Wi-Fi 6: Was Sie über das neue WLAN wissen sollten

Wi-Fi 6 heißt die aktuellste WLAN-Generation. Mit ihr sollen im WLAN Echtzeitanwendungen zuverlässig funktionieren – selbst in der industriellen Produktion. Unser Ratgeber zeigt, was die neue WLAN-Generation bringt und worauf bei der Installation zu achten ist. [...]

Mit Wi-Fi 6 sollen Echtzeitanwendungen per WLAN auch im industriellen Bereich funktionieren (c) pixabay.com

Erste Wi-Fi-6-Geräte sind im Handel erhältlich. Endlich sollen im WLAN Echtzeitanwendungen zuverlässig funktionieren – selbst in der industriellen Produktion. Unser Ratgeber zeigt, was die neue WLAN-Generation bringt.

Eine Neuerung von Wi-Fi 6 fällt jedem auf: Statt kryptischer IEEE-Kürzel wie 802.11ac, 802.11ax, 802.11n, etc. tragen künftige WLAN-Standards einfache Bezeichnungen. So heißt die neue Variante einfach Wi-Fi 6 statt 802.11ax, während für den Vorgänger 802.11ac Wi-Fi 5 verwendet wird. Und aus 802.11n wird in der neuen Nomenklatur Wi-Fi 4.

Doch was bringt der neue Standard nun außer mehr Geschwindigkeit? Worauf ist bei der Implementierung zu achten? Was leistet er im professionellen Umfeld? Wann sollte sich ein Anwender für Wi-Fi 6 entscheiden? Bei der Beantwortung dieser und anderer Fragen rund um Wi-Fi 6 half uns Falko Binder, Head of Enterprise Networking Architecture Sales Germany bei Cisco.

Logos statt kryptischer Kürzel: Aus dem WLAN gemäß IEEE 802.11n wird Wi-Fi 4. Aus 802.11 ac wird Wi-Fi 5. Die aktuelle Version Wi-Fi 6 ist auch als IEEE-Standard 802.11ax bekannt (c) Wi-Fi Alliance

Mit welcher Geschwindigkeit kann der Anwender bei Wi-Fi 6 praktisch und theoretisch rechnen?

Im Vergleich zu Wi-Fi 5 erreicht Wi-Fi 6 bis zu 1,5-mal höhere Geschwindigkeiten: Der neue Standard ermöglicht eine maximale Geschwindigkeit von bis zu 4,8 Gbit/s pro Client, bei Wi-Fi 5 liegt diese bei maximal 3,12 Gbit/s. Ein entsprechendes MacBook Pro mit 3SS unterstützt beispielsweise 1,3 Gbit/sBrutto-Übertragungsgeschwindigkeit. In der Praxis kann ein Nettodurchsatz von etwa 50 Prozent der theoretischen Übertragungsgeschwindigkeit oder leicht darüber erreicht werden.

Welche Vorteile bietet Wi-Fi 6 sonst noch?

Die Vorteile von Wi-Fi 6 gehen weit über neue Geschwindigkeitsrekorde hinaus. Insbesondere, wenn viele Endgeräte und IoT-Geräte mit dem WLAN verbunden sind, sorgt der neue Standard für eine deutlich zuverlässigere Netzwerkverbindung, da größere Datenströme gleichzeitig verarbeitet werden können. Zudem bietet der Standard besser vorhersagbare Leistung für erweiterte Anwendungen, beispielsweise für die Videoübertragung in 4K oder 8K, HD-Anwendungen für die Zusammenarbeit in hochdichten Umgebungen, vollständig drahtlos vernetzte Büroumgebungen und das IoT.

Und was bietet er für den professionellen Einsatz?

Das Potenzial von Wi-Fi 6 im Vergleich zu Wi-Fi 5 (c) Cisco

Die deutlich höhere Geschwindigkeit, die verbesserte Performance und die oben genannten weiteren Vorteile im Vergleich zu bisherigen Standards machen Wi-Fi 6 gerade für den professionellen Einsatz attraktiv. Zudem erlaubt Wi-Fi 6 den Unternehmen und Serviceanbietern, neue Anwendungen in derselben WLAN-Infrastruktur bereitzustellen wie ältere Anwendungen und dabei die Servicequalität der älteren Anwendungen zu verbessern.

Was hat sich technisch gegenüber früheren WLAN-Standards geändert?

Dazu gehören folgende technische Neuerungen:

Wie erkenne ich, ob ein Gerät Wi-Fi 6 unterstützt?

Dies ist an entsprechenden Logos und QR-Codes auf den Produkten zu erkennen.

Zu welchen älteren WLAN-Standards ist Wi-Fi 6 kompatibel?

Wie alle anderen neuen Versionen der letzten Jahre wird auch Wi-Fi 6 rückwärtskompatibel sein. Wi-Fi-6-kompatible Geräte müssen auch die Standards 802.11a, b, g, n, und ac unterstützen. Der neue Standard wird auf den bereits vorhandenen Technologien basieren und ihre Effizienz erhöhen.

Wie unterscheiden sich Consumer- und Profigeräte?

Aufgrund des noch begrenzten Angebots an verfügbaren Geräte lässt sich das derzeit kaum beurteilen. Generell wird sich der Unterschied mit 802.11ax verkleinern, da jeder Client die verpflichtend bereitzustellenden Funktionen aus dem Standard enthalten muss.

Ist Wi-Fi 6 nun eher für den privaten Gebrauch konzipiert oder für den professionellen Einsatz?

Sowohl für den privaten als auch professionellen Gebrauch ist die erhöhte Geschwindigkeit des neuen Standards von Nutzen. Die erheblichen Vorteile in Sachen Effizienz, Flexibilität und Skalierbarkeit werden sich aber insbesondere im professionellen Einsatz bemerkbar machen, wenn viele Endgeräte mit dem Netzwerk verbunden sind.

Gibt es Features, die speziell für den Business-Einsatz gedacht sind?

Nein, es gibt keine speziellen Funktionen ausschließlich für den Business-Einsatz. Doch Wi-Fi 6 ist für viele gleichzeitig genutzte Clients optimiert. Dies ist speziell in der IoT-Welt von Vorteil, in der viele kleine Sensoren und Steuerungsgeräte zum Einsatz kommen. Sie arbeiten mit geringeren Übertragungsgeschwindigkeiten, welche die Reichweite zum Access Point erhöhen. Zeitgleich können Clients nahe am Access Point mit hohen Übertragungsgeschwindigkeiten bedient werden.

Was müssen die Anwender beim Deployment einer Wi-Fi-6-Infrastruktur beachten? Können beispielsweise die Access Points am gleichen Platz wieder installiert werden – oder muss die Ausleuchtung neu vermessen werden?

Generell können die Access Points am gleichen Platz installiert werden, sofern eine ordentliche Ausleuchtung vorgenommen wurde. In High-Density-Umgebungen wie Messen oder Hörsälen sollte man die Access Points bei Bedarf etwas dichter platzieren, um die höheren möglichen Geschwindigkeiten zu nutzen. Diese erfordern eine höhere Signalqualität (SNR – Signal Noise Ratio oder zu deutsch: Signal-Rausch-Abstand).

Wi-Fi 6 wartet ja mit einer deutlich höheren Performance auf. Welche Konsequenzen hat das für den Backbone? Und müssen dann WLAN-Switches ausgetauscht werden?

Die neuen Wi-Fi 6 Access Points werden mit Multigigabit-Schnittstellen ausgestattet sein und Fast- sowie Gigabit-Ethernet unterstützen. Je nach Access Point werden bis zu 2,5 (4×4 + 4×4) oder 5 (8×8 + 4×4) Gbit/s unterstützt. In High-Density-Umgebungen ist es daher ratsam, die Switches gegen Multi-Gigabit-fähige Switches auszutauschen. In anderen Umgebungen mit vielen IoT-Endgeräten wird Gigabit-Ethernet ausreichend sein.

Ältere WLAN-Standards wurden schnell durch Wände, Wasserleitungen, Fußbodenheizungen, etc. gestört. Ist Wi-Fi 6 auch so störanfällig?

Wi-Fi 6 nutzt die gleichen Frequenzen wie die bisherigen Standards. Damit ist die physikalische Dämpfung der Wände, Wasserleitungen, Fußbodenheizungen, etc. gleich. Eine Verbesserung kann sich durch MU-MIMO im Uplink der Clients zum Access Point ergeben. Es handelt sich aber nicht um eine „Störanfälligkeit“, sondern um ein normales physikalisches Phänomen: je höher die Frequenz, desto stärker die Dämpfung der Materialien, die bei einer Ausleuchtung entsprechend berücksichtigt wird.

Bei vielen Benutzern gingen klassische WLANs schnell in die Knie. Eignet sich Wi-Fi 6 nun besser für Messen, Flughäfen, etc.?

Gerade in sogenannten High-Density-Bereichen wie Flughäfen, Bahnhöfen und Messen, in denen viele Endgeräte und IoT-Devices gleichzeitig auf das WLAN zugreifen, sorgt Wi-Fi 6 für eine zuverlässigere Netzwerkverbindung. Da der neue Standard eine deutlich größere Anzahl von Datenströmen gleichzeitig verarbeiten kann, ist eine wesentlich höhere Belastung des Netzwerks möglich, ohne dass dies zu Verzögerungen für die Nutzer führt. Bei einem 8×8-Access-Point im 5-GHz-Bereich können bis zu acht Clients gleichzeitig mit dem Access Point kommunizieren. Bei den Standards Wi-Fi 1 bis 5 war es nur ein Client.

Ein weiteres Problem war bislang die fehlende Echtzeitfähigkeit der WLANs sowie der Mangel an Quality of Service (QoS). Ist das nun behoben?

Die Echtzeitfähigkeit wird mit Wi-Fi 6 deutlich verbessert, da bis zu acht Clients gleichzeitig mit dem Access Point kommunizieren können. Zudem wurde die Nutzung des Frequenzbandes durch sogenannte „Resource Units“ optimiert. Diese RUs nutzen nur einen kleinen Teil der Bandbreite pro Kanal oder Kanalbündelung (20, 40, 80 oder 160 MHz) und nicht mehr die gesamte Bandbreite für einen Client.

Der Access Point kann einem Client eine oder mehrere RUs zuweisen, je nachdem welche Bandbreite der Client anfordert. Wireless LAN ist zwar nach wie vor ein „shared Medium“, doch mit Wi-Fi 6 können deutlich mehr Clients mit dem Access Point kommunizieren. Das ermöglicht eine zuverlässigere Übertragung bei Echtzeit-Anwendungen.

Zur Echtzeitfähigkeit gehört auch ein Seamless Handover zwischen den einzelnen WLAN-Zellen. Wie sieht es damit aus?

Ein „Seamless Handover“ ist durch den Fast-Roaming-Standard 802.11r gegeben. Weitere Protokolle wie 802.11k und 802.11v unterstützen das Fast-Roaming. Jedoch können viele Clients diese Standards nicht immer vollständig unterstützen. Zudem ist auch 802.11ax generell kein Echtzeitprotokoll und gegebenenfalls nicht für alle Varianten der Steuerungstechnik geeignet.

Wi-Fi 6 wird ja auch für den Einsatz in Produktionsumgebungen als Alternative zu 5G propagiert. Wie anfällig ist Wi-Fi 6 für elektromechanische Störungen?

Bei elektromechanischen Vorgängen können Funkwellen entstehen, die im Bereich von 2,4 oder 5 GHz das Wireless LAN möglicherweise stören. Wi-Fi 6 und auch die Vorgänger besitzen Mechanismen, die erkennen, ob ein Datenpaket fehlerhaft übertragen wurde, und wiederholen bei erkannten Fehlern die Übertragung. Wi-Fi 6 bietet hier also keine nennenswerten Verbesserungen gegenüber Wi-Fi 1 bis 5.

Wo liegen die Vorteile gegenüber dem Einsatz von 5G als lokaler Funktechnologie?

Für eine flächendeckende 5G-Versorgung müsste mindestens alle 1000 Meter ein Funkmast aufgebaut werden. Denn die Reichweite von 5G beträgt maximal rund 500 Meter. Damit wird 5G nicht überall innerhalb von Gebäuden verfügbar sein. Wi-Fi 6 und seine Vorgänger bieten optimale Datenübertragungsmöglichkeiten innerhalb von Gebäuden. Selbst der Außenbereich lässt sich sehr gut mit Wi-Fi versorgen, wenn der 5G-Empfang (noch) nicht möglich ist. Neue Endgeräte werden dabei einen schnellen Wechsel zwischen 5G und Wi-Fi bieten, um die optimal verfügbare Zugangstechnologie zu nutzen.

*Jürgen Hill ist Teamleiter Technologie bei Computerwoche.de. Thematisch ist der studierte Diplom-Journalist und Informatiker im Bereich Communications mit all seinen Facetten zuhause. 


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