Die Corona-Pandemie hat die IT nachhaltig verändert. So sieht die neue Realität aus. [...]
Anfang 2020 hat die Corona-Pandemie die IT-Abteilungen weltweit wie ein Tsunami getroffen. Lange etablierte Prozesse und Strukturen wurden über Nacht weggespült – CIOs waren gefordert, schnell akzeptable Alternativen aufzutun. Nun, da dank der zunehmenden Verbreitung von Impfstoffen langsam Licht am Ende des Tunnels erscheint, blicken IT-Entscheider auf eine radikal veränderte IT-Landschaft und fragen sich vielerorts, wie essenzielle Prozesse und Methoden ins „New Normal“ der Business-Welt passen.
Die Pandemie hat Großunternehmen in vielfacher Hinsicht transformiert. Das hat auch in den IT-Abteilungen Spuren hinterlassen: Wie wird ihre Rolle in der Post-Corona-Welt aussehen?
1. Agility als Notwendigkeit
Der für viele unerwartete Ausbruch der Corona-Pandemie zwang viele Unternehmen, nach Alternativen für lang etablierte Business-Prozesse zu suchen.
„Agilität wurde schnell zur obersten Priorität, weil Kundenverhalten und Lieferketten sich drastisch geändert haben“, meint Andy Mutz, Head of Engineering bei SAP. „Unternehmen müssen sich in einer Welt zurechtfinden, in der Online und Offline miteinander verschmolzen sind und Resilienz mehr zählt als Kosten. Ohne agile IT geht das nicht.“
Auf der anderen Seite hat die Pandemie IT-Entscheidern auch gezeigt, dass es möglich ist, Kernprozesse und -Services auf sichere Art und Weise zu transformieren – und zwar in einer zuvor nicht vorstellbaren Geschwindigkeit. „Die Workloads haben sich für alle möglichen Unternehmen innerhalb kürzester Zeit verschoben“, weiß Kirill Shoikhet, CTO beim Storage-Anbieter Excelero. „Die Fähigkeit, flexibel zu skalieren und dabei kosteneffizient zu bleiben, ist zu einer Schlüsselfähigkeit der IT geworden.“
2. Transformationsschub
Zwar waren schon vor der Pandemie etliche Transformationsinitiativen im Unternehmensumfeld in Planung, das Coronavirus hat den Druck aber noch einmal deutlich verstärkt. „Social Distancing, Remote Work und Kontaktverbote zwangen viele Unternehmen, sich mit neuen, digitalen Technologien auseinanderzusetzen. Einige mussten bei Null anfangen, andere konnten ihr Business in neue völlig neue Bahnen lenken. Digitale Transformation steht jetzt weltweit auf dem Radar aller Unternehmen“, meint Pieter Van Iperen, Managing Partner bei der Technologieberatung PWV Consultants.
Gezwungenermaßen investierten IT-Entscheider in Technologien, die für sie zuvor als Randerscheinung galten. KI-basierte Self-Learning-Modelle beispielsweise erschienen plötzlich in einem viel zugänglicheren Licht. „Die Risikotoleranz der CIOs hat sich verändert, weil sie plötzlich Technologien ausrollen mussten, die noch in den Kinderschuhen stecken, um ihr Business am Laufen zu halten“, sagt Raj Hazra, Senior Vice President Emerging Products beim Chiphersteller Micron Technology.
Auch Nischentechnologien für automatisierte Projektzeiterfassung oder Mitarbeiter-Onboarding wurden durch die Pandemie obligatorisch. Die meisten IT-Organisationen haben sich der neuen Frequenz und Varianz der Automatisierungsanfragen mit Hilfe von Kreativität angepasst, beobachtet Bob Lamendola, Vice President of Infrastructure bei Ricoh USA: „Viele Unternehmen haben bewiesen, dass sie sich transformieren können – selbst unter widrigen Umständen. Das wird eine neue Entwicklung in Gang setzen.“
3. Collaboration-Routinen
Corona bedeutete für die IT auch, ihre Collaboration-Ökosysteme auszuweiten und zu stärken. Durch die Zusammenarbeit mit internen und externen Partnern können IT-Teams auf das Wissen und die Ressourcen zugreifen, die nötig sind, um der Konkurrenz einen Schritt voraus zu bleiben.
„Egal, ob es dabei um in Produkten eingebettete Technologien oder Cloud-basierte Produktions- und Collaboration Tools geht – ein Ökosystem wird für Unternehmen immer wichtiger, wenn es darum geht zu innovieren und ihre Position im Markt zu halten“, erklärt Brian Moore, Tech Transformation Leader bei der Beratungsfirma EY Americas.
Um auf einen Ökosystem-Ansatz umzusatteln, müssen IT-Entscheider konstruktiv mit ihren externen Gegenstücken zusammenarbeiten. Geht es beispielsweise um das Vendor Management, müssen sowohl Anforderungen klar definiert als auch die Performance akkurat gemessen werden. Da diese Aufgabe nicht zum historischen Repertoire der IT gehöre, erfordere sie besonderes Augenmerk, um Erfolg sicherzustellen, empfiehlt Moore.
4. Threat Awareness Reloaded
Viele CIOs wurden vom Ausmaß der Krise überrascht. Auf Bedrohungen, die in Technologien verwurzelt sind, wie etwa Ransomware- oder DDoS-Angriffe, können sich Unternehmen zumindest vorbereiten. COVID-19 hingegen kam aus dem Nichts und krempelte geschäftskritische Prozesse innerhalb weniger Tage komplett um. „In dieser Situation war einfach keine Zeit für sechsmonatige Assessments zu verschiedenen Technologie-Optionen oder eine langfristige Compliance Roadmap“, meint Jason Goth, CTO beim Beratungsunternehmen Credera.
Geprägt durch diese Erfahrung hätten immer mehr IT-Entscheider Pandemien für die Zukunft auf dem Zettel und integrierten sie in ihre Business-Continuity- und Desaster-Recovery-Pläne, so der CTO.
5. IT als Rettungsanker
Die IT-Abteilungen seien es gewesen, die im Angesicht der Krise Lösungen für die plötzlich zusammenbrechenden Lieferketten gefunden hätten, so Goth weiter. Unternehmen mit fortgeschrittenen, technologischen Möglichkeiten seien dadurch auch in der Lage gewesen, neue Produkte und Services auf die Beine zu stellen.
Doch COVID-19 hat auch dafür gesorgt, dass die Erwartungen der Unternehmen gestiegen sind: „Jetzt, da die Unternehmen wissen, was möglich ist, wird die Toleranz für lange Einführungszeiten, Verschiebungen und Verzögerungen deutlich geringer ausfallen“, prophezeit CTO Goth.
6. IT als Finanzinnovator
Die IT hat auch in Sachen finanzieller Innovation eine Führungsrolle übernommen – insbesondere in Feldern wie dem kontaktlosen Verkauf. Die Pandemie sorgte für eine deutlich erhöhte Kundennachfrage nach kontaktlosen Bezahl- und Interaktionsmöglichkeiten, wie Carol Juel, CIO beim Finanzdienstleister Snychrony, weiß: „Die Nutzung von kontaktloser Bezahlung ist 2020 um rund 150 Prozent gestiegen. Was diese Entwicklung so bedeutsam macht ist, dass sie nur wenige Monate statt viele Jahre gedauert hat.“
7. Neue IT Workforce in Sicht
Angesichts der neuen Herausforderungen für CIOs – etwa verteilte Teams zu managen – steigt der Bedarf nach einer neuen Art von IT-Experten: „Im Grunde brauchen wir ‚Self-Starter‘, die sich ohne große Beaufsichtigung und Einführung einbringen und mit anderen kollaborieren“, erklärt Stephanie Nigh, Vice President of IT beim Technologieunternehmen Transact Campus.
Wenn es nach Marc Tanowitz, Managing Director beim Beratungsunternehmen West Monore, geht, heißt das für IT-Entscheider auch, agile Methoden verstärkt in allen Fachbereichen zu etablieren: „Die IT muss ein iteratives Product Mindset entwickeln und die Bandbreite, Tools und Plattformen bereitstellen, die eine Remote Workforce braucht, um produktiv zu sein. Dabei ist auch die Komplexität von hybriden IT-Umgebungen eine wesentliche Herausforderung.“
*John Edwards ist freier Autor.
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