Verbraucherschützer warnen vor Routerzwang

Ob Verbraucher zukünftig selbst entscheiden können, welches Endgerät sie am Internetanschluss verwenden können, hängt von den Vorgaben im neuen Telekommunikationsgesetz ab. Dieses wird voraussichtlich noch vor dem Sommer im Nationalrat behandelt und verabschiedet. Verbraucherschützer wie epicenter.works warnen vor weitreichenden Folgen für alle Internetnutzer. [...]

Verbraucherschützer und Vereine fordern die österreichische Regierung deshalb auf, die sogenannte Routerfreiheit als Standard in der neuen Gesetzesnovelle festzuschreiben. (c) mikkelwilliam-iStock

Um den Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation in nationales Recht umzusetzen, reformiert Österreich sein Telekommunikationsgesetz. Die konkreten Formulierungen in dem neuen Gesetz werden entscheidend dazu beitragen, ob Verbraucher zukünftig selbst darüber entscheiden können, welches Modem und welchen Router sie an ihrem Internetanschluss verwenden – oder ob sie auf die Geräte ihres Internetproviders eingeschränkt sind.

In anderen Ländern wie Deutschland und Italien wurde die freie Routerwahl bereits vor Jahren (wieder) hergestellt. Hier ist in den entsprechenden Regulierungen klar definiert, dass das Netzwerk der Internetprovider an der Dose an der Wand endet und nicht erst hinter dem Modem. Dieses ist häufig bereits Teil des Routers, wie ihn Millionen von Internetnutzern in Österreich verwenden. Würde das Gesetz den Providern die Möglichkeit geben, das Modem als Teil ihres Netzwerks zu definieren, hätte dies weitreichende Konsequenzen für den Schutz persönlicher sowie sensibler Daten aller Verbraucher. Zudem müssten viele Internetnutzer Endgeräte nutzen, die nicht ihren tatsächlichen Bedürfnissen entsprechen.

„Datenschutz darf nicht zugunsten der Geschäftspraktiken der ISPs aufgegeben werden“

Verbraucherschützer und Vereine wie epicenter.works und FSFE (Free Software Foundation Europe) fordern die österreichische Regierung deshalb auf, die sogenannte Routerfreiheit als Standard in der neuen Gesetzesnovelle festzuschreiben. „Die IT-Sicherheit, die Privatsphäre und der Datenschutz der Verbraucher dürfen nicht zugunsten der Geschäftspraktiken der ISPs aufgegeben werden“, heißt es seitens des in Wien ansässigen Vereins epicenter.works. Die Routerfreiheit müsse im Reformtext verankert werden. „Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass alle einen Router und ein Modem ihrer Wahl für ihren Internetanschluss frei wählen und nutzen können, so wie man es auch mit Smartphones und anderen Geräten kennt und macht“, betont der Verein, der aus dem Arbeitskreis Vorratsdaten Österreich (AKVorrat) hervorgegangen ist. Vor sieben Jahren bewirkte der Verein bereits die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung. Die Klage vor den höchsten Gerichten in Europa (EuGH) und Österreich (VfGH) führte zur Aufhebung von anlassloser Massenüberwachung. Seitdem tritt die Organisation für das Grundrecht auf Privatsphäre und gegen überbordende Überwachung ein.

Bereits vor drei Monaten machte epicenter.works darauf aufmerksam, dass gemäß dem Entwurf des neuen österreichischen Telekommunikationsgesetzes die Entscheidung über die Routerfreiheit vollständig an die nationale Regulierungsbehörde RTR delegiert wird, anstatt dieses Recht im Gesetzestext grundsätzlich festzuschreiben. Im Extremfall könnte das laut der Verbraucherschützer zu Regeln führen, die das Recht von Internetnutzern, ihre eigenen Geräte zu nutzen, komplett blockieren könnten. 

„Österreich hat mit dieser Reform die einmalige Chance, die Rechte der Verbraucher zu stärken, indem es die Routerfreiheit auf gesetzlicher Ebene garantiert und so einen offenen Markt fördert“, hebt epicenter.works die Möglichkeit für die Verantwortlichen hervor, eine positive Wende herbeizuführen.

Umfrage: Mehrheit aller Verbraucher in Österreich wünscht sich Routerfreiheit

Wie eine aktuelle Umfrage zeigt, möchte eine klare Mehrheit aller Verbraucher selbst entscheiden können, welchen Router sie am Internetanschluss nutzt. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage hervor, deren Ergebnisse der VTKE (Verbund der Telekommunikations-Endgerätehersteller) Anfang Mai veröffentlicht hat. Nahezu zwei von drei Verbrauchern in Österreich (62%) wäre es demnach wichtig oder sogar sehr wichtig, dass ihr Internetprovider bzw. Netzanbieter ihnen kein Gerät mehr verbindlich vorschreiben kann. Die Anbieter sollten ihrer Meinung nach dazu verpflichtet sein, die dafür notwendigen Internetzugangsdaten bereitzustellen. Lediglich für 12 Prozent wäre die Wahlfreiheit beim Endgerät „eher unwichtig“ bzw. „ganz unwichtig“. Mehr als ein Drittel aller Verbraucher (34 Prozent) würde die freie Endgerätewahl sogar umgehend nutzen und einen eigenen Router einsetzen.  

Routerzwang gefährdet Privatsphäre und Sicherheit von Verbrauchern

Epicenter.works bezeichnet Router und Modems als „Torwächter“ für die meisten Online-Aktivitäten. „Verbraucher müssen in der Lage sein, ein Gerät zu wählen, das ihnen die Nutzung von Sicherheits- und Datenschutzeinstellungen ermöglicht, die ihren Anforderungen entsprechen“, mahnt der Verein. Die meisten ISPs würden nur einige wenige Router-Modelle anbieten. „Dies birgt Risiken für die Freiheit und Sicherheit ihrer Verbraucher. Wenn beispielsweise größere Probleme oder Sicherheitslücken auftreten, wäre eine enorme Anzahl von Nutzer auf einmal betroffen. Eine fehlende Routerfreiheit gefährdet damit die Privatsphäre und Sicherheit der Verbraucher*innen und ihrer persönlichen Daten“, heißt es in einer Erklärung des Vereins. Auch verringere Routerfreiheit die Wahrscheinlichkeit, dass der Router-Markt von nur einem oder wenigen Produkten beziehungsweise Herstellern dominiert werde.

FSFE macht Umfrage und stellt Activity Package für Verbraucher und Organisationen bereit

Für Einzelpersonen oder auch Organisationen, die sich für Routerfreiheit einsetzen und mit Regulatoren und Entscheidungsträgern ihres Landes in Kontakt treten wollen, hat die Free Software Foundation Europe (FSFE) ein Activity Package vorbereitet. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, an einer Umfrage zur Routerfreiheit teilzunehmen (https://survey.fsfe.org/index.php/628449). Die Ergebnisse sollen dabei helfen, Entscheidungsträger auf die Problematik eines Routerzwangs aufmerksam zu machen.


Mehr Artikel

Die Teilnehmer des Roundtables (v.l.n.r.): Roswitha Bachbauer (CANCOM Austria), Thomas Boll (Boll Engineering AG), Manfred Weiss (ITWelt.at) und Udo Schneider (Trend Micro). (c) timeline/Rudi Handl
News

Security in der NIS2-Ära

NIS2 ist mehr ein organisatorisches Thema als ein technisches. Und: Von der Richtlinie sind via Lieferketten wesentlich mehr Unternehmen betroffen als ursprünglich geplant, womit das Sicherheitsniveau auf breiter Basis gehoben wird. Beim ITWelt.at Roundtable diskutierten drei IT-Experten und -Expertinnen über die Herausforderungen und Chancen von NIS2. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*