Die USA haben die Auslieferung des 24-jährigen britischen Studenten Richard O'Dwyer beantragt, wie die New York Times berichtet. Der Student soll sich vor einem Strafgericht verantworten, weil er die Internetseite TVShack betrieben hat, auf der Links zu urheberrechtlich geschützten US-Filmen und Serien angeboten wurden. [...]
In den USA drohen dem jungen Mann bis zu zehn Jahre Haft. Die Verfolgung eines Mittelsmannes, der selbst keine verbotenen Inhalte anbietet, war bisher auch in den USA nicht üblich. Das britische Innenministerium hat dem Auslieferungsantrag zugestimmt, es wurde aber Berufung eingelegt. Eine Entscheidung wird für Herbst 2012 erwartet. „Eine Auslieferung wäre in Deutschland undenkbar. Das in Aussicht gestellte Strafmaß ist außerdem absurd. Meiner Ansicht nach ist das menschenrechtswidrig“, sagt Till Kreutzer, Leiter des Recht-Ressorts bei iRights, gegenüber der Nachrichtenagentur pressetext.
O’Dwyer hat 2008 die Domain TVShack.net in den USA registriert, wodurch die Plattform in den Zuständigkeitsberiech der US-Justiz fällt. Die Seite wurde 2010 geschlossen, tauchte später unter der Domain TVShack.cc aber nochmals auf, um einer erneuten Schließung durch die US-Behörden zu entgehen. Die Staatsanwaltschaft in Washington wirft dem britischen Studenten vor, in den zwei Jahren unter der .net-Domain 230.000 US-Dollar mit Werbeeinschaltungen verdient zu haben.
„Ein Auslieferungsverfahren ist ein Schuss auf Spatzen mit einer Kanone. Da die Menschen, die geschützte Inhalte hochladen, kaum zu erwischen sind, werden jetzt die Mittelsmänner belangt. Dass die rechtliche Situation weltweit so unklar ist, ist ein großer Nachteil. Beim systematischen Angebot von Links zu geschützten Inhalten stellt sich die Frage, ob das zu rechtfertigen ist.Es muss dringend ein Ausgleich gefunden werden, leider passiert aber schon seit Jahren nichts in dieser Frage“, so Kreutzer.
Im Internet wogt derzeit eine heftige Debatte über den Fall des jungen Studenten. Wikipedia-Gründer Jimmy Wales hat mit einer Petition für O’Dwyer in zwei Wochen 225.000 Unterschriften aus der ganzen Welt gesammelt. In den USA argumentieren Verteidiger des Briten, dass die Verfolgung von Link-Anbietern einen Einschnitt in die freie Meinungsäußerung ist. TVShack biete nichts, was eine Suchmaschine nicht auch liefere, so der Tenor. Eine Verurteilung würde laut dieser Argumentation bedeuten, dass eine Person für die Handlungen einer anderen belangt werden kann.
Die Anklage vertritt die Meinung, dass O’Dwyer sehr genau gewusst habe, dass er ein Tor zu illegalen Angeboten biete, was durch die Eigenwerbung für „kostensparenden Filmkonsum“ bestätigt werde. Der Prozess ist der jüngste Schritt in einer Verschärfung der Gangart der USA gegen Urheberrechtsverletzungen. Wo früher Zivilprozesse geführt wurden, werden heute Strafverfahren angestrebt. Die Rechtssprechung ist in Bezug auf die Anbieter von bloßen Links derzeit weltweit unausgereift.
„In Deutschland ist die rechtliche Lage momentan komplex. Grundsätzlich werden Links zu Inhalten als neue Zugangsmöglichkeit betrachtet, stellen also keine Urheberrechtsverletzung dar und sind nicht strafbar. Zivilrechtliche Haftung ist aber nicht ausgeschlossen, wenn ein kausaler Beitrag zur Urheberrechtsverletzung vorliegt, das nennt sich Störhaftung. Allerdings ist diese Haftung nicht mittelbar, Schadenersatz kann nicht gefordert werden“, so Kreutzer.
Ein Link müsse laut dem Experten aber nach Aufforderung entfernt werden. „Ob die Anwaltskosten für diese Aufforderung übernommen werden müssen, ist noch unklar, die Gerichte tendieren aber zu einer freien ersten Mahnung. Portale, die ausschließlich zu illegalen Inhalten verlinken und dies auch noch bewerben, können unter Umständen voll haftbar gemacht werden, weil sie sich die Inhalte mit zueigen machen . Die Entscheidung hängt derzeit aber stark vom Einzelfall und dem jeweiligen Gericht ab“, erklärt Kreutzer.
Österreich hat als eines von ganz wenigen Ländern eine klare gesetzliche Regelung zur Link-Haftung. Laut E-Commerce Gesetz sind Bürger für Links nicht verantwortlich, solange sie sich nicht über illegale Inhalte oder entstehende Rechtsansprüche im Klaren sind und wenn sie Einträge nach einer Aufforderung unverzüglich löschen. (pte)
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