Unbezahlte Mehrarbeit steigt seit COVID-19 stark an

Die freiwillige, nicht abgegoltene Mehrarbeit, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf der ganzen Welt leisten, ist im vergangenen Jahr sprunghaft angestiegen. Seit dem Ausbruch von COVID-19 ist die unentgeltlich geleistete Arbeitszeit pro Person um fast zwei Stunden wöchentlich gestiegen, wie die neue Studie des ADP Research Institute, People at Work 2021: A Global Workforce View, zeigt. [...]

Arbeitnehmer, die einen hybriden Ansatz verfolgen, gaben an, dass sie mit 9,8 Stunden die meiste Mehrarbeit leisten. (c) Unsplash
Arbeitnehmer, die einen hybriden Ansatz verfolgen, gaben an, dass sie mit 9,8 Stunden die meiste Mehrarbeit leisten. (c) Unsplash

Weltweit liegt die durchschnittliche Anzahl der pro Woche geleisteten Mehrarbeit bei 9,2 Stunden pro Person – gegenüber 7,3 Stunden vor der Pandemie, so die Ergebnisse der Umfrage unter mehr als 32.000 Arbeitnehmern in 17 Ländern. Dies reicht von nicht genommenen Pausen bis hin zu regelmäßiger Mehrarbeit von mehreren Stunden pro Tag ohne Abgeltung oder Vergütung.

Einer von zehn Arbeitnehmern (10Prozent) weltweit leistet inzwischen mehr als 20 Stunden pro Woche nicht abgegolten für seinen Arbeitgeber – dieser Anteil hat sich seit Ausbruch der Pandemie verdoppelt. Beschäftigte in systemrelevanten Bereichen, wie zum Beispiel der Ernährungs- oder Gesundheitsversorgung, leisten mehr unbezahlte Mehrarbeit als Arbeitnehmer in nicht systemrelevanten Berufen – im Durchschnitt 10,1 Stunden pro Woche im Vergleich zu 8,1 Stunden.

Die Studie untersucht, wie die Auswirkungen der Pandemie die Arbeitseinstellung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beeinflussen und was sie vom Arbeitsplatz der Zukunft erwarten und erhoffen. In Deutschland arbeiten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 6,98 unbezahlte Stunden pro Woche, im Vergleich zu 4,52 vor der Pandemie.

Nela Richardson, Chief Economist bei ADP, kommentiert: „Die Pandemie spornt viele Menschen dazu an, härter zu arbeiten als je zuvor. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in systemrelevanten Berufen haben möglicherweise Schwierigkeiten, mit der zusätzlichen Arbeitsbelastung Schritt zu halten. Nicht systemrelevante Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nehmen die Mehrarbeit in Kauf, weil sie sich Sorgen um ihre Arbeitsplatzsicherheit machen könnten. Sie übernehmen Aufgaben, wenn Kolleginnen und Kollegen ihren Job verloren haben, oder arbeiten über die regulären Arbeitszeiten hinaus, da die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben im Homeoffice verschwommen sind.“

Die Studie zeigt auch, dass die Gefühle der Arbeitnehmer derzeit trotz des allgemeinen Optimismus in Bezug auf die Pandemieauswirkungen von der Sorge um die Arbeitsplatzsicherheit dominiert werden:

  • 85 Prozent der Arbeitnehmer machen sich Sorgen über ihren Arbeitsplatz oder ihre finanzielle Sicherheit.
  • Die Pandemie hat berufliche Auswirkungen auf fast zwei Drittel der weltweit Beschäftigten (64 Prozent). Mehr als ein Viertel der Arbeitnehmer (28 Prozent) haben entweder ihren Arbeitsplatz verloren oder wurden von ihrem Arbeitgeber beurlaubt oder vorübergehend freigestellt.
  • Die zuletzt in den Arbeitsmarkt eingetretene Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen ist am stärksten betroffen. 78 Prozent berichten von beruflichen Auswirkungen und 39 Prozent geben an, dass sie ihren Arbeitsplatz verloren haben oder von ihrem Arbeitgeber beurlaubt bzw. vorübergehend freigestellt wurden.
  • Telearbeiter berichten nicht öfter (sondern sogar geringfügig seltener) als ihre Kollegen im Büro oder vor Ort, dass die Aufrechterhaltung der Produktivität eine große Herausforderung für sie darstellt (10 Prozent im Vergleich zu 13 Prozent).
  • Mehr als zwei Drittel (67 Prozent) der Arbeitnehmer sind nun der Ansicht, dass sie flexible Arbeitsmodelle in ihren Unternehmen nutzen können. Vor der Pandemie waren es nur etwas mehr als ein Viertel (26 Prozent).
  • Von den Mitarbeitern, die zusätzliche Aufgaben oder eine neue Rolle übernehmen mussten, wurden 68 Prozent mit einer Gehaltserhöhung oder einem Bonus für ihre Bemühungen entlohnt.

Homeoffice, Büro oder eine Mischung aus beidem?

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Homeoffice arbeiten, schätzen, dass sie mit 9,4 Stunden pro Woche mehr unabgegoltene Mehrarbeit leisten als diejenigen, die am gewohnten Arbeitsort die 8,7 Stunden angeben.

Arbeitnehmer, die einen hybriden Ansatz verfolgen, also während der Woche zwischen Arbeitsstätte und Homeoffice wechseln, gaben an, dass sie mit 9,8 Stunden die meiste Mehrarbeit leisten.

Trotz veränderter Lebensumstände und der Notwendigkeit der Anpassung birgt die Aufrechterhaltung der Produktivität für diese Gruppe nach eigenen Angaben keine größere Herausforderung als für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Ort oder im hybriden Modell. Ihre Einschätzung fiel mit 13Prozent sogar geringfügig positiver aus als die Einschätzung der im Homeoffice oder hybrid Arbeitenden.

„Diese Ergebnisse räumen mit dem alten Vorurteil einiger Arbeitgeber und Vorgesetzten auf, dass Homeoffice eine Ausrede ist, um sich zu entspannen und damit weniger produktiv zu sein. Weit gefehlt. Nachdem wir alle zum Experiment Homeoffice gezwungen wurden und sich herausgestellt hat, wie leistungsbereit, flexibel und produktiv Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind, sollten Unternehmen und Vorgesetzte bereit sein, auch in Zukunft eine größere Flexibilität bei den Arbeitsstrukturen zuzulassen. Allerdings gilt zu beachten, dass auch an hybride Arbeitsmodelle kein Anspruch auf Perfektion gestellt werden kann. Es gibt noch viele offene und zu beantwortende Fragen dazu, inwieweit das Arbeiten von zu Hause aus die Norm bleiben wird. Was bedeutet das z. B. für die Produktivität, das Teambuilding, die Personalentwicklung sowie den Bedarf an Büroraum? Unsere Ergebnisse zur Produktivität der verschiedenen Arbeitsformen deuten darauf hin, dass es keine einfachen Antworten auf diese Frage gibt. Jedes Unternehmen muss wohl seinen individuellen Ansatz definieren“, resümiert Nela Richardson.


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