auf hybride und Multi-Cloud-Betriebsmodelle umstellen. 

Cloud Computing in all seinen Formen gilt als Impulsgeber für Geschäftsinnovationen, da Anwendungen bei der Migration in die Cloud modifiziert werden oder die Architektur komplett überarbeitet wird. Es spricht außerdem viel dafür, dass CxOs die Cloud noch mehr als Betriebsmodell zur Kostenoptimierung sehen, da Technologie nicht mehr über längere Zeiträume abgeschrieben wird, sondern sich stattdessen Cloud-Kapazitäten nach Bedarf abrufen lassen.

Trend 2: Zwischen Edge und Cloud – warum Orchestrierung und Management erfolgskritisch sind

In den verschiedenen Branchen werden physische Standorte zunehmend mit IoT und Betriebstechnik ausgestattet, um aus den Daten mehr Einblicke in den Betrieb zu gewinnen. Hierbei hat sich gezeigt, dass Latenzzeiten und Konnektivität zwischen dem Edge-Bereich einer Organisation und der Cloud zu ineffizienter Datenverarbeitung führen können.

Daher ist es notwendig, dass gewisse Rechenkapazitäten nicht in der Cloud zur Verfügung gestellt werden, sondern nahe an der Datenquelle. So lassen sich Verzögerungen bei der Datenverarbeitung verringern oder sogar beseitigen, die den Erkenntnisgewinn aus Daten verlangsamen würden. Dies ist die treibende Kraft hinter der zunehmenden Nutzung von Edge Computing.

Trend 3: Energiemanagement – der erste Schritt in Richtung Net Zero

Das Geschäft mit Energiemanagement-Lösungen boomt dank explodierender Energiekosten und wird auch 2023 weiter an Bedeutung gewinnen. Laut Recherchen von PAC stehen Energiemanagement-Lösungen bei europäischen Firmen aktuell an zweiter Stelle der am häufigsten genutzten Technologiebausteine im Bereich Nachhaltigkeit, direkt nach Software zur ESG-Datenüberwachung und -Berichterstattung (Environmental, Social, and Governance – Umwelt, Soziales, Aufsichtsstrukturen).

Dieser Trend hat sich 2022 erheblich verstärkt, und wir gehen davon aus, dass er auch 2023 sehr relevant bleibt.

Trend 4: Application Management und Infrastrukturkonsolidierung in der digitalen Fabrik – mehr digitale Effizienz im Edge-Bereich der Fabrik

Fabriken haben heute stark verteilte IT-Infrastrukturen, weshalb das Infrastruktur- und Anwendungsmanagement sehr komplex ist. Kunden, die die Komplexität und Kosten ihrer IT-Infrastruktur im Bereich Betriebstechnik reduzieren möchten, haben im Prinzip zwei Optionen.

Sie können zum einen natürlich lokale Rechenkapazitäten reduzieren oder abschaffen und sie stattdessen aus der Cloud beziehen. Dies ist jedoch unter Umständen mit Blick auf Latenzzeiten, Kosten, Datenschutz und Compliance nicht die beste Option für Fertigungsunternehmen.

Diese Unternehmen interessieren sich sehr für die Konsolidierung von Edge-Computing-Kapazitäten in der Fabrik, die verschiedene Vorteile bietet: Reduzierung von Hardware-Kosten und Energieverbrauch sowie einfachere (Neu)Zuweisung von Infrastrukturressourcen.

Im Anwendungsmanagement spielen Microservice-Architekturen und Container-Technologie eine immer größere Rolle bei der Vereinfachung des Anwendungsmanagements im Edge-Bereich.

Trend 5: Erweiterbare ERP Cores ebnen den Weg für individualisierte Digitalisierung

Bei der Neugestaltung der Geschäftsanwendungslandschaft konzentrieren sich viele Unternehmen auf Anwendungsarchitekturen mit einem Cloud-basierten ERP Core. Das ist sinnvoll, da die Modernisierung hauptsächlich darauf abzielt, agile und resiliente Geschäftsprozesse und -modelle zu schaffen.

In den kommenden Jahren werden Dienstleister und Unternehmen vor der Aufgabe stehen, auf Kunden und Mitarbeiter ausgerichtete Anwendungslandschaften aufzubauen sowie den ERP Core mit Lösungen von SAP, Workday, Microsoft und Oracle zu modernisieren.

Dies erfordert eine modulare Anwendungsarchitektur, in die sich Lösungen leicht integrieren lassen. DevOps, Containerisierung, Microservices, Low-Code-Tools und APIs sind wichtige Komponenten, die erlauben, sowohl Standardanwendungen mit dem ERP Core zu verbinden als auch individuelle Erweiterungen des Core zu implementieren.

Vor allem jedoch werden innovative Fähigkeiten aus den Public-Cloud-Umgebungen der Hyperscaler Anwenderunternehmen und Dienstleister in die Lage versetzen, aktuelle Technologien und Features wie Skalierbarkeit, Mobilität, künstliche Intelligenz,  Blockchain und Datenanalyse optimal zu nutzen.

Trend 6: Die Voraussetzungen schaffen für Hyperautomatisierung

Unternehmen und Organisationen automatisieren auf breiterer Front – auch immer mehr kritische Elemente ihrer Betriebsabläufe. Hierbei stoßen viele an Grenzen, da ihnen die grundlegenden Bausteine fehlen, um dies effektiv und effizient umzusetzen.

Für viele ist das ultimative Ziel die Automatisierung von Ende-zu-Ende-Prozessen, abgestimmt auf die Bedürfnisse der Endkunden oder Endnutzer. Überlastete Mitarbeiter sollen von eintönigen manuellen Aufgaben befreit werden. Dies wird oft „Hyperautomatisierung“ genannt.

Die Unternehmenslenker überdenken ihren Automatisierungsansatz, und Prozessorchestrierung entwickelt sich immer mehr zum Trendthema. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Automatisierung mehrerer Aufgaben, um komplette Prozesse abzudecken.

Trend 7: Datenschutz fördert hyperpersonalisierte Kundenerlebnisse

Seit dem Aufkommen von Omnichannel vor über zehn Jahren gilt es als „Heiliger Gral“ im Bereich Customer Experience (CX), genügend Erkenntnisse über Verbraucher/Kunden/Bürger zu gewinnen, um einen personalisierten Dialog über jeden beliebigen Kanal zu ermöglichen, je nach individuellen Bedürfnissen.

Diese Gier nach Kundenwissen führte zu exponentiellem Wachstum bei Cookies von Drittanbietern, die das Nutzerverhalten auf Webseiten, in sozialen Netzwerken und in mobilen Anwendungen verfolgen.

Das änderte sich durch das Inkrafttreten von Gesetzen wie der EU Datenschutz-Grundverordnung im Jahr 2018. Weil sie sich zu sehr auf die Unmengen an Erkenntnissen verlassen, die durch Drittanbieter-Cookies gewonnen werden, steht vielen Unternehmen/Organisationen eine schmerzhafte Umstellung im CX-Bereich bevor, wenn sie sich 2023 nicht um dieses Thema kümmern.

Aufgrund der Datenschutzanforderungen entsteht ein neues Ökosystem aus verschleierten/anonymisierten Drittanbieterdaten, die den Datenschutz gewährleisten und zur Verbesserung von Kundenwissen aus erster Hand genutzt werden, mit dessen Hilfe 2023 und darüber hinaus hyperpersonalisierte Kundenerlebnisse generiert werden.

Trend 8: Datentransformation und -integration als Eckpfeiler erfolgreicher Datenprojekte

Vor etwas mehr als einem Jahrzehnt sahen wir die erste Implementierungswelle von Big-Data-Lösungen, als die CEOs begannen, von „datenbasierten Organisationen“ zu sprechen. Seitdem haben europäische Unternehmen und Organisationen des öffentlichen Sektors Milliarden Euro in Data-Analytics-Fähigkeiten und -Plattformen investiert, und es wurden deutliche Fortschritte gemacht.

PAC geht davon aus, dass die Unternehmen sich für ihre Datenprojekte auch weiterhin Hilfe von Experten holen. Die Projekte reichen von der Definition einer klaren Datenstrategie, die auf die Unternehmensanforderungen abgestimmt ist, bis zur Konzeption und Umsetzung der wichtigsten technischen und organisatorischen Maßnahmen in allen Phasen des Datenlebenszyklus.

Automatisierung und  Künstliche Intelligenz sind wichtige Trends in den kommenden Jahren, da sie eine Lösung bieten für eintönige und zeitaufwändige Aufgaben in den Bereichen Datenaufbereitung,  Datenintegration und Governance.

Trend 9: Mehr digitale Sicherheit durch sicheres Identity Stitching für das komplette Kundenerlebnis

In den letzten zehn Jahren gab es ein gesundes Spannungsverhältnis zwischen den persönlichen Informationen, die Verbraucher/Kunden/Bürger bereit sind, preiszugeben und den öffentlichen oder privaten Dienstleistungen, die sie im Einzelhandel, Bankensektor und öffentlichen Sektor digital in Anspruch nehmen.

Digitale Services sind weiter auf dem Vormarsch dank einer immer breiteren Palette an Endpunkten für die Kontaktaufnahme. Allerdings behandeln viele Unternehmen/Organisationen immer noch jede Form des Dialogs als getrennten Customer-Experience-Kanal, das heißt die Daten werden nicht mit denen aus anderen Kanälen zusammengefasst.

Hier kommt Identity Stitching ins Spiel. Es erlaubt das Zusammenführen passender Identifizierungsdaten (z.B. Gerätekennung, E-Mail-Adressen, Account-Authentifizierung) zur Erstellung einer einheitlichen Sicht auf eine Person über sämtliche Kontaktkanäle hinweg.

PAC prognostiziert, dass es 2023 von überragender Bedeutung sein wird, alle Elemente des Identity Stitching zu sichern. Hilfe hierbei leisten Tools für Customer Identity & Access Management (CIAM) in Verbindung mit verfügbaren Datenschutztechnologien.

Trend 10: Industrial Metaverse. Von Industrial IoT zu ganzheitlichen digitalen Zwillingen für Betriebsabläufe

Das Metaverse steht aktuell für eine ganzheitliche virtuelle Umgebung, in der Menschen in Echtzeit mit simulierten Dingen, Personen und Prozessen interagieren können. Metaverse-bezogene Anwendungsfälle im kommerziellen Bereich drehen sich typischerweise um drei Themen: Office Productivity, Vertrieb & Marketing und Personalwesen.

Beim Industrial  Metaverse geht es um Interaktionen zwischen Menschen und digitalen Modellen komplexer industrieller Betriebsabläufe. Es wird zwar eine ganze Reihe verschiedener Technologien benötigt, das Kernstück des Industrial Metaverse sind jedoch digitale Zwillinge.

Unternehmen nutzen heute schon Elemente digitaler Zwillinge in verschiedenen Bereichen, und wir erwarten immer mehr Integrationsanstrengungen, um ganzheitlichere digitale Zwillinge von Betriebsabläufen zu schaffen.

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