Wettlauf um das erste staatlich geprüfte grüne Rechenzentrum in Österreich

Das Österreichische Umweltzeichen ist das wichtigste, staatlich geprüfte Umweltsiegel und zertifiziert Unternehmen, Produkte, Events und Dienstleistungen für konsequente Umweltschutzbemühungen. Seit diesem Jahr gibt es eine neue Zielgruppe, die sich mit dem Umweltzeichen („UZ 80“) zertifizieren kann: österreichischen Rechenzentren. [...]

Die steigende Datennutzung und die wachsende Zahl an Rechenzentren in Österreich machen eine branchenspezifische Nachhaltigkeitskennzeichnung dringend notwendig. (c) stock.adobe.com/Art Genie

Auf den ersten Blick könnte man meinen, es handle sich bei der Nachhaltigkeitszertifizierung von Rechenzentren um eine ökonomische Randerscheinung. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Seit Corona steigt der Datenverbrauch der Österreicher:innen sprunghaft an. Die steigende Rechenleistung wird von einer immer größer werdenden Anzahl an Rechenzentren in Österreich bewältigt, was zu rasch anwachsendem Energieverbrauch und immer mehr ungenutzter Abwärme führt. Einige Rechenzentren haben allerdings bereits sinnvolle Möglichkeiten für die Nutzung der Abwärme gefunden.

Das Bundesministerium für Klimaschutz (BMK), das auch durch den Aktionsplan nachhaltige Beschaffung (naBe) festlegt, wie nachhaltig von der Öffentlichen Hand eingekauft wird, ermöglicht nun im Rahmen des Österreichischen Umweltzeichens auch die Zertifizierung von Rechenzentren.

Auch das Bundesrechenzentrum hat sich bereits auf den Weg zu dieser Zertifizierung gemacht, private Rechenzentren sind ebenfalls auf dem Weg in eine grünere Zukunft. Wer im Endeffekt das erste Rechenzentrum Österreichs sein wird, das die neue Zertifizierung durch das Österreichische Umweltzeichen erhält, ist (derzeit) noch offen.

Auf dem Weg zu umweltfreundlichen Rechenzentren in Österreich

Der Data-Center-Markt ist nicht nur in Österreich, sondern weltweit ein Wachstumsmarkt und lockt mittlerweile auch Investoren an. Denn zusätzlich zum wachsenden Datenbedarf unserer Gesellschaft wird für die kommenden Jahre auch ein starkes Wachstum bei der Verarbeitung von Echtzeitdaten erwartet – zum Beispiel durch autonome Fahrzeuge. All diese Daten werden in der Regel in großen Rechenzentren verarbeitet und gespeichert – mit entsprechenden Auswirkungen für die Umwelt.

Ein Beispiel: Ein Rechenzentrum verbraucht durchschnittlich über hundert mal so viel Strom wie ein großes gewerbliches Bürogebäude, während der Stromverbrauch eines großen Rechenzentrums mit dem einer US-amerikanischen Kleinstadt zu vergleichen ist. Der Stromverbrauch aller Rechenzentren weltweit war bereits im Jahr 2015 deutlich höher als der gesamte Stromverbrauch im Vereinigten Königreich.

Anhand dieser Dimensionen wird daher schnell klar, warum die vom Österreichischen Umweltzeichen eingeführte Richtlinie UZ 80 für die österreichische Gesellschaft relevant ist. Nach dieser neuen Richtlinie können künftig sowohl Rechenzentren als auch IT-Betreiber zertifiziert werden – und so ihre Nachhaltigkeitsbemühungen für öffentliche Auftraggeber und Endkonsument:innen sichtbar machen.

Andreas Tschulik ist Leiter der für das Österreichische Umweltzeichen zuständigen Abteilung V/7 für Integrierte Produktpolitik, Betrieblicher Umweltschutz und Umwelttechnologie im BMK (c) BMK/Paul Gruber

„Die Erarbeitung der Richtlinien für das ‚Umweltzeichen Rechenzentren‘ hat mehr als zwei Jahre in Anspruch genommen, da Themen wie Energie- und Ressourceneffizienz bei Rechenzentren naturgemäß komplex sind“, so der Leiter der für das Österreichische Umweltzeichen zuständigen Abteilung V/7 für Integrierte Produktpolitik, Betrieblicher Umweltschutz und Umwelttechnologie im BMK, Andreas Tschulik. „Doch das neue Umweltzeichen ist ein wichtiger Schritt für eine energieeffizientere Gesellschaft der Zukunft“, ist Tschulik überzeugt.

Von energieeffizienter Gebäudeausrüstung über Monitoring bis hin zu Abwärmenutzung

Ausgezeichnet werden dabei Rechenzentren und IT-Betreiber, deren technische Gebäudeausrüstung besonders energieeffizient und ressourcenschonend betrieben wird und die unter anderem eine langfristige Strategie zur Erhöhung der Energie- und Ressourceneffizienz umsetzen. Wesentlich sind dabei auch Anreize zum Energiesparen und die kontinuierliche Dokumentation des Energie- und Wasserverbrauchs sowie weiterer Klimafaktoren. Außerdem muss unter anderem ein Energieeffizienzbericht vorliegen, in dem Effizienzsteigerungsziele definiert werden – und deren Erreichung überprüft wird.

„Es ist zu hoffen, dass durch das neue Umweltzeichen für Rechenzentren auch Ideen für die konsequente Nutzung der Abwärme derselben angeregt wird“, sagt Christian Kornherr, der das Umweltzeichen-Team im Verein für Konsumenteninformation (VKI) leitet. „Es gibt bereits großartige internationale Beispiele, wie in Frankfurt am Main, wo zwei Großwärmepumpen ab 2025 dafür sorgen, dass mit der Abwärme eines Rechenzentrums rund 60 Prozent des Wärmebedarfs eines Wohnquartiers gedeckt werden – und zwar kostenfrei. Und auch die Wien Energie nutzt die Abwärme des Rechenzentrumsbetreibers Digital Reality für die Beheizung der Klinik Floridsdorf“, erläutert Kornherr.

Interessierte haben zusätzlich die Möglichkeit, sich bei der Erreichung des Umweltzeichens von externen Profis beraten zu lassen. Kontakte zu Expert:innen finden Sie hier. Die Umweltzeichen-Richtlinie für Rechenzentren kann hier eingesehen werden. Die Website Bytes2Heat | Best Practices bietet einen guten Überblick über eine Vielfalt an Ideen aus 15 Ländern, viele davon aus der EU und auch aus Österreich (siehe Beispiel Klinik Floridsdorf).


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