Universität Wien veröffentlicht erstmals Online-Zugang zu photonischer Quantenhardware

"PhotonQ" bietet über ein intuitives Webinterface Zugriff auf Forschungshardware. [...]

Foto: PhotonQ bietet das erste online zugängliche Labor für photonisches Quantencomputing. Im Laufe des Projekts werden die Nutzer*innen Zugang zu verschiedenen Experimenten im Labor erhalten und - wie der Wissenschaftler auf dem Bild - ihre eigenen Experimente auswerten können. (© Tobias Guggemos)

Am Christian Doppler Labor (CDL) für Photonisches Quantencomputing an der Universität Wien machen Wissenschaftler*innen ihre Forschung an photonischen Quantenprozessoren für alle frei zugänglich. Das System „PhotonQ“ bietet über ein intuitives Webinterface (www.photonq.at) Zugriff auf Forschungshardware die für photonisches Quantencomputing verwendet wird.

„Ich bin stolz darauf, dass PhotonQ die erste Online-Quantencomputing-Plattform auf dem europäischen Festland ist, die durch echte photonische Hardware unterstützt wird. Unsere Plattform wurde gebaut, um die Landschaft der Online-Dienste für Quantencomputing in Europa durch eine optische Plattform zu ergänzen, und wir freuen uns auf Innovationen und Anwendungen, die aus dem System hervorgehen werden“, sagt CDL-Projektleiter Prof. Philip Walther von der Universität Wien.

Quantencomputer haben im letzten Jahrzehnt gezeigt, dass sie das Potenzial bergen klassische Computer zu übertreffen. Sie entwickeln sich immer mehr zu einer Schlüsseltechnologie um ressourcenhungrige Anwendungen aus Bereichen wie Logistik, Finanzen, Medizin und Künstlicher Intelligenz zu bearbeiten. Sie sind in der Lage spezifische Probleme zu lösen, welche selbst die leistungsstärksten Supercomputer der Welt nicht bewältigen können.

Europäische Unternehmen, Universitäten und staatliche Einrichtungen zeigen zunehmendes Interesse an Quantenhardware. Die PhotonQ-Plattform zielt vor allem darauf ab, ein breiteres Publikum mit der Forschung an Quantencomputern und photonischer Hardware vertraut zu machen und Erfahrungen aus erster Hand zu vermitteln.

Bis zum Ende des Projekts im Jahr 2027 werden verschiedene Laborexperimente mit einer zunehmenden Anzahl von optischen Qubits sowie unterschiedlichen Designs für spezielle und universelle Anwendungen zur Verfügung gestellt. Dies reicht von Laseraufbauten, die halbleiterbasierte Einzelphotonenquellen pumpen, bis hin zum eigentlichen photonischen Quantenprozessor.

Der Zugang wird zu tatsächlicher Hardware oder Simulationen mit realen Daten aus Experimenten gewährt.

„Universitäten unterscheiden sich von Unternehmen, denn der Schwerpunkt auf qualitativ hochwertiger Forschung benötigt eine gewisse experimentelle Flexibilität. Das steht im direkten Widerspruch zu einem rund um die Uhr verfügbaren Zugang zu spezieller Quantenhardware. Mit PhotonQ bieten wir einen neuen Online-Ansatz für ein ständig wachsendes, interessiertes Publikum, welchem wir Zugang zu echten physikalischen Experimenten mit photonischen Quantencomputern bieten. Im Grunde genommen erhalten die Menschen einen Online-Zugang zu den aktuellsten Forschungsergebnissen“, sagt Dr. Tobias Guggemos, Postdoc am CDL und Dozent für Quantencomputing an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

In einem ersten Schritt bietet die PhotonQ-Plattform eine grafische Benutzeroberfläche, um einen photonischen Quantenprozessor mit 4 Qubits zu simulieren. Dieser wächst mit den aktuellsten experimentellen Laboraufbauten mit. Durch die Einstellung verschiedener Parameter in dieser Weboberfläche können die Benutzer*innen den Quantenschaltkreis bestimmen, den sie ausführen möchten, was die Programmierung auch für Quanten-Neulinge mühelos macht.

„Das ultimative Ziel des Quantencomputers ist nicht die Berechnung von Schaltkreisen, die aus 4 Qubits bestehen, sondern die Überlegenheit zu klassischen Computern bei der Lösung von Problemen von praktischer Relevanz. Unser Schritt ermöglicht es jedoch allen interessierten Nutzer*innen, von Einzelpersonen bis hin zu Unternehmen auf der ganzen Welt, über die PhotonQ-Webschnittstelle kostenlos mit einem photonischen Quantencomputer zu experimentieren“, sagt Felix Zilk, Masterstudent, der am PhotonQ-Projekt arbeitet.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Computern, bei denen die Technologie bereits feststeht, ist der Wettlauf um die am besten geeignete Quantenplattform noch im Gange. In der Vergangenheit wurden verschiedene Technologien wie supraleitende Qubits, Ionenfallen, optische Qubits und Spinsysteme vorgestellt.

Am CDL wurde beschlossen, sich auf die Polarisation von Photonen zu spezialisieren. Im Gegensatz zu einem klassischen Bit, das entweder „0“ oder „1“ ist, kann die Polarisation eines einzelnen Photons in einer linearen Kombination aus horizontal und vertikal erfolgen, was sie zu einem natürlichen Kandidaten für ein Quantenbit macht.

Diese Qubits werden mit optischen Elementen wie beispielsweise polarisierenden Strahlteilern und Wellenplatten manipuliert.

„Unsere Plattform ist einzigartig durch die Art der Photonenquelle, die wir verwenden. Wir planen, mehrere Freiheitsgrade von Einzelphotonen zu nutzen, die von Festkörper-Quantenemittern gesammelt werden, um optische Qubits (discrete variable) zu realisieren. Damit sind wir die erste Online-Plattform der Welt, die eine solche Implementierung anbietet. Aktuell ist die Skalierbarkeit eine zentrale Herausforderung unserer Plattform. Zusätzlich arbeiten wir daran, verschränkte Zustände über Dutzende von Qubits zu ermöglichen“, sagt Dr. Juan Loredo, leitender Wissenschaftler am Christian Doppler Labor.

Über das Christian Doppler Labor

Das an der Universität Wien angesiedelte Christian Doppler Labor für Photonic Quantum Computing beschäftigt sich mit photonischen Plattformen für die Quanteninformationsverarbeitung. Die Forschungsgruppe von Philip Walther leistet Pionierarbeit auf dem Gebiet der photonischen Quanteninformationsverarbeitung.

Zu den Zielen dieses neuen Labors gehören die Erforschung neuartiger Multiphotonen-Verarbeitungsschemata sowie die Entwicklung von optischer Quantencomputertechnologie, einschließlich Software und Anwendungen.


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