Trainingssystem für medizinische Ersthelfer im Praxistest

Seit Juli testen Einsatzkräfte in ganz Europa das neue Mixed Reality (MR)-Trainingssystem, das im EU Horizon 2020 Forschungsprojekt MED1stMR unter Leitung des AIT Center for Technology Experience entwickelt worden ist. [...]

MED1stMR-Demo:Mit MED1stMR können medizinische Einsatzkräfte gut für den Notfall vorbereitet werden.(c) AIT/Johannes Zinner
MED1stMR-Demo:Mit MED1stMR können medizinische Einsatzkräfte gut für den Notfall vorbereitet werden.(c) AIT/Johannes Zinner

Der Prototyp des Mixed Reality Trainingssystems MED1stMR, das für medizinische Einsatzkräfte und Trainer und Trainerinnen entwickelt wurde, ist fertig. Jetzt geht es im dritten Projektjahr des Projekts MED1stMR darum, das neue Trainingssystem in der Praxis mit Anwendern und Trainern zu testen und zu evaluieren.

Komplexe Notfallsituationen als Herausforderung

ZU komplexen Notfallsituationen zählen etwa Flugzeugabsturz, Bahnunglück, Busunfälle, Erdbeben, Terroranschläge oder Fußball-Stadien-Katastrophen. Ein Merkmal sind dabei oft eine hohe Anzahl an Verletzten. In solchen Situationen müssen medizinische Ersthelfer und -herlfeinnen unter extremer Belastung medizinische Hilfe leisten, schnell Entscheidungen treffen, die über Leben und Tod entscheiden (Triage) und das Management und die Kommunikation vor Ort übernehmen. Die MED1stMR Lösung dient dazu, die Einsatzkräfte darauf bestmöglich vorzubereiten und komplexe Szenarien vorab zu trainieren. 

Innovatives Mixed Reality Training

Bei MED1stMR werden innovative audiovisuelle Technologien kombiniert mit dem bekannten, medizinischen Notfall-Equipment aus der Praxis (wie etwa Beatmungsbeutel, Reanimationshilfe, Tourniquet). Mixed Reality (MR) bedeutet, dass virtuelle Szenarien mit  realen Objekten in Echtzeit miteinander verknüpft und genutzt werden. Die Einsatzkräfte trainieren mithilfe von VR-Headsets komplexe Notfallszenarien. Nach bewährtem Muster kommen reale Trainingsmanikins zum Einsatz – bei MED1stMR sind das Hightech-Simulationspuppen, die im Projekt gemäß den Anforderungen der Trainer entwickelt worden sind. Damit können unterschiedlichste Verletzungen sehr realitätsnah simuliert und trainiert werden.

Das Projekt habe erstmals Forschungseinrichtungen, medizinische Einsatzorganisationen und technischen Unternehmenspartner auf europäischer Ebene für die Entwicklung eines international einsetzbaren MR-Trainingssystems zusammengebracht, erklärt Projektleiter Helmut Schrom-Feiertag vom AIT Center of Technology Experience. Das AIT bringe hier langjährige Expertise aus der User-Experience- und Verhaltensforschung sowie aus dem Bereich XR (Extended Reality) mit ein. Helmut Schrom-Feiertag: „Im Projekt ist zudem die Messung von Biosignalen, die Stressmessung sowie ein KI-basiertes Szenariosteuerungstool inkludiert – insgesamt haben wir damit mit allen Partnern und Paertnerinnen gemeinsam eine bahnbrechende und realitätsnahe Trainingsmöglichkeit geschaffen“, so Schrom-Feiertag. 

MED1stMR verfolgt einen multidisziplinären, agilen und auf die Enduser ausgerichteten Ansatz, der die Bedürfnisse von sieben verschiedenen internationalen medizinischen Einsatzorganisationen/Trainingscentern aus ganz Europa abdeckt: Neben den Johannitern aus Österreich und den Johannitern International (Belgien) sind noch SERMAS – SUMMA (Spanien), das Hellenic Rescue Team (Griechenland), das Universitätsklinikum Heidelberg (Deutschland), das Notfalls-Traningszentrum Campus Vesta (Belgien) sowie die Region Jämtland Härjedalen (Schweden) bei MED1stMR beteiligt. Insgesamt sind 18 Partner aus neun Ländern involviert.

Praxistests: Auftakt im Juli in Wien

Das letzte Drittel des Projekts konzentriert sich im zweiten Halbjahr 2023 bis Anfang 2024 auf insgesamt sechs Feldversuche, an denen rund 200 Notfallssanitäter und -sanitäterinnen in ganz Europa teilnehmen werden. Start der Praxis-Testwochen ist Ende Juli im Trainingscenter der Johanniter in Wien. Die groß angelegten Szenario-Simulationstrainings (Orte und Termine siehe: www.med1stmr.eu/field-trials) liefern Erkenntnisse über die Eignung der Mixed-Reality-Trainingslösung. Zusätzlich werden Daten zur Validierung des wissenschaftlichen Modells und zur Weiterentwicklung gesammelt. Ein Team erfahrener Ausbildner und Ausbildnerinnen aus dem Projekt wird die lokalen Trainer nach dem Prinzip „Train the Trainer“ schulen, um das erworbene Wissen weiterzugeben und die Anwendung der bewährten Ausbildungsmethoden sicherzustellen. Vier Personen pro Gruppe werden je zwei unterschiedliche Massenunfallszenarien mit Hilfe der MED1stMR-Technologie trainieren. Alle Trainingsdaten werden erfasst und können in einem Dashboard übersichtlich Trainern und Trainierenden angezeigt werden. Damit entstehen gänzlich neue Möglichkeiten für Training und Debriefing.

Ziele der Praxistests

  • Evaluierung der entwickelten Technologie unter realistischen Bedingungen 
    (einwöchiges Training mit drei bis fünf Trainingsgruppen pro Tag) 
  • Feedback von Endnutzern über deren Erfahrungen und die Technologieakzeptanz als Input für die weitere Entwicklung (alle Teilnehmer/innen sind aktive Notfallsanitäter/innen bzw. in medizinischen Einsatzorganisationen in ihren Ländern tätig)  
  • Wissenschaftliche Studien (Stress, Leistung, kognitiver Zustand, Teamverhalten usw.)
  • Aufmerksamkeit zum Thema virtuelles Training in Mixed-Reality-Umgebung für medizinische Einsatzkräfte zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Resilienz bei Katastrophensituationen bei Entscheidungsträgern erlangen

Das Projekt aus Sicht der Einsatzkräfte

Das Besondere in diesem umfassenden Projekt ist, dass im Sinne der Co-Creation medizinische Einsatzorganisationen die Lösung entscheidend mitgestaltet haben. „Es ist großartig, von Anfang an bei der Entwicklung von MED1stMR mitgewirkt zu haben“, ist Daniela Weismeier-Sammer von Johanniter Research Austria begeistert. „Wir können mit dem MED1stMR Trainingssystem große, komplexe Notfallszenarien trainieren und uns optimal vorbereiten. Die größten Vorteile des Mixed-Reality-Trainings sind für uns Variation und Individualisierung, die Möglichkeit, jedes Training beliebig oft wiederholen zu können und natürlich auch die Analysemöglichkeit nach dem Training.“ Daniela Weismeier-Sammer blickt bereits in die Zukunft: „Wir sehen das Projekt MED1stMR als Startschuss, um künftig Einsatzkräfte mithilfe von neuen Technologien wie Mixed Reality und Extended Reality noch besser für medizinische Notfälle vorbereiten zu können. Auch die Kooperation mit anderen europäischen Notfallorganisationen und den wissenschaftlichen und technischen Projektpartnern ist für uns sehr wertvoll.“

MED1stMR wurde mit Mitteln aus Horizon 2020 der Europäischen Union für Forschung und Innovation unter der Fördervereinbarung Nr. 101021775 finanziert (wir berichteten). Das Projekt läuft bis Mai 2024.

Weitere Informationen finden Interessierte auf der Projektwebsite unter www.med1stmr.eu beziehungsweise Infos zu den Projektpartnern unter www.med1stmr.eu/consortium.

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