Die Diskussion über eine für 2013 geplante Novelle des österreichischen Urheberrechts gewinnt Dynamik. Gestern, Dienstag, wurde im Justizministerium eine achtstündige Veranstaltung über die breite Materie abgehalten, bei der rund hundert Experten aus Ministerien und Interessensvertretungen ausgehend von einem Arbeitspapier des Ministeriums über die Inhalte der geplanten Modernisierung debattierten. [...]
„Es gibt noch keinen Entwurf“, betonte ein Ministeriumssprecher gegenüber der APA. „Und es ist überhaupt nicht gesagt, was am Ende drinnen steht.“ Eines steht jedoch fest: „Der Plan ist, die Novelle noch in dieser Legislaturperiode zu beschließen.“ Bis dahin dürfte es noch viele Diskussionen geben. Eine gab es gestern Abend als Gegenveranstaltung im Wiener „Depot – Raum für Kunst und Diskussion“, bei der Vertreter zivilgesellschaftlicher Initiativen sowie diverser Parteien Argumente gesammelt haben, die ihrer Ansicht nach bei der offiziellen Diskussion zur Neugestaltung des Urheberrechts zu kurz kämen.
Am 18. Dezember sollen die gestern vom Justizministerium nicht eingeladenen Vertreter eine Möglichkeit bekommen, ihre Standpunkte zu deponieren. „Für uns war immer das Ziel, eine möglichst breite Beteiligung aller Gruppen sicherzustellen“, betonte der Ministeriumssprecher. An eine Verwendung der Vorratsdatenspeicherung für die Verfolgung von Rechteverletzern sei im übrigen keinesfalls gedacht, dementierte er anderslautende Gerüchte.
Für Gerhard Ruiss, der als Vertreter der Initiative „Kunst hat Recht“ an der gestrigen Ministeriums-Arbeitsgruppensitzung teilgenommen hat, ist bereits das in Diskussion stehende Arbeitspapier „ein großer Wurf“: „Wenn das auch wirklich alles den Weg in die Gesetzesvorlage findet, sind wir einen großen Schritt weiter“, so Ruiss zur APA. In mehreren Punkten wie der Schutzdauerrichtlinie und der Richtlinie über verwaiste Werke werde EU-Recht übernommen, und auch die angestrebte Aufhebung der vom Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits beeinspruchten Cessio legis, die Verwertungsrechte eines Films alleine den Produzenten zuspricht, sei in der Novelle grundsätzlich enthalten, werde jedoch im Detail noch weiter verhandelt.
Eine Einigung auf eine Festplattenabgabe, mit der das pauschal abgegoltene Recht auf Privatkopie ins Computerzeitalter über- und die mit 1. Jänner 2013 in Schweden und den Niederlanden eingeführt wird, wird immer wahrscheinlicher. Die Arbeiterkammer (AK) kritisiert zwar, die geplante Festplattenabgabe „müssten die KonsumentInnen zahlen. Gleichzeitig soll eingeschränkt werden, was als legale Privatkopie zählt“, doch es sei „unbestritten, dass es eine angemessene Entlohnung für KünstlerInnen geben soll“, so AK-Expertin Silvia Angelo in einer Aussendung. Strittig dürfte also nur noch die detaillierte Umsetzung sein.
LEISTUNGSSCHUTZRECHT
Das „Urheberregister“ soll aufgelassen werden, dagegen wird der Urheberrechtssenat als Schlichtungsstelle wieder eingeführt. Die freie Werknutzung soll den Umgang mit literarischen Texten im Unterricht und bei Prüfungen verbessern, ebenso sind Verbesserungen im Zitatrecht geplant. Im Urhebervertragsrecht ortete Ruiss nur „Verbesserungen, aber keine großen Schritte“, das Leistungsschutzrecht für Presseverleger habe zwar für erregte Debatten etwa mit dem anwesenden Google-Vertreter gesorgt, sei aber „noch nicht ausformuliert“.
Als „vermutlich eine der meistdiskutierten Fragen der nächsten Monate“ sieht Ruiss den Versuch, die Grundrechte auf Kunst, Eigentum und Datenschutz zu verbinden und den systematischen Upload von urheberrechtlich geschützten Werken zu unterbinden, ohne sofort auf das Strafrecht zurückzugreifen. Den Vertretern der Rechteinhaber soll ein Auskunftsrecht gegenüber den Providern eingeräumt werden.
Dabei soll auf Zugangsdaten zurückgegriffen werden, die von Providern zu Verrechnungszwecken gespeichert werden. Die konkrete Umsetzung samt Richtervorbehalt, sowie der im Arbeitspapier mit 100 Euro „gedeckelte“ Kostenersatzanspruch für anwaltliche Unterlassungsaufforderungen gegen mutmaßliche Rechteverletzer dürfte noch heiß diskutiert werden.
„Konsumenten werden im Urheberrechtsdschungel weiterhin weitgehend alleine gelassen, weil kaum jemand genau weiß, was erlaubt ist und was nicht“, kritisiert AK-Expertin Angelo den bisherigen Stand der Debatte. Markus Stoff von der „Initiative für Netzfreiheit“ fasste – laut Aussendung der „Plattform Urheberrechtsdialog“ – sein Unbehagen über die bisher bekannt gewordenen Vorschläge bei der gestrigen abendlichen Podiumsdiskussion so zusammen: „Wir dürfen mehr dafür bezahlen, damit wir leichter und öfter kriminalisiert werden.“ Und der Grüne Kultursprecher Wolfgang Zinggl kündigte an, seine Partei werde keinem Gesetz zustimmen, „das eine Durchsetzung von Urheberrechten über Bespitzelung, den Kauf von Persönlichkeitsdaten oder ähnliche Eingriffe in Privatsphäre und bürgerliche Freiheiten“ ermögliche: „Wir lehnen jede österreichische Variante von ACTA genauso kategorisch ab, wie wir dieses internationale Handelsabkommen selbst abgelehnt haben.“ (apa)
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