Das Aufkommen von Bildgeneratoren, die anhand von Künstlicher Intelligenz (KI) fotorealistische Bilder erzeugen, sorgt unter Fotografen nach wie vor für große Aufregung. Rechtlich sind hier viele Facetten ungeklärt. In Hamburg begann Ende April das erste Gerichtsverfahren in der EU um die Nutzung von Fotografien zum Training von KI-Modellen. [...]
Die Ergebnisse von KI-Bildgeneratoren, wie Midjourney und Dall-E von Open AI oder Firefly von Adobe sind beeindruckend und werden mit jedem Release besser. Die Bilder sind von echten Fotos kaum oder mitunter auch gar nicht mehr zu unterscheiden. Damit solche überzeugend fotorealistischen Bilder generiert werden können, muss die KI mit Milliarden von Fotos trainiert werden. Diese stammen wiederum zum größten Teil aus dem Internet stammen, also etwa von Webseiten der Fotografinnen und Fotografen, Posts auf Social-Media-Plattformen oder anderen online zugänglichen Veröffentlichungen. Der Haken dabei: In den allermeisten Fällen geschieht dies ohne Wissen oder Zustimmung der Bildautoren und Bildautorinnen. Ob das überhaupt rechtlich zulässig ist, ist rechtlich umstritten und sollte rasch geklärt werden.
In der EU ist der Blick in dieser Sache auf Hamburg gerichtet: In der Hansestadt begann am 24. April vor dem Landgericht Hamburg der erste Prozess in Deutschland, in dem sich ein Fotograf dagegen wehrt, dass seine Bilder zum Training von KI-Bildgeneratoren verwendet werden. Vertreten wird der Fotograf vom Urheberrechtsanwalt Sebastian Deubelli. Von diesem Verfahren erhoffen sich viele Kreative die Stärkung ihrer Rechte gegenüber der explosionsartig ausbreitenden Verfügbarkeit von KI-Anbietern und KI-Lösungen, deren Erzeugnisse immer stärker in Konkurrenz zum Werk menschlicher Urheber stehen. Der Prozess in Hamburg sei, so Deubelli, „das erste und meines Wissens bislang einzige Verfahren in der gesamten EU.“
Sebastian Deubelli richtet seine Klage gegen den wichtigsten Lieferanten solcher Trainingsdaten. Dabei geht es um den ersten Schritt des KI-Trainings – die Erfassung von Bildern in der Datenbank „LAION 5B“. Dieses Verzeichnis mit mehr als fünf Milliarden Bildern liegt vielen aktuellen Bildgeneratoren zugrunde. Im Mittelpunkt der juristischen Bewertung stehen zwei Fragen: Kann sich der gemeinnützige LAION e.V. bei seiner Sammlung auf Ausnahmen vom Urheberrecht berufen, die eigentlich für Analysen in der wissenschaftlichen Forschung geschaffen wurden? Und dürfen diese Daten kommerziellen Anbietern von Bildgeneratoren zur Verfügung gestellt werden, ohne dass die Fotografinnen und Fotografen dem zugestimmt haben und eine Vergütung erhalten?
Die Klärung der rechtlichen Sachlage kann bedeutende Konsequenzen nach sich ziehen. Damit geht die Bedeutung des Verfahrens weit über den konkreten Fall hinaus, in dem ein Fotograf die Löschung seiner Bilder aus der LAION-Datenbank fordert. Sollte die Herkunft der Trainingsdaten juristisch angreifbar sein, könnte in einem nächsten Schritt auch Anbietern von KI-Bildgeneratoren der Verkauf ihrer Dienste erschwert werden.
Fünf Fragen an Sebastian Deubelli
Wann rechnen Sie in Hamburg mit einem Urteil?
Es ist leider unvorhersehbar, wir lange sich ein Gerichtsverfahren hinzieht. Wir befinden uns aktuell noch im Bereich des schriftlichen Vorverfahrens und im Juli findet ein erster Gütetermin statt. Wir werden dann sehen, wie das Gericht das Verfahren weiter führt und ob wir zum Beispiel Zeugen hören werden.
Mit welchen weiteren gerichtlichen Schritte rechnen Sie danach?
Es ist durchaus denkbar, dass eine der Parteien gegen ein erstinstanzliches Urteil in Berufung gehen wird. Auch danach stehen noch weitere Rechtsmittel offen, sodass rein theoretisch auch der Weg zum EuGH denkbar wäre.
Welche Auswirkungen hat das Urteil über Deutschland hinaus, insbesondere für die EU und damit auch für Österreich?
Da die Gegenseite sich auf die urheberrechtlichen Schranken zum Text und Data Mining beruft und diese im Wege der EU-weiten Harmonisierung auch außerhalb Deutschlands relevant für die Frage sind, ob ungefragt an urheberrechtlich geschützten Werken trainiert werden darf, hat eine Entscheidung sicherlich auch außerhalb Deutschlands praktische Auswirkungen.
Gibt es in Sachen KI und Fotografie in anderen EU-Ländern bereits Urteile in ähnlich gelagerten Fällen und eventuell einen Trend hinsichtlich einer möglichen europäischen Rechtsprechung?
Nein, das Verfahren vor dem Landgericht Hamburg ist das erste und meines Wissens bislang einzige Verfahren in der gesamten EU.
Welche Rolle spielt hierbei der „AI Act“ der EU?
Da der AI Act sich nicht mit den hier relevanten urheberrechtlichen Vorschriften befassen dürfte, wir der für den Ausgang des Verfahrens vermutlich kein oder nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen.
Weitere Infos zu den Themen Urheberrecht und KI finden sich auf den Seiten der SLD Intellectual Property Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (https://www.sld-ip.com).
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