Das Corona-Jahr 2020 hat für zahllose Betriebe in Österreich weitreichende und langfristige Spuren hinterlassen. Die notwendige Digitalisierung hat zwar in manchen Branchen zu Zuwächsen geführt, doch müsse dieser Trend nachhaltig in der Wirtschaft verankert werden, meint Alfred Harl, Obmann des Fachverbands UBIT. [...]
Die Pandemie und die daraus resultierenden Lockdowns, Ausgangssperren und Ladenschließungen haben die Umsatz- und Verkaufsprozesse vieler Unternehmen schlagartig ins Netz katapultiert. Zwar sind Österreichs Betriebe gut digitalisiert, dennoch hat 2020 deutlich gemacht, dass es an vielen Stellen großen Handlungsbedarf gibt. Die Coronavirus-Krise führt bei etlichen Unternehmen zu teils radikalen Veränderungen in ihren Geschäfts- und Arbeitsprozessen, allen voran die Verbreitung des Homeoffice, des Webshops und der Videokonferenz. „Die Krise ist Katalysator dafür, dass ein digitales Standbein für Unternehmen wesentlich ist. Alte, analoge Prozesse müssen in neue, flexible und digitale Prozesse umgewandelt werden. Die Zeit nach Corona ist die Zeit, schlanke und vor allem flexible und robuste Prozesse zu etablieren“, so Alfred Harl, Obmann des Fachverbands Unternehmensberatung, Buchhaltung und IT (UBIT) der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). „Österreich muss diesen Digitalisierungsboost nutzen und die Businesschancen realisieren.“
Investitionen in IT-Infrastruktur und Cybersicherheit wichtig
Um diesen Digitalisierungsboost nachhaltig nutzen zu können, sind entsprechende Investitionen notwendig. 86 Prozent der Unternehmen haben teilweise auf Homeoffice umgestellt, wie eine KPMG-Studie festhält. Weltweit wurden gar 15 Milliarden Euro zusätzlich für Technologien ausgegeben. Doch trotz massiver Investitionserhöhungen gibt es noch zahlreiche Mängel. „Die Coronavirus-Pandemie hat brutal gezeigt, wo noch Aufholbedarf herrscht. Gerade jetzt muss investiert werden: in Sicherheit, in Infrastruktur und in Expertise“, so Harl.
In Digitalisierung zu investieren ist auch bei Österreichs Unternehmen angekommen. So sind seit 1. September rund 58.000 Anträge in der Höhe von rund 2,4 Milliarden für die Investitionsprämie des Wirtschaftsministeriums zur Unterstützung der österreichischen Wirtschaft in der Coronakrise eingegangen. Weltweit flossen 47 Prozent der Technologieinvestitionen in Sicherheit und Datenschutz, und trotzdem war jedes zweite Unternehmen in den letzten zwölf Monaten Opfer einer Cyberattacke.
Glasfaser als Basis für verlässliche Infrastruktur
55 Prozent der österreichischen Unternehmen sehen die stärkere Nutzung digitaler Technologien als die wichtigste Langfristfolge von Covid-19 – dieser Trend erfordert eine robuste und ordentliche IT-Infrastruktur. Die Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH vermeldet, dass es per 30. Juni 2020 12,3 Millionen Breitbandanschlüsse in Österreich gibt, um 109.000 mehr als noch zu Beginn des Jahres. „Das ist grundsätzlich eine gute Nachricht. Doch aus unserer Sicht muss das Breitbandnetz mit Glasfaser bis zu den Firmen und Haushalten so rasch wie möglich ausgebaut werden, besonders im ländlichen Bereich. Kupfer leistet das nicht mehr,“ sagt Harl und meint weiter: „Tatsache ist auch, wer aktuell keinen Breitbandanschluss hat, kann in diesen Zeiten nicht mithalten und ländliche Gegenden dürfen nicht benachteiligt werden.“
IT-Fachkräftemangel: Lage weiterhin prekär
Um den Digitalisierungsboost nützen zu können, benötigen Österreichs Unternehmen nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern auch die richtige Manpower und Expertise. Doch an solcher fehlt es hierzulande immer mehr. In Österreich beläuft sich der Fachkräftemangel laut einer Studie des Industrie Wissenschaftliches Instituts (IWI) mittlerweile auf 24.000 Personen. Das bedeutet einen Wertschöpfungsverlust von rund EUR 3,8 Milliarden für den österreichischen Wirtschaftsstandort pro Wirtschaftsjahr. Unternehmen können ihre offenen internen IT-Positionen nur zu durchschnittlich 77 Prozent füllen. „Unsere Unternehmen leiden unter dem IT-Fachkräftemangel enorm und Österreich gehört zu den negativen Spitzenreitern im EU-Vergleich“, hält Martin Zandonella, Obmann-Stellvertreter des Fachverbands UBIT, fest. „Dabei fehlen die meisten Fachkräfte in den Bereichen, die Österreichs Wirtschaft jetzt am dringendsten benötigen: Software Engineering & Web Development und IT Security.“
In Oberösterreich fehlen laut IWI-Studie mit 7.200 IT-Spezialisten (30 Prozent des Gesamtbedarfs in Österreich) die meisten Fachkräfte, gefolgt von Wien (6.000; 25 Prozent), der Steiermark (4.400; 18 Prozent), Tirol und Vorarlberg (2.600; 11 Prozent), Niederösterreich (2.500, 10 Prozent) und Kärnten, Salzburg und das Burgenland (1.700; 7 Prozent). „Die IT-Kompetenzen, die das Bildungssystem vermittelt, reichen bei weitem nicht aus, um Österreich fit für die digitale Zukunft zu machen. Bleibt die Politik weiterhin untätig, ändert sich am Fachkräftemangel nichts, und das wird dem österreichischen Wirtschaftsstandort nachhaltig schaden“, ergänzt Zandonella.
EU-Verschlüsselungsverbot ist Bedrohung der Softwaresicherheit und der Privatsphäre
Neben der Cybersicherheit wird in Zeiten der steigenden Digitalisierung auch der Datenschutz immer wesentlicher. Dieser wird jedoch immer weiter gefährdet, wie neue Trends wie die neue Datenschutzrichtlinie von WhatsApp und die vom EU-Ministerrat beschlossene Resolution zeigen, die den Zugriff auf verschlüsselte Daten vorsieht. Diese ist für den Fachverband UBIT eine Bedrohung der Softwaresicherheit und der Privatsphäre. Das Verschlüsselungsverbot ist nicht nur ethisch höchstbedenklich, sondern auch gefährlich: Die Verschlüsselung eines sicheren Systems aufzuheben öffnet vor allem Hintertüren und hebelt eine sichere End-to-End-Verschlüsselung defacto aus. Sinnvoller ist es, in sichere, lokale Cloudlösungen wie die Ö-Cloud zu investieren und Serviceprovidern für diese Lösungen mit Steuererleichterungen entgegenzukommen. „Mit der Cloud aus Österreich gehen wir in die richtige Richtung. Sichere Kommunikation ist ein Eckpfeiler unserer Demokratie. Diese still und heimlich auszuhebeln ist höchst bedenklich und muss lautstark hinterfragt werden. Die neue Regelung schafft sichere Software und Kommunikation de facto ab, und das lehnen wir strikt ab“, so Harl abschließend.
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