In seinem Wikipedia-Eintrag ist der ehemalige NSA-Mitarbeiter und Whistleblower Edward Snowden kurzerhand vom "Dissident" zum "Verräter" gemacht worden. Das pikante Detail daran ist, dass die Änderung des Eintrags seinen Ursprung im US-Senat hatte. [...]
Wie die Website „The Daily Dot“ berichtet, ist die Plattform „Wikipediocracy“ auf diesen Eingriff aufmerksam geworden und hat die IP-Adresse des vermeintlichen Korrekturschreibers weitestgehend verfolgt. Die Spur führte in den Senat in Washington. Politische Inhalte seien auf Wikipedia generell ein sehr schwieriges Thema, gibt Unternehmensberater Klaus Eck im Gespräch mit der Nachrichtenagentur pressetext zu bedenken. „Ich halte es für wenig sinnvoll und nicht empfehlenswert, Einträge selbst zu ändern oder dieses in Auftrag zu geben – insbesondere dann, wenn sie oft aktualisiert und stark beobachtet werden“, so Eck.
Wer genau die Änderungen im Kapitol vorgenommen hat, ist nicht klar. Fest steht allerdings – so berichtet The Daily Dot – , dass diese Person in den vergangenen Monaten einige Einträge in der Online-Enzyklopädie bearbeitet hat. Dazu zählen grammatikalische Verbesserungen im Eintrag des Romans „Five People You Meet in Heaven“ und eine Korrektur eines Tippfehlers im Wort „conspirecy“ (zu deutsch: „Verschwörung“) im Artikel über den CEO der Washington Post, Donald Graham. Auch den Eintrag einer Bar in San Francisco hat er oder sie bearbeitet.
Bei der Änderung von Snowdens Eintrag handelt es sich um seine oder ihre erste politisch motivierte Intervention bei Wikipedia. Die Online-Enzyklopädie fußt auf dem Prinzip des kollaborativen Schreibens und der gegenseitigen Kontrolle. Die Änderung hin zum „Verräter“ wurde deshalb bereits nach wenigen Minuten vom User „Ginsuloft“ rückgängig gemacht – mit dem Hinweis, dass sie wenig neutral sei. In der Tat haben in der Vergangenheit bereits des Öfteren Mitglieder des Kongresses bzw. Personen aus dessen Umfeld Wikipedia-Einträge zu ihren Gunsten oder zu Ungunsten anderer geändert. Zu diesem Umstand selbst gibt es sogar einen eigenen Artikel in dem Online-Lexikon. Für Unternehmensberater Eck sollte man vielmehr darauf setzen Gutes zu tun, und dadurch Befürworter zu finden, die dann womöglich Einträge im eigenen Interesse verfassen.
Inzwischen hat der Whistleblower den Transitbereich des Moskauer Flughafens nach einem mehrwöchigen Aufenthalt verlassen und ist in der russischen Metropole untergetaucht. Snowden hat das weltweite Überwachungsprogramm PRISM des US-Geheimdienstes, das Ausspäh-Projekt Tempora der britischen Regierung und die Involvierung des deutschen BND aufgedeckt. Während sich die Hinweise verdichten, dass er längerfristig in Russland bleiben könnte, startet der ebenfalls von den US-Behörden verfolgte WikiLeaks-Gründer Julian Assange seinen Wahlkampf für einen Sitz im Senat – naturgemäß nicht für jenen in Washington, sondern in Australien. (pte)
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