„Zuckerberg Schuld an Selbstmord von Jugendlichen“

Nachdem sich sein 17 Jähriger Sohn erschossen hatte, bekamen der US-amerikanische Parlamentarier Brandon Guffey und sein jüngerer Sohn nach eigenen Angaben digitale Erpresserbriefe auf Instagram. [...]

Foto: GerdAltmann/Pixabay

Wenn man kein Lösegeld bezahlte, dann würden Nacktfotos des Verstorbenen veröffentlicht. Offensichtlich hatte der Tote kurz vor seinem Selbstmord eine solche Erpressung erhalten.

Suizid ist solch ein schmerzhaftes Ereignis, dass es der Würde der Betroffenen nicht gerecht wird über Motive oder Auslöser zu spekulieren. Selbstmord entsteht im allgemeinen durch das Zusammentreffen vieler verschiedener tragischer Faktoren, Gefühle und Affekte. 

Die Lust an moralischer Empörung verleitet uns, wider besseres Wissen trotzdem nach Schuldigen zu suchen. Wir lieben es den Lehrern die Schuld zu geben, den Schulkollegen, oder den Eltern oder dem Staat. In diesem Fall sind es Soziale Netzwerke.

Am 31. Januar 2024 wurden die Vorstandsvorsitzenden von Meta, TikTok, X, Discord und Snap öffentlichkeitswirksam vor einem Untersuchungsausschuß des US-Senats vorgeführt. Solche Inszenierungen kleiner Gruppen von Senatoren dienen im Allgemeinen dazu, Themen aufzubauen, die von einer Mehrheit der Parlamentarier nicht ernst genommen werden.

Der Vorwurf: Die Betreiber sozialer Netzwerke würden selbst zu wenig zum Schutz der Jugend, insbesondere bei Erpressung oder Suizidverdacht, unternehmen. Mark Zuckerberg und Kollegen hätten Blut an ihren Händen.

Trotz der Inszenierung ist allen Beteiligten bewusst, dass man Suizid nicht per Software verhindern kann. Was unter Umständen helfen kann, ist ein liebevolles Umfeld. Es mag sein, dass sich manche Menschen in Krisen alleine gelassen fühlen und zum Äußersten greifen. 

Suizid gab es lange vor den Sozialen Medien, denen nun die Schuld gegeben werden soll. Denn wenn man einen Schuldigen findet, ist alles wunderbar. Dann muss man nicht über sich selbst und die Gesellschaft nachdenken. 

Die echte Lösung jenseits des Empörungsgewinns

Eltern sind für die fürsorgliche Ausübung der elterlichen Macht verantwortlich. Meine Frau und ich haben unseren Kindern erklärt, dass bei digitaler Kommunikation immer jemand mitlesen kann. Daher haben wir mit unseren Kindern einen Deal. Sie dürfen Whatsapp verwenden und wir dürfen im Gegenzug mitlesen. 

Allerdings respektieren wir die Privatsphäre unserer Kinder. Private Gespräche mit Freunden können sie am besten persönlich führen.

Wie beim Straßenverkehr ist es unsere Aufgabe, als verantwortungsvolle Eltern unsere Kinder auf jene Gefahren vorzubereiten, die wir nicht verhindern können. Das verbliebene Restrisiko hilft ihnen, selbstbewusste und eigenverantwortliche Erwachsene zu werden.

Die Versäumnisse der Gesetzgeber und Hersteller

Vor vielen Jahrzehnten, als es noch kluge Gesetzgeber gab, wurden Themen wie Betrug, Erpressung oder Kindesmißbrauch bereits gesetzlich verboten. Neue Gesetze dienen eher der Profilierung von Politikern. 

Allerdings fragen wir uns als Eltern zu Recht, warum unsere Kinder Zugang zu unangemessenen Inhalten und fremden Personen erhalten. Für Hersteller wie Apple oder Microsoft wäre es ein Leichtes, die Minderjährigkeit eines Nutzers zu verifizieren. Facebook, Twitter und co. können bestenfalls die Volljährigkeit prüfen.

Typischerweise geben sich Erpresser als Gleichaltrige aus und “befreunden” sich mit einer ganzen Gruppe von nichtsahnender Zielpersonen. Als unsicherer Teenager freut man sich über Komplimente von angeblich Gleichaltrigen. Dieser “Gleichaltrige” weiß wie man verführerische Konversationen mit verlockenden Angeboten spickt. Technisch kann man solche Kommunikation nicht unterscheiden. Im emotionalen Ausnahmezustand werden dann schon mal kompromittierende Fotos ausgetauscht. 

Danach wechselt der Tonfall abrupt. Der Erpresser droht nun z.B. per E-Mail, den vorher “befreundeten” Kreis mit peinlichen Fotos zu versorgen, wenn man nicht regelmäßig das Taschengeld überweist – z.B. in Form von digitalen Einkaufsgutscheinen. 

Sollte das Lösegeld ausbleiben, werden zuerst alle mit dem gleichen Familiennamen ebenfalls mit Erpressungsversuchen konfrontiert. Vermutlich wurde der Selbstmord im obigen Beispiel als Kommunikationsabbruch interpretiert und der automatisierte Versuch unternommen, dann eben die Eltern auszunehmen.

Der eigentliche Skandal ist, dass der Gesetzgeber versagt hat, die Hersteller von Geräten und Betriebssystemen zu einer Altersprüfung zu zwingen.

Alle seriösen Anbieter verfügen über wirksame Einstellungen zum Datenschutz. Fast alle Anbieter versagen dabei, diese Einstellungen so Benutzerfreundlich zu gestalten, dass sie von typischen Eltern angemessen genutzt werden können.

Lassen wir uns nicht vom Wesentlichen ablenken.

Immer schon haben Kinder ihre Eltern an ihre menschlichen Grenzen gebracht. Aber nie war die Versuchung größer, die Kinderbetreuung an das Internet zu delegieren. Und noch nie war der Gruppendruck unter den Kindern größer, digitale Systeme zur Kommunikation und Unterhaltung einzusetzen. 

Facebook und co. zu unterstellen, sie würden das Wohl unserer Kinder dem Unternehmensgewinn zu opfern, hält einer logischen Prüfung durch den Hausverstand nicht stand. Kein Gewinn kann den Imageschaden aufwiegen, den die Unternehmen riskieren. Allein schon deshalb sind die Bemühungen der Konzerne glaubwürdig. 

Es ist an der Zeit, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, anstatt sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben.

*Christoph Holz hat Raumfahrttechnik und Informatik an der Technischen Universität in München studiert und mehrere Unternehmen gegründet.  Er ist ein gefragter Keynote Speaker rund um die menschlichen Fragen der digitalen Transformation durch Künstliche Intelligenz und Robotik. Christoph Holz weiß mit Sprachwitz, eindrucksvollen Bildern und außergewöhnlichen Beispielen zu begeistern. Er verbindet Technologie, Gesellschaft und Wirtschaft zu einem sinnstiftenden Ganzen. Seine Zukunftsperspektiven nehmen den Menschen die Angst vor Veränderung und trainieren die Innovationsfähigkeit seiner Zuhörer. Der Informatiker und Raumfahrttechniker weiß, wovon er spricht. Er ist Hochschullehrer und ein echter Cyborg. Als Business Angel engagiert er sich in Australien und Singapur und investiert in vielversprechende Projekte im Bereich Künstliche Intelligenz, Blockchain und Co-Living. Start-ups profitieren dabei von seinen 20 Jahren Erfahrung als IT-Unternehmer in Europa und dem Silicon Valley. Einer breiten Öffentlichkeit ist Holz als TV-Experte, z.B. bei Sat.1, RTL oder N-TV bekannt.


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