Was kann eine produzierende KI und was ihre konsumierende Variante? Wo liegen die Unterschiede, was sind jeweils geeignete Einsatzszenarien und wo geht die Reise hin? [...]
Die Missverständnisse beginnen schon mit dem Begriff: Nicht Künstliche, sondern Maschinen-Intelligenz hätte es heißen müssen, meinen nicht wenige Fachleute. Dann wäre sofort viel offensichtlicher gewesen, dass es sich um eine ganz andere Art von Intelligenz handelt als die menschliche.
Auch dies führt aber auf begriffliches Glatteis, denn Machine Learning – also das autonome Lernen aus Erfahrungen – gilt nur als Teilgebiet der KI. Mit ChatGPT ist nun noch einmal eine ganz neue Dynamik in die Diskussion gekommen.
Denn Intelligenz wird zu großen Teilen daran gemessen, wie Systeme mit dem Menschen interagieren. Und von der erstaunlichen Dialogfähigkeit ChatGPTs konnten sich nun mittlerweile Millionen Menschen überzeugen.
Das zeigt deutlich: Künstliche Intelligenz (KI) ist keine einheitliche Technologie, sondern subsummiert verschiedenste Methoden und Verfahren unter einem Dach. Von der Auto-Vervollständigung beim Tippen von Textnachrichten auf dem Smartphone über Chatbots und selbstfahrende Autos bis hin zu Dystopien á la Matrix, in denen Maschinen die Weltherrschaft übernommen haben.
Bleibt man einmal bei der allgemeinen Vorstellung von Künstlicher Intelligenz als der Fähigkeit von Maschinen, zu beobachten, zu denken und zu reagieren wie ein Mensch, ist festzustellen, dass viele KI-Funktionen bereits Teil unseres praktischen Alltags sind. Dafür verantwortlich sind eine exponentiell wachsende Rechenleistung, die immer größeren Datenmengen, aus der KI lernen kann, sowie erschwinglich gewordene Speicherkapazitäten.
In all diesen Fällen gehen wir von einer schwachen KI-Ausprägung aus, d. h. einzelne menschliche Fähigkeiten werden auf Maschinen übertragen. Die starke KI-These, die sich damit beschäftigt, ob Maschinen ein Bewusstsein haben, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden.
Gefüttert und vortrainiert mit dem Wissen des Internets
Abhängig davon, wie sie aufgesetzt ist und was sie kann, lassen sich die KI-Modelle in eine produzierende oder eine konsumierende KI-Variante aufteilen. Das ChatGPT-Sprachmodell von Open AI – inzwischen in die Bing-Suche von Microsoft integriert – ist ein Beispiel für produzierende KI. Sie wird gefüttert mit dem Wissen des Internets und greift damit auf einen schier unerschöpflichen Pool an Informationen zu.
Allerdings ist, sowohl um Fragen und Antworten einzuspielen als auch um daraus den entsprechenden Content zu erstellen, jedes Mal eine immense Rechenleistung erforderlich, da quasi für die Bearbeitung einer Anfrage immer das komplette Internetwissen miteinbezogen wird.
Bei jeder Frage, die der User über das Dialogfeld stellt, produziert ChatGPT dann eine Antwort auf Basis von Wahrscheinlichkeiten aus dem ihm zur Verfügung stehenden Content. Dabei handelt es sich aktuell um Archivdaten bis zum Stand von 2021. Denn noch ist ChatGPT nicht mit dem offenen Internet verbunden, was seine Fähigkeit, aktuelle Daten zu verarbeiten, stark einschränkt.
Der Bot arbeitet außerdem nicht fallbezogen bzw. mit individuellen Daten des Fragestellers. Beides dürfte sich zwar in nicht allzu ferner Zukunft ändern. Bis dahin aber funktioniert ChatGPT nach dem Prinzip: Je öfter etwas funktioniert, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass es auch diesmal passt. Es produziert somit angelernte Stereotype.
Die Crux mit den Wahrscheinlichkeiten
Die Wahrscheinlichkeit mag noch so hoch sein – ein unternehmerischer Betrieb kann sich nicht allein auf sie verlassen. Eine allgemeine (produzierende) KI liefert daher immer nur eine Vorstufe, kein exaktes Ergebnis. Denn eine „wahrscheinliche“ Lieferadresse ist wie keine Lieferadresse – schlichtweg unbrauchbar.
Abhilfe schaffen hier Lösungen, die auf konsumierende KI-Konzepte setzen. Sie sind zielgenau auf individuelle Fälle vortrainiert und validieren ihre Ergebnisse, bevor sie sie weiterverarbeiten. Wird eine solche Lösung etwa im Dokumenten-Management dazu eingesetzt, Bestellungen zu verarbeiten, kann sie beispielsweise ausgelesene Artikelnummern mit den entsprechenden Informationen aus den jeweiligen Kundendaten auf Richtigkeit überprüfen und verarbeitet sie erst im Anschluss daran.
Ein Beispiel ist die Software von Evy Solutions für die Dokumentenanalyse. Die dort integrierte KI verfügt über ein natürliches, selbstoptimierendes Sprachverständnis und erkennt statt stereotyper Textpositionen inhaltliche Zusammenhänge. Das ermöglicht es ihr, auch aus unstrukturierten Daten relevante Informationen herauszulesen und zu klassifizieren – und zwar unabhängig vom Dokumentenaufbau.
Konsumierende KI fokussiert auf die relevanten Informationen
Erhält das System zum Beispiel eine Bestellung, „konsumiert“ (im Sinne von analysiert) es diese und entscheidet dann, ob es sich wirklich um eine Bestellung handelt oder nicht. Falls ja, wird im nächsten Schritt erst der maßgeschneiderte KI-Prozess für Bestellungen des jeweiligen Kunden ausgelöst.
Es bedarf hier also niemals einer großen Rechenleistung, weil die Software von Fall zu Fall nur jeweils die Informationen sucht (und findet), die der Kunde benötigt und dafür nicht weltumfassend recherchieren muss. Speziell für jedes Einsatzszenario antrainiert, lernt die KI mit kundeneigenen Daten weiter und wird dabei immer genauer.
Doch es gibt auch Situationen, in denen selbstlernende Konzepte an ihre Grenzen stoßen, bzw. in denen die KI zwar „recht“ hat, es für den Kunden aber trotzdem nicht passt. Etwa, wenn beispielsweise eine Bestellnummer zwar richtig erkannt und ausgelesen wurde, diese nicht aber für den Wiederverkäufer gilt, an den sie geschickt wird, da dieser eine eigene nutzt.
In solchen Fällen gilt es, die KI nicht frei entscheiden zu lassen, denn hier sind eine spezielle Interpretation bzw. Einschränkungen der KI erforderlich. Damit sie auch in solchen Szenarien funktioniert, gilt es, der Software konkret und individuell anzutrainieren, in welchem Fall z.B. eine ausgelesene Bestellnummer durch die des Lieferanten auszutauschen ist.
Mit anderen Worten sind hier statt Selbstoptimierung aktuell noch kundenspezifische Workflows notwendig, die auf die KI übertragen werden müssen, damit diese einen Mehrwert liefert.
Quo vadis KI?
Eine denkbare nächste Evolutionsstufe bzgl. der verschiedenen KI-Arten wäre die Verbindung von konsumierender mit produzierender KI bzw. deren jeweiliger Vorteile. Bezogen auf das Dokumenten-Management bedeutet das, dass die KI-Lösung dann nicht mehr kundenspezifisch, sondern nur noch mit den auszulesenden Positionen des konkreten Anwendungsfalls antrainiert werden muss.
Die Software liest dann aus den zu verarbeitenden Dokumenten alle Daten automatisch aus, und der Kunde wählt im Anschluss nur noch die für ihn zur Weiterverarbeitung relevanten Informationen aus. Das bedeutet, dass die Software nicht mehr spezifisch auf die individuellen Wordings des jeweiligen Kundenfalls vortrainiert werden müsste, sondern dies automatisch mithilfe der verfügbaren Kundendaten selbst tut.
Im Grunde wie ChatGPT, nur mit dem Unterschied, dass sie für jeden konkreten Vorgang nicht jedes Mal alles (der weltweite Internetcontent) durchsucht, sondern nur den spezifische Datenpool des jeweiligen Kunden, der zuvor bereitgestellt wurde. Evy Solutions arbeitet gegenwärtig an einer derartigen Weiterentwicklung seiner KI-Lösung.
Be the first to comment