UPDATE – Filesharing: Kanzleien machen Jagd auf Flüchtlinge

Immer mehr auf Abmahnungen spezialisierte Rechtsanwaltskanzleien in Deutschland nehmen verstärkt Flüchtlinge wegen illegalen Filesharings ins Visier - und bringen damit auch viele hilfsbereite Anschlussinhaber in Schwierigkeiten. UPDATE: Die Kanzlei Waldorf-Frommer hat eine Pressemitteilung veröffentlicht und stellt einige Punkte klar. [...]

Wie das Fachmagazin „c’t“ berichtet, ist der Hintergrund vor allem die in der Bundesrepublik geltende „Störerhaftung“ – eine juristische Besonderheit, die Neubürger nicht kennen dürften. Danach können Betreiber eines WLAN-Netzes für Rechtsverstöße zur Verantwortung gezogen werden, die sie nicht persönlich begangen haben.

Viele Flüchtlinge sind sich des Problems in Deutschland nicht bewusst. Denn in ihrer einstigen Heimat konnten sie oftmals urheberrechtlich geschütztes Material frei downloaden, ohne dabei eine strafrechtliche Verfolgung fürchten zu müssen. In Deutschland gestaltet sich dies aber grundlegend anders – wie auch die jüngste Abmahnwelle wegen Streamings von Videos auf der Pornoseite „Redtube“ gezeigt hat. In dem Bericht wird von dem Syrer Mohamad S. berichtet.

S. reiste im August 2015 als Flüchtling in die Bundesrepublik ein und bekam durch einen hilfsbereiten Nachbarn Zugang zu dessen WLAN-Netz. Nachdem sich der Syrer den Streifen „Margos Spuren“ via Bittorrent heruntergeladen hatte, flatterte dem Anschlussinhaber als „Mitstörer“ ein Abmahnschreiben über 815 Euro ins Haus. 600 Euro allein als Schadensersatz für den Rechteinhaber. Obwohl dies kein Einzelfall ist, zeigen sich Anwälte vermehrt kulant.

Das im Fall S. beauftragte Büro Waldorf-Frommer gibt an, vorher nicht zu wissen, wen eine Abmahnung treffe. In Härtefällen seien allerdings Milderungen, Teilzahlungen oder ein Erlass der Forderungen denkbar. Ein Grund dürfte sein, dass Schutzsuchende in der Regel nicht über die finanziellen Möglichkeiten verfügen, die Forderungen überhaupt begleichen zu können. Die Experten raten deshalb, Bittorrent oder darauf basierende Streaming-Dienste wie Popcorn Time zu meiden. Denn dort wird der User nicht nur zum Down-, sondern auch Uploader. (pte)

UPDATE: Die Kanzlei Waldorf-Frommer hat sich mit der Bitte an uns gewandt, den Beitrag kommentieren und in einigen Punkten richtigstellen zu dürfen. Außerdem wurde eine Pressemitteilung zu diesem Thema veröffentlicht. Wir fassen hier die wichtigsten Punkte zusammen, die komplette Mitteilung finden Sie hier.

Das Vorgehen gegen Rechtsverletzungen im Internet konzentriere sich keineswegs gezielt auf Flüchtlinge, so die Kanzlei. Derartige Mutmaßungen oder gar Behauptungen seien „schlicht falsch“.

Ein Geschädigter wisse nicht, mit wem er es zu tun hat. Die persönlichen Hintergründe eines Abgemahnten, insbesondere auch dessen Herkunft, seien deen Mandanten zunächst völlig unbekannt. Zudem ließen sich Rechtsverletzungen, die über das Internet begangen werden, in aller Regel nur bis zur „Haustür“, also dem genutzten Internetanschluss, verfolgen. Die Ansprüche seien daher zunächst an die Person zu richten, auf die der Internetanschluss registriert ist. Diese Personen seien nicht auf bestimmte Bevölkerungsgruppen, etwa Flüchtlinge, zurückführen, sondern aus allen Berufsgruppen und Schichten.

„Wir und die von uns vertretenen Mandanten versuchen in jedem Fall – und nicht nur in Ausnahmefällen, wie es in manchen Artikeln fälschlich dargestellt wurde – auf die persönlichen Lebensumstände angemessen Rücksicht zu nehmen.  Die Lösung findet sich in jedem Einzelfall auf Basis der geschilderten und belegten Situation. Das kann von einem erheblichen Nachlass bis hin zum Totalerlass einer Forderung gehen“, schreibt die Kanzlei weiter.

Für die Annahme, ein Vorgehen „gegen Flüchtlinge“ habe stark zugenommen, fejlen der Kanzlei zufolge entsprechende Anhaltspunkte. „Wir können einen solchen Anstieg jedenfalls nicht feststellen. Unabhängig davon gilt auch in diesen Konstellationen, dass wir in aller Regel verträgliche und sinnvolle Lösungen finden“, so die Kanzlei, und abschließend: „Voraussetzung ist natürlich, dass man mit uns spricht, persönlich oder durch einen Rechtsbeistand. Wer auf uns zugeht, dem reichen wir gerne die Hand.“


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