Eine Learning Experience Platform repräsentiert einen fundamentalen kulturellen Wandel: weg von der zentral verwalteten Pflichtschulung, hin zum dezentralen, personalisierten und selbstgesteuerten Lernen als integraler Bestandteil der täglichen Arbeit. [...]
Die IT-Welt ist von einem unumstößlichen Gesetz geprägt: dem der permanenten Veränderung. Frameworks, Programmiersprachen und Sicherheitsarchitekturen, die heute State-of-the-Art sind, können in 18 Monaten bereits veraltet sein. Für CIOs und IT-Führungskräfte ist die kontinuierliche Weiterentwicklung ihrer Teams daher keine Option, sondern eine Überlebensstrategie.
Doch die traditionellen Instrumente der betrieblichen Weiterbildung stoßen hier an ihre Grenzen. Starre Kurspläne und ein administrativer Top-Down-Ansatz werden der Geschwindigkeit und den Bedürfnissen agiler IT-Organisationen nicht mehr gerecht. Es braucht einen neuen Ansatz.
Die Grenzen des klassischen LMS in der agilen IT
Jahrelang war das Learning Management System (LMS) der unangefochtene Standard für die betriebliche Bildung. Sein primärer Zweck: die Verwaltung von Lernprozessen. Es dient dazu, Compliance-Schulungen zuzuweisen, Zertifikate zu managen und die Teilnahme an Pflichtkursen zu dokumentieren.
Für die Administration ist es ein nützliches Werkzeug, für den lernenden Mitarbeiter fühlt es sich jedoch oft wie eine Pflichtübung an. Die User Experience ist häufig sperrig, die Inhalte sind generisch und die Lernpfade rigide vorgegeben.
In einem modernen IT-Umfeld, das von Eigenverantwortung, Agilität und dem schnellen Schließen von Skill-Gaps lebt, versagt dieses Modell. Ein Entwickler, der dringend eine neue Cloud-Technologie verstehen muss, will sich nicht durch einen umständlichen Kurskatalog klicken.
Was eine LXP fundamental anders macht: Der Netflix-Ansatz für Skills
An dieser Stelle vollzieht sich ein Paradigmenwechsel, weg von der reinen Verwaltung und hin zur Lernerfahrung. Das Ergebnis ist die LXP (Learning Experience Platform), die das Konzept des betrieblichen Lernens grundlegend neu definiert.
Eine LXP stellt nicht den Administrator, sondern den Lernenden in den Mittelpunkt. Sie funktioniert weniger wie ein Kursarchiv und mehr wie eine intelligente Empfehlungs-Engine, ähnlich wie man es von Streaming-Diensten kennt. Dies wird durch mehrere Kernmerkmale erreicht.
KI-gestützte Personalisierung
Statt eines Einheitsangebots analysiert eine LXP die Rolle, die vorhandenen Fähigkeiten, die erklärten Karriereziele und das bisherige Lernverhalten eines Nutzers. Basierend auf diesen Daten schlägt ein KI-Algorithmus proaktiv relevante Inhalte vor.
Einem Java-Entwickler werden so beispielsweise automatisch neue Inhalte zu Spring Boot oder alternativen JVM-Sprachen wie Kotlin vorgeschlagen, während ein Systemadministrator passende Kurse zu Kubernetes oder Terraform erhält.
Aggregation von internen und externen Inhalten
Ein entscheidender Unterschied zum geschlossenen System eines LMS ist die Fähigkeit der LXP, Inhalte aus verschiedensten Quellen zu aggregieren und an einem Ort zugänglich zu machen.
Sie fungiert als zentrales Gateway zu internen Ressourcen wie dem Firmen-Wiki oder Confluence, aber auch zu externen Fachartikeln, YouTube-Tutorials, Anbieter-Dokumentationen, Podcasts oder Kursen von Spezialplattformen wie Pluralsight und Coursera. Das Wissen der Welt wird durchsuchbar und kontextbezogen aufbereitet.
Förderung von Social & Collaborative Learning
In IT-Teams findet der wichtigste Wissenstransfer oft informell und Peer-to-Peer statt. Moderne LXPs fördern dies aktiv durch integrierte Social-Learning-Funktionen. Mitarbeiter können selbst kurze Lerninhalte erstellen und teilen, Fragen in themenspezifischen Kanälen stellen und sich gegenseitig als Experten für bestimmte Gebiete deklarieren. So entsteht eine dynamische, von den Mitarbeitern selbst getragene Wissensbasis.
Der konkrete Mehrwert für IT-Abteilungen und CIOs
Für IT-Führungskräfte übersetzen sich diese technologischen Unterschiede in handfeste strategische Vorteile:
- Schnelleres Schließen von Skill-Gaps: Kritische Wissenslücken, etwa im Bereich Cybersecurity oder KI, können durch den gezielten Zugriff auf die besten verfügbaren Ressourcen deutlich schneller geschlossen werden.
- Steigerung der Mitarbeiterbindung: Im „War for Tech Talent“ ist die Investition in moderne, nutzerzentrierte Werkzeuge ein starkes Signal an die Mitarbeiter. Es zeigt, dass das Unternehmen ihre individuelle Entwicklung ernst nimmt und fördert.
- Förderung einer gelebten Innovationskultur: Wenn Lernen einfach, ansprechend und in den Arbeitsfluss integriert ist, sinkt die Hemmschwelle, sich mit neuen Technologien zu beschäftigen. Dies fördert das Experimentieren und die Entstehung neuer Ideen.
- Messbarer ROI durch Daten: LXPs liefern detaillierte Analysen darüber, welche Skills im Unternehmen gerade im Trend liegen, welche Lernformate am effektivsten sind und wie die Lernaktivitäten mit der Performance der Teams korrelieren.
Fazit: Lernen als Teil der täglichen IT-Operations
Die Learning Experience Platform ist mehr als nur ein Upgrade des alten LMS. Sie repräsentiert einen fundamentalen kulturellen Wandel: weg von der zentral verwalteten Pflichtschulung, hin zum dezentralen, personalisierten und selbstgesteuerten Lernen als integraler Bestandteil der täglichen Arbeit. Für IT-Organisationen, die in einem hochdynamischen Umfeld agil, innovativ und als Arbeitgeber attraktiv bleiben wollen, ist der Schritt von einem management-fokussierten zu einem experience-fokussierten Lernsystem keine rein technische Entscheidung mehr, sondern eine strategische Notwendigkeit.
* Simon Müller ist Betreiber mehrerer unterschiedlicher Webseiten und macht in seiner Freizeit gerne Sport.

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