Die noch junge Quantum-Computing-Branche boomt. Laut Weltwirtschaftsforum wurden allein 2021 über 26 Milliarden Dollar investiert. Das World Economic Forum definierte jetzt Best Practices für die Zukunftstechnologie. [...]
Nationale Regierungen und Venture-Capital-Firmen haben 2021 über 26 Milliarden Dollar in Quanten-Computing investiert – mehr als in den letzten drei Jahren zusammen. Quanten-Computing verspricht, so das Weltwirtschaftsforum auf seiner Jahrestagung 2022, die Zukunft der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Regierung und der Gesellschaft selbst zu verändern, deshalb werde ein gerechter Rahmen benötigt, um zukünftige Risiken zu bewältigen.
Im Rahmen des World Economic Forums (WEF), das dieses Jahr coronabedingt virtuell stattfindet, diskutieren die wichtigsten Politiker und Wirtschaftslenker über globale Herausforderungen und künftige technischen Entwicklungen sowie ihre Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft. So war das das WEF eine der ersten Organisationen, die sich weltweit mit den Auswirkungen von Industrie 4.0 als vierter industrieller Revolution befasste und beispielsweise 2017 das Centre for the Fourth Industrial Revolution Network gründete.
Quantencomputer: Die nächste industrielle Revolution?
Nach Industrie 4.0 sieht das Weltwirtschaftsforum nun im Quanten-Computing eine Technologie, die Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend verändern könnte. So zählt das WEF Quanten-Computing zu den „vielleicht aufregendsten aufkommenden Technologien des 21 Jahrhunderts“, die auch zunehmend relevant für nationale, geostrategische und wirtschaftliche Überlegungen werde. Einen Fahrplan für diese neuen Möglichkeiten im öffentlichen und privaten Sektor hat das Forum nun in Form des Insight Reports „Quantum Computing Governance Principles“ auf seiner virtuellen Tagung veröffentlicht.
„Zu Beginn dieses historischen Wandels besteht die entscheidende Chance darin, ethische, gesellschaftliche und rechtliche Bedenken lange vor der Kommerzialisierung anzugehen“, kommentiert Kay Firth-Butterfield, Leiterin des Bereichs Künstliche Intelligenz und Machine Learning beim Weltwirtschaftsforum, die möglichen Veränderungen, die mit Quantencomputern auf uns zu kommen. „Dieser Bericht ist ein frühzeitiges Eingreifen und der Beginn einer multidisziplinären, globalen Diskussion, die die Entwicklung des Quantencomputers zum Nutzen der gesamten Gesellschaft lenken soll.“
Governance für Quantum Computing: Neues Paradigma?
Mit Blick auf das kommende Hybridmodell aus klassischem, Multi-Cloud– und bald auch Quanten-Computing hat das Forum nun ein Framework für Best-Practice-Prinzipien und Grundwerte festgelegt. Diese Leitlinien sollen die Grundlage für ein neues Paradigma der Informationsverarbeitung bilden und gleichzeitig die Gleichbehandlung der Interessengruppen, die Risikominderung und einen Nutzen für die Verbrauchergewährleisten.
Die Governance-Grundsätze sind in neun Themenbereiche gegliedert und werden durch sieben Grundwerte untermauert und bilden so Handlungsempfehlungen. Die Themen und die jeweiligen Ziele definieren die Grundsätze:
- Transformation: Nutzung der transformativen Fähigkeiten dieser Technologie und der Anwendungen zum Wohle der Menschheit bei angemessenem Risikomanagement.
- Zugang zur Hardware-Infrastruktur: Sicherstellung eines breiten Zugangs zu Hardware für Quantencomputer.
- Offene Innovation: Förderung der Zusammenarbeit und eines vorwettbewerblichen Umfelds, um eine schnellere Entwicklung der Technologie und die Realisierung ihrer Anwendungen zu ermöglichen.
- Bewusstsein schaffen: Sicherstellen, dass die allgemeine Bevölkerung und die Akteure des Quanten-Computing sensibilisiert, engagiert und ausreichend informiert sind, um einen kontinuierlichen, verantwortungsvollen Dialog und eine entsprechende Kommunikation zu ermöglichen; die Akteure mit Aufsichts- und Entscheidungsbefugnissen sollten in der Lage sein, fundierte Entscheidungen über das Quanten-Computing in ihrem jeweiligen Bereich zu treffen.
- Fortbildung der Mitarbeiter: Aufbau und Aufrechterhaltung einer auf Quanten-Computing vorbereiteten Belegschaft.
- Cybersicherheit: Sicherstellung des Übergangs zu einer quantensicheren digitalen Welt.
- Datenschutz: Verhinderung möglicher Datenschutz-Verletzungen durch Datendiebstahl und anschließender Verarbeitung durch Quantencomputer.
- Standardisierung: Förderung von Standards und Roadmaps, um die Entwicklung der Technologie zu beschleunigen.
- Nachhaltigkeit: Entwicklung einer nachhaltigen Zukunft mit und für die Quantencomputertechnologie
Grundsätzlich sollte sich die Entwicklung und der Einsatz von Quantencomputer dabei aus Sicht des World Economic Forums an folgenden sieben Grundsätzen orientieren: Gemeinwohl, Accountability, Inclusion, Gleichberechtigung, keine Malefizierung, Accessibility sowie Transparenz.
Die Grundsätze wurden von einer globalen Stakeholder-Gemeinschaft mitgestaltet, die sich aus Quantenexperten, Ethik- und Rechtsexperten für neue Technologien, Entscheidungsträgern und politischen Entscheidungsträgern, Sozialwissenschaftlern und Akademikern zusammensetzt. „Dieser Bericht ist ein wichtiger Schritt, um die Diskussion darüber anzustoßen, wie die Quanteninformatik zum Nutzen aller gestaltet und geregelt werden sollte“, kommentiert Heike Riel, IBM Fellow, Head of Science and Technology and Lead, Quantum, IBM Research Europe. Wie Quantencomputer die Welt verändern, erklärt Forschungsleiterin Riel im Podcast IDG Tech Talk.
WEF: Die nächsten Schritte
Die nächsten Schritte der Quantencomputing–Governance-Initiative werden laut WEF darin bestehen, mit weiteren Interessengruppen zusammenzuarbeiten, um diese Grundsätze als Teil eines breiteren Governance-Rahmens und politischer Ansätze zu übernehmen. „Regierungen und Unternehmen investieren weltweit verstärkt in die Forschung und Entwicklung von Quantencomputern“, führt Derek O’Halloran, Leiter des Bereichs Digitale Wirtschaft beim Weltwirtschaftsforum weiter aus. „Dieser Bericht ist der Auftakt zu einer Diskussion, die uns helfen wird, die Chancen zu verstehen, die Voraussetzungen für ethische Richtlinien zu schaffen und sozioökonomische, politische und rechtliche Risiken weit vor dem weltweiten Einsatz zu vermeiden.“
*Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN).
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