Wie Europa die Digitalisierung vorantreiben will

Ein digitaler Kompass soll den Weg weisen in Europas digitale Dekade, so der Plan der EU-Kommission. Doch auch wenn die Ziele konkret benannt werden, bleibt es in der Umsetzung erst einmal bei Absichtserklärungen. [...]

Die EU-Länder sind unterschiedlich weit, was ihre Digitalisierung anbelangt - Deutschland dümpelt im Mittelfeld. Der Digital-Kompass der EU-Kommission soll aufzeigen, welche Ziele alle bis 2030 erreicht haben sollten (c) pixabay.com

Die EU-Kommission hat eine ambi­tionierte Vision formuliert, wie der digitale Wandel in Europa bis zum Jahr 2030 gelingen soll. Ziel sei es, di­gi­tal souverän zu sein in einer offenen vernetzten Welt, Schwachstellen und Abhängigkeiten zu beseitigen, Menschen und Unternehmen in ihrer digitalen Handlungskompetenz zu stärken und Investitionen zu beschleunigen, heißt es in einer Mitteilung aus Brüssel.

Die Zielsetzungen des EU-Digital-Kompass

Die Kommission schlägt einen digitalen Kompass vor, um darin folgende Ziele zu verankern:

  • Bis 2030 sollten mindestens 80 Prozent aller Erwachsenen über grundlegende digitale Kompetenzen verfügen. Außerdem sollen in der EU 20 Millionen ITK-Fachkräfte beschäftigt sein, darunter viel mehr Frauen als heute.
  • Bis 2030 sollten alle Haushalte in der EU über eine Gigabit-Anbindung verfügen und alle bevölkerten Gebiete mit 5G-Netzen versorgt werden. 20 Prozent aller Halbleiter weltweit sollten in Europa hergestellt werden. Zudem sollen 10.000 klimaneutrale Edge- Rechenzentren entstehen, und Europa soll seinen ersten Quantencomputer bekommen.
  • Bis 2030 sollen drei von vier Unternehmen in der EU Cloud-Dienste, Big Data und künst­liche Intelligenz nutzen. Über 90 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sollen zumindest über grundlegende digitale Fähigkeiten verfügen, und die Zahl der Start-up-Einhörner sollte sich verdoppelt haben.
  • Alle wichtigen Dienste der öffentlichen Verwaltung sollen online verfügbar sein. Alle Bürgerinnen und Bürger erhalten Zugang zu ihren elektronischen Patienten­akten, und mindestens 80 Prozent sollen eine eID-Lösung nutzen, mit der sie sich ausweisen können.

Der digitale Kompass baut auf der im Februar 2020 vorgelegten Digitalstrategie der EU-Kommission auf. Mehr als Absichtserklärungen stecken bis dato nicht dahinter. Zwar sprechen die EU-Politiker von einem robusten Governance-Mechanismus, klaren Etappenzielen und praktischen Werkzeugen für die Umsetzung. Auch ein Überwachungssystem soll eingeführt werden, um zu messen, inwieweit bestimmte Ziele erreicht wurden. Rechtlich verbindlich ist das Ganze allerdings nicht.

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Die Zielvorgaben dienten als Arbeitsgrundlage, heißt es von Seiten der Kommission. Sie schlägt vor, regelmäßige Berichte, Umfragen und Konsultationen vorzunehmen sowie „Digitalgrundsätze und Rechte in eine interinstitutionelle feierliche Erklärung aufzunehmen“. Margrethe Vestager, Vizepräsidentin der Kommission und Kommissarin für Digitales, er­klärte, dass zunächst einmal ein Prozess angestoßen werden solle.

Der für den Binnenmarkt zuständige EU-Kommissar und ehemalige Atos-Chef Thierry Breton assistierte: „Europa als Kontinent muss dafür sorgen, dass seine Bürger und Unternehmen Zugang zu einer Auswahl modernster Technologien haben.“ Digitaltechnik sei für die Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens während der Coronakrise von entscheidender Bedeutung, heißt es aus Brüssel.

Digitalisierungsdefizite vom Impfen bis zur Schule

Dabei hat die Pandemie schonungslos Digitalisierungsdefi­zite aufgezeigt. In Deutschland behindert ein Flickenteppich an verschiedensten Lösungen ein effizientes Impfmanagement. Das Homeschooling geriet aufgrund von Ausstattungs- und Vernetzungskompetenzen in manchen Bundesländern zu einem Desaster. Es zeigte sich, dass es nicht nur am Geld fehlt, sondern auch zu wenig über Projekt- und Change-Management nachgedacht wurde.

Davon will sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen indes nicht beirren lassen: „Mit dem neuen mehrjährigen Haushalt und der Aufbau- und Resilienzfazilität haben wir beispiellose Ressourcen mobilisiert, um in den digitalen Wandel zu investieren.“ Die Pandemie habe gezeigt, wie wichtig digitale Technologien und Kompetenzen seien, um zu arbeiten, zu lernen und am Leben teilzuhaben – und wo wir noch besser werden müssen. „Wir müssen die kommenden Jahre zu Europas digitaler Dekade machen, damit alle Bürger und Unternehmen die Vorteile der digitalen Welt bestmöglich nutzen können“, fordert die CDU-Politikerin. „Der digitale Kompass lässt uns eine klare Perspektive, wie wir das erreichen können.“

*Martin Bayer: Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP; Betreuung von News und Titel-Strecken in der Print-Ausgabe der COMPUTERWOCHE.


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