Zero Trust richtig verstehen: Fünf zentrale Fehlannahmen

Zero Trust zählt heute zu den wirksamsten Konzepten, um Daten in komplexen IT-Umgebungen zuverlässig zu schützen. Dennoch bleibt das Modell für viele Unternehmen schwer greifbar. Einzelmaßnahmen wie die Multi-Faktor-Authentifizierung werden überschätzt, während zentrale Prinzipien wie die kontinuierliche Prüfung von Zugriffen im jeweiligen Kontext oft vernachlässigt bleiben. [...]

Zero Trust steht und fällt mit der Kontrolle digitaler Identitäten. Ohne einen belastbaren Mechanismus zur Prüfung von Nutzern, Geräten und Anwendungen ist eine wirksame Vertrauensbewertung nicht möglich. (c) stock.adobe.com/Jah_CK

Cloud-Umgebungen, hybride Infrastrukturen und mobile Arbeitsformen haben klassische Perimeter-Sicherheitskonzepte abgelöst. Gleichzeitig nehmen Cyberbedrohungen an Komplexität und Präzision zu. Regulatorische Anforderungen wie NIS2 oder DORA erhöhen den Handlungsdruck zusätzlich. In diesem Umfeld ist Zero Trust die Grundlage für eine belastbare und zukunftsfähige Sicherheitsarchitektur. Im Zentrum steht nicht die Eliminierung von Vertrauen, sondern dessen gezielte Steuerung anhand überprüfbarer Identitäten, dynamischer Zugriffskontrollen und kontextabhängiger Entscheidungen.

In der Praxis bleibt die Umsetzung jedoch häufig hinter den Erwartungen zurück. Statt einer ganzheitlichen Strategie dominieren punktuelle Maßnahmen, die zentrale Prinzipien des Modells verfehlen. Hier werden typische Fehlannahmen sichtbar, die einer wirksamen Sicherheitsarchitektur im Weg stehen. Folgende Irrtümer rund um Zero Trust sind immer noch weit verbreitet:

1. Zero Trust ist kein fertiges Produkt

    Viele Unternehmen erwarten von Zero Trust eine technische Lösung, die sich mit einem Tool oder einer Plattform realisieren lässt. Tatsächlich handelt es sich bei Zero Trust nicht um ein Produkt, sondern um ein Architekturprinzip. Es definiert, wie Identitäten, Geräte, Daten und Anwendungen geschützt werden sollen, unabhängig von einzelnen Herstellern oder Technologien. Wer glaubt, Zero Trust sei mit einem einmaligen Softwareprojekt erledigt, verkennt die konzeptionelle Tiefe des Modells und reduziert es auf eine technische Maßnahme. Das Ergebnis ist häufig eine fragmentierte Sicherheitslandschaft ohne konsistente Durchsetzung.

    2. Wer Multifaktor-Authentifizierung nutzt, hat Zero Trust schon umgesetzt

      Multifaktor-Authentifizierung ist ein wichtiger Baustein moderner Sicherheitsarchitekturen, macht ein System aber nicht automatisch Zero-Trust-fähig. Eine einmalige Authentifizierung beim Login genügt nicht, um dynamische Risiken wie gestohlene Sitzungen, verändertes Nutzerverhalten oder manipulierte Geräte zu erkennen. Entscheidend ist eine laufende Bewertung des Kontextes: Woher kommt die Anfrage? Welches Gerät wird verwendet? Wie plausibel ist das Verhalten in der aktuellen Situation?

      3. Zero Trust schließt Vertrauen aus

        Zero Trust wird häufig als pauschales Misstrauen gegenüber allen Nutzern und Systemen verstanden. Tatsächlich basiert das Konzept auf einem dynamischen Ansatz: Vertrauen wird nicht grundsätzlich verweigert, sondern kontinuierlich überprüft und angepasst. Zugriffsrechte, Identitäten und Verbindungen werden fortlaufend bewertet und nur bei nachgewiesenem Bedarf gewährt oder eingeschränkt. Dadurch entsteht eine flexible Sicherheitsarchitektur, die auf aktuellen Gefahren und Kontextinformationen reagiert, statt starr auf vorgefassten Annahmen zu beruhen

        4. Zero Trust ist nur für Konzerne geeignet und zu teuer

          Zero Trust wird häufig als aufwendiges Großprojekt wahrgenommen, das nur mit umfangreichem Budget und großem Personalstamm realisierbar ist. Tatsächlich basiert das Konzept jedoch auf modularen, schrittweisen und risikobasierten Maßnahmen, die sich auch in kleineren und mittelständischen Unternehmen effizient umsetzen lassen. Entscheidend ist, nicht alle Aspekte gleichzeitig anzugehen, sondern gezielt Prioritäten zu setzen: Welche Ressourcen sind besonders schützenswert? Welche Risiken sind vorrangig? Und welche Maßnahmen bringen kurzfristig spürbare Verbesserungen?

          5. Sicherheit steht im Widerspruch zur Nutzerfreundlichkeit

            Ein häufiger Vorbehalt gegenüber Zero Trust lautet, dass das Modell Arbeitsprozesse erschwere und Nutzerinnen und Nutzer mit ständigen Abfragen frustriere. Richtig umgesetzt führt das Gegenteil zum Erfolg: Risiken kontextsensitiv bewertet, lassen sich Schutzmaßnahmen gezielt und situationsabhängig anwenden, etwa durch adaptive Authentifizierung oder passwortlose Verfahren. Der Einsatz biometrischer Merkmale und vertrauenswürdiger Geräte sowie moderner Customer Identity and Access Management-Systeme (CIAM) ermöglicht eine sichere und zugleich reibungsarme Nutzung. CIAM verbindet hohe Sicherheitsanforderungen mit optimierter Nutzererfahrung und ist ein Schlüssel zur Vereinbarkeit von Sicherheit und Usability im Zero Trust-Kontext.

            Digitale Identitäten: Der Prüfstein jeder Zero Trust-Strategie

            Nach der Betrachtung strategischer Fehlannahmen zeigt sich, worauf es im Kern ankommt: Zero Trust steht und fällt mit der Kontrolle digitaler Identitäten. Ohne einen belastbaren Mechanismus zur Prüfung von Nutzern, Geräten und Anwendungen ist eine wirksame Vertrauensbewertung nicht möglich. Ein modernes Identity and Access Management stellt dabei sicher, dass Zugriffe nicht pauschal, sondern kontextbezogen bewertet werden, etwa anhand von Gerätezustand, Standort oder Verhaltensabweichungen. In dynamischen IT-Umgebungen mit Cloud, Remote Work und mobilen Endpunkten ist das zentral. Starre Rollenmodelle reichen längst nicht mehr aus.
            Digitale Identitäten sind mehr als ein technisches Detail: Sie sind die Grundlage jeder Sicherheitsentscheidung im ZeroTrust-Modell. Ohne sie bleibt jede Kontrollinstanz blind.

            Zero Trust erfolgreich umsetzen

            Zero Trust ist kein einmaliges Projekt, sondern ein strategischer Reifeprozess. Damit daraus eine tragfähige Sicherheitsarchitektur entsteht, braucht es mehr als punktuelle Maßnahmen: Unternehmen müssen wissen, welche Ressourcen schützenswert sind, welche Risiken im Fokus stehen und wie ihre IT-Landschaft tatsächlich aussieht. Nur wer Nutzer, Geräte, Anwendungen und Datenflüsse im Blick hat, kann Zugriffskontrollen wirksam steuern.

            Ebenso entscheidend ist die Zusammenarbeit zwischen IT- und Sicherheitsteams. Zero Trust funktioniert nur, wenn technische Maßnahmen in ein gemeinsames strategisches Verständnis eingebettet sind: kontinuierlich überprüft, nachgeschärft und an neue Anforderungen angepasst.

            Fazit: Zero Trust braucht Strategie, nicht Stückwerk

            Zero Trust ist kein Ziel, das sich mit einem Tool oder Projekt erreichen lässt. Es ist ein Prinzip, das Klarheit, Priorisierung und konsequente Umsetzung erfordert. Wer typische Fehleinschätzungen erkennt und gezielt dagegen steuert, schafft die Basis für eine Sicherheitsarchitektur, die aktuellen Risiken erfolgreich standhält. Entscheidend ist dabei ein modernes Identity and Access Management, das digitale Identitäten konsequent schützt und Zugriffe kontextabhängig steuert.

            * Stephan Schweizer ist CEO der Nevis AG. (c) Nevis AG


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