Seit 1. Jänner 2010 gilt in allen europäischen Staaten die EU Dienstleistungsrichtlinie (2006/123/EG). Diese soll u.a. sicherstellen, dass Konsumenten beim Einkauf in anderen EU-Mitgliedsstaaten nicht aufgrund von Nationalität oder Wohnsitz diskriminiert werden. Die Wirklichkeit sieht leider anders aus, wie ein Bericht zeigt. [...]
Passend zur vorweihnachtlichen Einkaufszeit zeigt ein Bericht des Netzwerks der Europäischen Verbraucherzentren (ECC Net), dass trotz des eingangs erwähnten EU-Diskriminierungsverbotes weiterhin Geschäftspraktiken wie beispielweise Geoblocking genutzt werden, um Konsumenten beim Onlineshopping zu behindern und ihnen den Zugang zu Dienstleistungen im Binnenmarkt zu erschweren.
Im Untersuchungszeitraum von Jänner 2013 bis Dezember 2015 hat das Netzwerk 532 Beschwerden bezüglich des entsprechenden Artikel 20.2 der Dienstleistungsrichtlinie erhalten. Damit sind die Beschwerden von Konsumenten wegen Diskriminierungen beim grenzüberschreitenden Einkauf um 140 Prozent angestiegen. Der überwiegende Teil davon wurde von Konsumenten aus Österreich (138 Beschwerden) eingebracht, gefolgt von Italien (68) und Irland (66).
Demnach sind Konsumenten regelmäßig damit konfrontiert, dass ihnen wegen ihres Wohnsitzes oder ihrer Nationalität die Lieferung verweigert wird oder sie höhere Preise zahlen müssen. Die Ergebnisse des Berichts zeigen, dass manche Händler künstliche Barrieren erzeugen und ihre Gründe dafür oft ungerechtfertigt sind. Einige Ergebnisse des Berichts:
- In mehr als 82 Prozent der Fälle wurden Konsumenten aufgrund ihres Wohnsitzes, nicht ihrer Nationalität, diskriminiert. Meist ging es um Onlinetransaktionen.
- In fast 68 Prozent der Fälle beschwerten sich Konsumenten über Ungleichbehandlungen bei Preisen oder Dienstleistungen – meist beim Kauf von elektronischen Waren, Haushaltsgeräte, Fahrzeuge, Kleidung, Büchern, Musik oder Datendownloads.
- Nahezu 25 Prozent der Beschwerden betrafen Dienstleistungen im Tourismus- und Freizeitbereich, inklusive solcher von Reisebüros, Unterkünften und Freizeitparks.
- Bei über 5 Prozent ging es um Mietwagenfirmen.
Das ECC-Net fordert mehr rechtliche Klarheit darüber, unter welchen Umständen Händler gewisse Dienstleistungen verweigern dürfen. Die Rechtsdurchsetzung bei Verstößen gegen die Vorgaben müsse ebenfalls verbessert werden.
„Die Dienstleistungsrichtlinie war ein wichtiger Schritt hin zu einem funktionierenden Binnenmarkt. Dennoch zeigen die Beschwerden, die wir erhalten, dass Diskriminierung aufgrund des Wohnsitzes oder der Staatsangehörigkeit nicht effektiv bekämpft und keine eindeutige Rechtssicherheit geschaffen wurde“, sagt Reinhold Schranz, Jurist des Europäischen Verbraucherzentrum Österreich (EVZ). „Konsumenten sind mit zu vielen Hindernissen konfrontiert und die Händler können oft keine nachvollziehbaren Gründe dafür anführen.“ Doch die EU-Kommission habe den weiteren Handlungsbedarf bereits erkannt, so Schranz, eine Initiative in diese Richtung sei die vorgeschlagene Geoblocking-Verordnung.
Der Bericht „Beschränken unsichtbare Grenzen weiterhin den Zugang von Konsumenten zu Dienstleistungen in der EU?“ ist das Ergebnis einer gemeinsamen Untersuchung der Arbeit des ECC-Net zur Dienstleistungsrichtlinie. Das Projekt wurde unter der Leitung des EVZ Irland von den Zentren aus Österreich, den Niederlanden, Norwegen, Schweden und Großbritannien durchgeführt.
Beratung bei grenzüberschreitenden Verbraucherfragen
Das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) Österreich ist Teil des Netzwerks der Europäischen Verbraucherzentren (ECC Net) und wird von der Europäischen Kommission gefördert. In Österreich wird die Verbraucherberatungsstelle vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) betreut. Das EVZ bietet kostenlose Informationen und Beratung für Konsumenten bei grenzüberschreitenden Verbraucherfragen.
Der vollständige Bericht des ECC-Net „Do Invisible Borders Still Restrict Consumer Access to Services in the EU?“ kann unter www.europakonsument.at heruntergeladen werden.
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