„Unternehmen, Organisationen und die öffentliche Verwaltung werden unweigerlich dazu gezwungen, ihr digitales Angebot zu erweitern“

Johann Martin Schachner, CEO von Atos Österreich, lässt im Gespräch mit der COMPUTERWELT das Jahr 2020 Revue passieren, erklärt, was wir aus der Corona-Krise lernen können und skizziert die wichtigsten IT-Trends für das heurige Jahr. [...]

Johann Martin Schachner, CEO von Atos Österreich: "Wir haben 2020 erlebt, dass Vieles, was man vor einem Jahr vielleicht noch als unmöglich abgetan hat, durchaus möglich ist und auch größtenteils gut funktioniert – das Paradebeispiel hierfür ist sicher das Arbeiten im Home Office." (c) Atos

Inwiefern hat die Corona-Krise den Geschäftsverlauf 2020 Ihres Unternehmens beeinflusst?
Die Krise hat den digitalen Wandel aller Lebensbereiche sowie insbesondere der Wirtschaft in einem Tempo beschleunigt, das viele vor einem Jahr wohl noch für undenkbar gehalten hätten. Zu Beginn der Krise hatten wir verständlicherweise eine sehr starke Nachfrage nach unserem Digital-Workplace-Portfolio als praktisch „das ganze Land“ von einem Moment auf den anderen ins Home Office wechseln musste. Dies hat sich weiter in Richtung Remote Working, also das ortsunabhängige Arbeiten generell, entwickelt. Zweitens galt es, trotz Lockdowns und Reisebeschränkungen bereits geplante Projekte umzusetzen. Besonders stolz bin ich daher auf einen globalen SAP-Rollout, den unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vollständig remote umgesetzt haben, sprich ohne Abstimmungen und Testläufe vor Ort. Das ist schon eine sehr große Leistung. Drittens hat etwa ab der zweiten Jahreshälfte die Nachfrage nach Lösungen in den Bereichen KI und Automatisierung an Aufwind gewonnen. Ziel dieser Projekte ist, Routineprozesse und wiederholende Anfragen zu automatisieren und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entlasten, damit sie sich wichtigeren, wertschöpfenden Tätigkeiten widmen können.

Wie wird sich die Corona-Krise Ihrer Meinung nach im kommenden Jahr auf die IT-Branche bzw. auf Unternehmen auswirken?
Grundsätzlich glaube ich, dass die Krise vielen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern die Augen geöffnet hat, und zwar dahingehend, dass digitale Lösungen kein nettes Addon oder Zukunftsprojekt sind, sondern sogar die Voraussetzung, ihr Business auch in herausfordernden Zeiten überhaupt am Laufen halten zu können. Technologie ist zunehmend ein fester Bestandteil aller Produkte und Services sowie gesamter Wertschöpfungsketten. Zudem haben die Bürgerinnen und Bürger die Annehmlichkeiten von Angeboten in Bereichen wie beispielsweise E-Government oder Telemedizin zu schätzen gelernt. Diese werden sie sicher nicht mehr aufgeben wollen – ganz im Gegenteil: Sie werden Unternehmen, Organisationen und die öffentliche Verwaltung unweigerlich dazu zwingen, ihr digitales Angebot zu erweitern. Ähnliches gilt für den Bereich Remote Working, auch hier ist ein Zurück zur alten Normalität kaum denkbar und schon gar nicht zu rechtfertigen. Da dies aber weit mehr als die bloße Ausstattung mit Notebooks und VPN-Zugängen bedeutet, wird die Nachfrage in diesem Sektor auch im kommenden Jahr nicht abreißen.

Und schließlich kommen noch jene Kunden hinzu, die bereits vor der Krise einen hohen Reifegrad an Digitalisierung aufgewiesen haben. Ich stelle fest, dass gerade diese Unternehmen ihre Innovations-Initiativen jetzt erst recht, beschleunigt umsetzen wollen, um sich Wettbewerbsvorteile zu sichern. Der Branche dürfte demnach ein sehr dynamisches Jahr bevorstehen.

„Wir haben 2020 gesehen, in welchen Bereichen noch Nachholbedarf besteht. Dazu gehören der flächendeckende Breitband- und 5G-Ausbau, die Anpassung von Unterstützungsmöglichkeiten im Rahmen der Kinderbetreuung sowie die Adaptierung des gesetzlichen und versicherungstechnischen Rahmens, um flexibles Arbeiten zu ermöglichen.“

Johann Martin Schachner, CEO von Atos Österreich

Welche Lehren lassen sich aus dem Jahr 2020 im Allgemeinen und aus der Corona-Krise im Speziellen für die Zukunft mitnehmen?
Zum einen haben wir 2020 erlebt, dass vieles, was man vor einem Jahr vielleicht noch als unmöglich abgetan hat, durchaus möglich ist und auch größtenteils gut funktioniert – das Paradebeispiel hierfür ist sicher das Arbeiten im Home Office, das für einige Betriebe Neuland war. Zum anderen haben wir auch festgestellt, welche Dinge wirklich wichtig sind und welche weniger. Damit meine ich etwa häufige Dienstreisen: Virtuelle Meetings und Veranstaltungen sind in kurzer Zeit immer professioneller geworden und die Menschen haben sich bemerkenswert schnell daran gewöhnt. Was freilich nicht bedeutet, dass wir nach der Pandemie zur Gänze darauf verzichten werden, uns allen fehlt der persönliche Kontakt und das Gespräch in lockerer Atmosphäre. Allerdings werden wir die Anzahl an Dienstreisen deutlich reduzieren. Nicht zuletzt auch, um unsere CO2-Footprint zu reduzieren.

Auf der anderen Seite haben wir aber auch gesehen, in welchen Bereichen noch Nachholbedarf besteht. Dazu gehören der flächendeckende Breitband- und 5G-Ausbau, auch in ländlichen Regionen, mehr Unterstützung bei der Aus- und Weiterbildung von Führungskräften, die Anpassung von Unterstützungsmöglichkeiten im Rahmen der Kinderbetreuung wie beispielweise für die Inanspruchnahme von Tagesmüttern, sowie die Adaptierung des gesetzlichen und versicherungstechnischen Rahmens, um flexibles Arbeiten zu ermöglichen. Die Lebensrealität der Menschen hat sich, nicht erst seit Corona, längst geändert und erfordert daher arbeitsrechtliche Anpassungen und den Abbau bürokratischer Barrieren.

Wie gehen Sie persönlich bzw. im Job mit Lockdown, Home-Office, Home Schooling und Social Distancing um? Mit welchen Strategien und Verhaltensweisen sorgen Sie für Ausgleich?
Auch als Führungskraft ist es wichtig, sich Freiräume zum Abschalten zu schaffen und auf sich zu achten – das war schon vor der Pandemie so. Aber gerade während der Lockdowns beziehungsweise Phasen, in denen ausschließlich von zu Hause gearbeitet wird, ist eine klare Abgrenzung zwischen Beruf und Privatem das A und O, um eine Überlastung bis hin zum Burnout zu vermeiden. Damit meine ich nicht, pünktlich den Stift fallenzulassen, aber wir haben dieses Jahr gelernt, besser zwischen wichtigen Dingen und jenen, die nicht sofort bearbeitet werden müssen, zu unterscheiden – Stichwort: Prioritäten setzen. Wer das beherrscht, dem fällt es auch leichter, nicht ständig in sein E-Mail-Postfach zu schauen und loslassen zu können. Zudem sollte man sich, auch als Führungskraft, selbst nicht zu ernst nehmen und ganz im Sinne des Vertrauensprinzips akzeptieren, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht unentwegt kontrolliert werden müssen, um einen guten Job zu machen.

„Man sollte sich, auch als Führungskraft, selbst nicht zu ernst nehmen und ganz im Sinne des Vertrauensprinzips akzeptieren, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht unentwegt kontrolliert werden müssen, um einen guten Job zu machen.“

Johann Martin Schachner, CEO von Atos Österreich

Was waren Ihre beruflichen bzw. persönlichen Highlights im Jahr 2020?
Obwohl Remote Working bereits seit Jahren ein fester Bestandteil unseres Arbeitsalltags ist, bin ich froh darüber, dass es uns gelungen ist, alle 1.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in kurzer Zeit auf Home Office umzustellen und unser Geschäft ohne große Schwierigkeiten fortführen zu können. Zudem konnten wir für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Lösungen für ihre individuellen Bedürfnisse finden – sei es in punkto Ausstattung mit zusätzlich erforderlichem Equipment, der flexiblen Einteilung von Arbeitszeiten oder der Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen. Dank unseres starken Zusammenhalts und der Einsatzbereitschaft aller Kolleginnen und Kollegen sind wir gemeinsam gut durch dieses schwierige Jahr gekommen.

Zu den weiteren Highlights zählen der globale SAP-Rollout, der vollständig remote umgesetzt werden konnte, sowie die Errichtung unseres Virtual Business Technology & Innovation Centers in der Wiener Seestadt, von wo aus virtuelle Veranstaltungen und Workshops für unsere Kunden abgehalten werden.

Besonders stolz machen mich aber die Auszeichnung als „TOP-Lehrbetrieb“ der Wirtschaftskammer Wien, jene als „Bester Arbeitsgeber Österreichs“, mit dem die Atos-Gruppe heuer erneut doppelt prämiert wurde, sowie der dritte Platz beim Ranking „Bestes Employer Branding zu Vereinbarkeit in Corona-Zeiten“, einem Sonderpreis zum „Staatspreis Familie und Beruf“.

Welche Themen sollten Ihrer Meinung nach im kommenden Jahr auf der Agenda von IT-Managern ganz oben stehen und warum bzw. welche IT-Themen werden 2021 eine besonders wichtige Rolle spielen?
Die Klimakrise, die aufgrund der Pandemie ein wenig in den Hintergrund geraten ist, rückt 2021 wieder ganz oben auf die Agenda. Aktuelle Förder- und Konjunkturprogramme der EU sowie des Bundes sprechen dahingehend eine eindeutige Sprache: Klimafreundliche Investitionen werden bevorzugt. Zudem wenden sich Konsumentinnen und Konsumenten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartner zusehends von Unternehmen ab, die umweltschädlich agieren. Die gute Nachricht: Mit Hilfe digitaler Technologien, die ebenso im Rahmen dieser Programme verstärkt gefördert werden, kann es gelingen, Wirtschaftlichkeit und Ökologie zu vereinbaren – ob durch die Entwicklung CO2-reduzierter Lösungen und Produkte, die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft oder die Nutzung energieeffizienter Rechenzentren. Erfahrungen, die wir bei der Dekarbonisierung unseres eigenen Business machen, geben wir an unsere Kunden weiter, um ihnen geschäftlichen Mehrwert zu bieten. Denn: Unternehmen, die auf Ökologisierung und Digitalisierung setzen, sind wirtschaftlich erfolgreicher.

Ganz besonders wichtig sind zudem die Bereiche IT-Security und Hybrid Cloud, um flexibles Arbeiten auf einem stabilen Fundament etablieren zu können.

Dieser Artikel ist Teil einer Interviewserie, für den die COMPUTERWELT rund 50 Top-Manager aus der IT-Branche befragt hat.


Mehr Artikel

News

Große Sprachmodelle und Data Security: Sicherheitsfragen rund um LLMs

Bei der Entwicklung von Strategien zur Verbesserung der Datensicherheit in KI-Workloads ist es entscheidend, die Perspektive zu ändern und KI als eine Person zu betrachten, die anfällig für Social-Engineering-Angriffe ist. Diese Analogie kann Unternehmen helfen, die Schwachstellen und Bedrohungen, denen KI-Systeme ausgesetzt sind, besser zu verstehen und robustere Sicherheitsmaßnahmen zu entwickeln. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*