Das Austrian Institute of Technology präsentiert ein Konzept für ein autonomes Fahrzeug, das Fahrgäste beim Umsteigen an Verkehrs-Knotenpunkten unterstützt. [...]
Wer hat das nicht schon erlebt? Man kommt mit schwerem Gepäck am Bahnsteig an und will auf schnellstem Weg zum Taxistand. Wäre es nicht toll, wenn man sich mit dem Smartphone über eine App einfach einen Gepäcktrolley rufen könnte, der sofort zur Stelle ist und seine Ladefläche aufklappt? Nachdem man das Gepäck darauf verstaut hat, muss nur noch das Ziel „Taxistand“ eingegeben werden und schon setzt sich der smarte Trolley in Bewegung und leitet den Fahrgast auf kürzestem Weg zu den wartenden Taxis. Der Trolley klappt sich selbsttätig zu und eilt zu seinem nächsten Auftrag oder fährt zur Ladestation, um neue Kraft zu tanken. Zukunftsmusik? Im Projekt „TransitBuddy“ wurde jetzt unter der Leitung des AIT Austrian Institute of Technology der Grundstein für die Realisierung dieser Vision gesetzt. Ein interdisziplinär aufgestelltes österreichisches Konsortium aus den Bereichen Forschung, Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs, Automation und Design hat sich darin die Aufgabe gestellt, einen smarten Gepäcktrolley und Lotsen zu entwickeln, der Fahrgäste in Umsteigepunkten des öffentlichen Verkehrs unterstützt.
Als erster Schritt wurden die Bedürfnisse der potentiellen Nutzer von netwiss OG in umfangreichen Befragungen von Zugfahrgästen und Fokusgruppen erhoben. Auf dieser Basis erstellte das Institut für Konstruktionswissenschaften und Technische Logistik der TU Wien technische Konzepte für ein autonomes Transportfahrzeug, das Passagieren mit schwerem Gepäck bei der Navigation durch Bahnhöfe oder Flughäfen behilflich ist. Dabei muss der kombinierte Gepäcktrolley und Lotse seine eigene Position bestimmen, die schnellste Route zum vorgegebenen Ziel berechnen und auf dem Weg dorthin sicher und zuverlässig Personen und Hindernissen ausweichen.
„Die große Herausforderung besteht darin, dass dieser ‚TransitBuddy‘ nicht wie sonst bei autonomen Fahrzeugen üblich, auf definierten Fahrwegen getrennt von Personenflüssen unterwegs sein soll, sondern sich den Platz mit anderen Passanten teilen muss“, erläutert Projektleiter Stefan Seer vom AIT Mobility Department den „Shared Space“-Ansatz zwischen Mensch und Roboter.
PROBELAUF AM WIENER HAUPTBAHNHOF
Für die autonome Steuerung des TransitBuddy sieht das technische Konzept den Einbau verschiedener Sensoren, wie Laserscanner oder Kameras vor, die den rollenden Lotsen mit Informationen über seine nähere und weitere Umgebung versorgen. Die dafür im Projekt vom Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik der TU Wien entwickelten Komponenten wurden mit einer speziellen Roboterplattform am Hauptbahnhof Wien, unterstützt durch ÖBB Infrastruktur AG, im Praxistest erprobt. Damit konnten direkt vor Ort Rückschlüsse aus dem Zusammenspiel von Sensorauswertung, Lokalisation, Navigation, Indoor-Routing, Hinderniserkennung und Steuerungsprogramm gewonnen werden. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden durch DS Automotion GmbH kontinuierlich mit dem Stand der Technik aus der Industrie abgeglichen.
Daneben musste sich der TransitBuddy aber auch in einer virtuellen Umgebung beweisen. Dazu wurde der Wiener Hauptbahnhof im Computer nachgebaut und darin Personenströme und Roboterpfade gemeinsam simuliert, um verschiedene Szenarien durchzuspielen. „In der Simulation haben wir zum Beispiel zwei TransitBuddys vom Haupteingang quer durch die Bahnhofshalle und wieder retour geschickt“, so Seer. „Dazu wurde noch das Eintreffen eines vollbesetzten Zuges simuliert, um die Fahrzeuge mit hohen Personendichten zu konfrontieren und so Rückschlüsse auf mögliche Gefahrenpotentiale zu ziehen.“ Fazit: Auch in den engeren Bereichen des Hauptbahnhofs kam es bei diesem Szenario zu keinen kritischen Situationen zwischen Fußgängern und Robotern.
Parallel zu den technischen Fragestellungen kümmerte sich das Projektteam aber auch um das konkrete Aussehen des smarten Gepäcktrolleys. Für diesen Zweck entwickelten die Designer der bkm design working group eine Designstudie und setzten diese als Designmodell im Maßstab 1:1 um. Das Designmodell wurde gemeinsam mit einer Animation der typischen Anwendungsfälle am Westbahnhof dem strengen Urteil der Fahrgäste unterzogen. Diese abschließende Evaluierung durch die potentiellen Nutzer brachte wertvolles Feedback für die intuitive Bedienung, denn immerhin soll der TransitBuddy einfach und ohne langwierige Anleitung genutzt werden können. „Mit dem ausgereiften technischen Konzept und dem mit den Nutzern abgestimmten Designmodell verfügen wir über eine gute Basis, um unsere Erkenntnisse in einem Folgeprojekt in einen funktionalen Prototypen umzusetzen“, meint Projektleiter Stefan Seer abschließend.
Das 2012 gestartete Projekt TransitBuddy mit einer Laufzeit von zwei Jahren wurde von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) im Rahmen des Programms „IV2Splus – Intelligente Verkehrssysteme und Services plus“ gefördert. (pi)
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