Ein rechtzeitiger Blick auf Twitter hätte wohl den Ausgang des Brexit-Votums erahnen lassen. [...]
Das zeigt eine Studie im „British Journal of Politics and International Relations“. Die für den EU-Verbleib Großbritanniens eintretende „Stronger In“-Kampagne hat es demnach schon auf dem Kurznachrichtendienst nicht recht geschafft, Menschen zu mobilisieren. Denn die Twitter-Kommunikationsstrategie der EU-Befürworter war fragwürdig. Sie haben beispielsweise Negativ-Begriffe wie eben „Brexit“ mehr genutzt als dessen Verfechter.
Sprachliche Schwäche
„Das Ergebnis des Brexit-Votums am 22. Juni 2016 wäre nicht so schockierend gewesen, hätte man mehr darauf geachtet, was auf Twitter los ist“, meint Erstautor Simon Usherwood, Politikwissenschaftler an der University of Surrey. Denn die Studie, die 18.000 Tweets der EU-Befürworter sowie die Austritts-Kampagnen „Vote Leave“ und „Leave.EU“ anaylsiert hat, stieß auf klare Schwächen der offiziellen EU-Verbleibskampagne Stronger In. „Speziell die Unfähigkeit, öffentliches Interesse für ihre Ideen über die Vorteile des EU-Verbleibs zu wecken“ nennt Usherwood als Schwachpunkt, der letztlich die EU-Gegner gestärkt hat.
Der größere Twitter-Erfolg der EU-Gegner hat sich unter anderem in den Follower-Zahlen niedergeschlagen – eine bessere Online-Mobilisierung also. Dafür dürfte die seltsame Online-Strategie von Stronger In mitverantwortlich gewesen sein. Die EU-Befürworter haben sich laut der Studie auf Twitter nämlich sprachlich eher vergriffen. So war das meistgenutzte Wort von Stronger In ausgerechnet „leaving“, also „verlassen“. Das zeige, wie sehr die Kampagne am Ende nach den Regeln der EU-Austrittsbefürworter gespielt habe.
Unpassend untergriffig
Knapp ein Fünftel der Tweets von Stronger In waren zudem negative Kommentare über die politischen Gegner. Damit waren die EU-Befürworter untergriffiger als die EU-Gegner. Das passt eigentlich nicht dazu, dass Stronger In deutlich eher positive Argumente für die eigene Position vorgebracht hat (27,3 Prozent der Tweets, gegenüber rund 16 Prozent bei den EU-Austrittsbefürwortern). In Kombination mit der unglücklichen Sprachwahl wirkte die Twitter-Strategie von Stronger In also irgendwie verwirrend.
„Da Online-Kampagnen für politische Gruppierungen normal werden, ist es wichtig, dass sie aus den Fehlern von Stronger In lernen und in Zukunft umfassende Social-Media-Strategien entwickeln“, so Usherwood. Es werde interessant sein zu sehen, wie die Parteien Twitter vor den Wahlen am 8. Juni nutzen und wie sich das auf das Ergebnis auswirken werde.
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