Twitter vermarktet seinen Datenstrom künftig wieder selbst

Wer künftig vollen Zugriff auf den kompletten Datenstrom von Twitter will, muss diesen nun wieder direkt an der Quelle beziehen. [...]

Zwischenzeitlich hatte Twitter einigen ausgewählten Zwischenhändlern ermöglicht, die „Firehose“ (zu Deutsch Feuerwehrschlauch) mit allen derzeit täglich rund 500 Millionen Tweets als Großhändler wiederzuverkaufen. Den größten diese Reseller, die Firma Gnip, kaufte Twitter dann vor etwa einem Jahr. Den beiden verbleibenden, Datasift und NTT Data, wurde nun der Tweet-Hahn zugedreht, wie Twitter Ende vergangener Woche in einem Blogpost mitteilte.

Twitter will nun bis Ende August alle Kunden, die seine Rohdaten für eine kommerzielle Nutzung beziehen, auf eine direkte Kundenbeziehung umstellen. Kommerzielle Nutzung meint hier das Bauen von Produkten, interne Analysen und andere kommerzielle Anwendungen. Für Kunden, die Twitter-Daten derzeit von von Datasift oder NTT Data bekommen, hat Twitter allerlei Informationsmaterial und spezielle Ansprechpartner für die anstehende Umstellung bereitgestellt.

Die „New York Times“ wertet Twitters Ankündigung als Anzeichen dafür, dass die Firma verstärkt Mittelsmänner ausbooten wolle, die Marketern dabei helfen, aus der Flut von Tweets sinnvolle Schlüsse zu ziehen, damit sie ihre Unternehmen intelligenter betreiben können. Twitter gehe ferner davon aus, dass es mit der direkten Vermarktung sehr viel mehr Geld machen könne als bislang – im vergangenen Jahr hatte Twitter mit den Lizenzen für seine Daten und andere Services erst knapp 150 Millionen Dollar erlöst.

Chris Moody, früher Chef von Gnip und jetzt Twitters Vice President for Data Strategy, skizzierte bereits im vergangenen November vor Wall-Street-Analysten eine Zukunft, in der Unternehmen für jede wichtige Entscheidung auch Daten von Twitter berücksichtigen. Twitter will nicht mehr „nur“ die Adobes und Salesforce.coms dieser Welt mit Daten beliefern, sondern in der Wertschöpfungskette nach oben klettern – ein Beweis dafür ist die Kooperation mit der IBM, die Twitter-Daten für branchenspezfische Lösungsangebote bei Kunden nutzt.

Datasift-Chef Nick Halstead findet, dass Twitter einen Fehler mache, wenn es seine Kunden zwinge, die Daten direkt in Lizenz zu nehmen. Datasift bereitetet Daten aus rund 20 verschiedenen sozialen Netzwerken auf und stellt sie in dieser aggregierten Form rund 1000 Kunden zur Verfügung. „Wenn Sie eine dieser Firmen sind, dann wollen Sie doch nicht mit jedem dieser 20 Social Networks einen eigenen Deal auskaspern“, sagte Halstead der „NYT“ am Wochenende. „Für unsere Kunden ist das unbequemer und schädlich, weil sie jetzt mit einem qualitativ schlechteren Produkt arbeiten müssen.“

Letzlich ist Twitters Schritt vor allem eine weitere Warnung an Softwareentwickler, dass eine Partnerfirma von heute morgen schon ein Wettbewerber sein kann. Gerade Twitter hat dies in der Vergangenheit schon mehrfach unter Beweis gestellt, etwa gegenüber Developern von Third-Party-Clients, und sich überdies auch schon in Märkte hineingekauft, in denen es zuvor nicht aktiv war – etwa mit den Übernahmen von MoPub (mobile Werbung) und Periscope (Video-Streaming).

Twitter-Manager Moody hatte noch im Februar gesagt, Twitter habe keine Pläne, in die Datenanalyse einzusteigen und gegen Adobe und Salesforce.com anzutreten. „Uns ist schon klar, dass wir keine Enterprise-Software-Firma sind“, sagte er seinerzeit der „New York Times“. „Wir werden Ihnen die Daten geben.“ Aber Twitter wachse und mit ihm seine Ambitionen, heißt es weiter – und deswegen könne ein Partner von heute morgen schon im Fadenkreuz stehen.

* Thomas Cloer ist leitender Redakteur der Computerwoche.


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