Vernetzte, intelligente Städte – sieht so die Zukunft aus?

Schon heute kann man an Vorzeigeprojekten in Europa und Asien beobachten, wie Metropolen effizienter, technologisch fortschrittlicher, grüner und sozial inklusiver sein können. [...]

Ich bin beruflich viel unterwegs und oft mehrmals pro Woche in unterschiedlichsten Städten weltweit zu Gast. Urbane Metropolen faszinieren mich – egal ob New York, Kairo, Moskau, oder Bangkok – überall spürt man eine lebendige Atmosphäre und entdeckt hinter jeder Ecke eine neue Welt. Doch Megastädte sind auch eine Belastung: massives Verkehrsaufkommen, Umweltverschmutzung, Lärm und Slumbildung machen den Einwohnern zu schaffen. Das Konzept der Smart Cities zielt darauf ab, Städte effizienter, technologisch fortschrittlicher, grüner sowie sozial inklusiver zu gestalten und dadurch die Lebensqualität der Bewohner zu erhöhen.

Und das ist dringend notwendig: Denn der Trend zur Urbanisierung ist ungebrochen. Im Jahr 2050 werden neun Milliarden Menschen auf unserer Erde leben, 70 Prozent davon in Städten. Die Basis der neuen intelligenten Städte bilden Informations- und Kommunikationssysteme aus dem Internet der Dinge, die in verschiedene Systeme und Infrastrukturen der Städte integriert werden. So können Versorgungs- und Entsorgungsnetze – vor allem für Strom, Wasser, Gas, oder auch Waren – flexibel gesteuert werden. Doch auch in den Bereichen Mobilität und Verkehr, Verwaltung, Informationsaustausch und öffentliche Sicherheit sind innovative und neuartige Konzepte gefragt.
Smart-City-Vorzeigestadt Yinchuan
Ein schönes Beispiel ist die chinesische Stadt Yinchuan mit knapp 2 Millionen Einwohnern. Die Stadt am Oberlauf des Gelben Flusses kennt zwar kaum jemand, beheimatet aber gleich eine Vielzahl an spannenden Projekten: In den Bussen der städtischen Verkehrsgesellschaft ersetzt die Gesichtserkennung den Fahrkartenautomaten. Anstatt in der Hosentasche nach Kleingeld zu suchen, erwerben die Fahrgäste ihr Ticket über Gesichtserkennung, die mit ihrem Bankkonto verbunden ist, was den Einsteigeprozess in der trubeligen Großstadt erheblich beschleunigt hat.

Auch bei der Müllentsorgung zeigt sich der Vorreiter der intelligenten Städte kreativ. Die öffentlichen Mülltonnen werden von Solarzellen mit Strom versorgt und dienen gleichzeitig als Müllpressen. So konnte die Aufnahmekapazität verfünffacht und damit einhergehend die Abholungsrate massiv verringert werden. Wenn die Tonnen voll sind, senden sie ein Signal an die Zentrale, damit die Müllabfuhr weiß, zu welchem Zeitpunkt geleert werden muss.

Besonders gut gefällt mir die Lösung für den Lieferservice von Lebensmitteln. Die Einwohner von Yinchuan können Lebensmittel über eine App auf ihrem Handy bestellen. Doch dann müssen sie nicht warten, bis die Lieferung kommt. Stattdessen können sie sich ihre Einkäufe in speziellen smarten und gekühlten Schließfächern abholen, die zentral in der ganzen Stadt positioniert sind. Nicht umsonst findet die alljährlich stattfindende Konferenz Smart City InFocus mit über 800 Teilnehmern aus der ganzen Welt in Yinchuan statt.
Big Data als Schlüssel zum Erfolg
Doch wo liegt der Schlüssel zum Erfolg der intelligenten Stadt Yinchuan? Big Data und eine Cloud-Plattform spielen die entscheidende Rolle für die Transformation der Infrastruktur und der Dienstleistungen der Stadt. Die Big-Data-Cloud-Plattform ist das Herzstück der Smart City Yinchuan und ist Grundlage einer integrierten Datenbank mit Informationen zu Bevölkerung, Gebäuden, Infrastruktur, Wirtschaft sowie räumlichen und geografischen Informationen. Eine speziell entwickelte Anwendungsdatenbank umfasst Verkehr und Transport, Bildungseinrichtungen sowie den städtischen öffentlichen Dienst. Die Daten der beiden Plattformen werden geteilt und abgeglichen, wodurch die Stadt aktiv wichtige Entscheidungen auf Basis der vorliegenden Daten treffen und den Einwohnern unkompliziert und schnell intelligente Dienstleitungen anbieten kann.
Sicherheitskonzept für Smart Cities?
Ein Fragezeichen sehe ich noch hinsichtlich der Themen Sicherheit und Datenschutz. Denn positiv gesehen, können die Unmengen an Daten, die in Smart Cities zusammenlaufen in vielfältiger Weise genutzt werden, um beispielsweise Vorbereitungen auf Unwetter zu treffen oder Einsatzkräfte besser zu koordinieren. Ein Missbrauch oder Hack dieser Datenbanken muss in jedem Fall ausgeschlossen werden. Es wäre nicht auszudenken, was passieren könnte, wenn Unbefugte Zugriff auf die Versorgung durch Wasser oder Strom bzw. die Kraftwerke erhalten und diese manipulieren könnten. Doch auch die Sicherheit der persönlichen Daten der Einwohner muss gewährleistet werden. Gerade wenn es um medizinische Daten in einem Smart Hospital oder die Verknüpfung der Gesichtserkennung mit dem Bankkonto, wie in Yinchuan geht, müssen sich die Anwender absolut sicher sein, dass die Daten zuverlässig gespeichert und vor unbefugtem Zugriff geschützt sind.
Smart Cities in Deutschland und Europa
Insgesamt sind die asiatischen Länder in diesem Bereich deutlich fortgeschrittener als wir in Europa. Doch auch in den europäischen Ländern gibt es Vorzeigeprojekte, wie beispielsweise in Amsterdam, Barcelona, Kopenhagen oder Wien, die sich allerdings meist auf Teilbereiche beziehen. In Deutschland optimiert z. B. der „Smart Port“ in Hamburg die Waren- und Verkehrsströme mit intelligenter Stellplatzsteuerung für LKW und Auflader und der gezielten Steuerung und Erfassung von Personen und Verkehr in der Umgebung des Hafens mit Hilfe von Ampeln. Gerade in Deutschland scheitern allerdings viele Städte und Gemeinden schon an der Digitalisierung ihrer Daten. Doch genau diese ist die Grundvoraussetzung, um die Daten zu sammeln, zu analysieren und sinnvoll nutzen zu können – und damit der Grundpfeiler einer intelligenten Stadt.

Smart Cities sind ein Wachstumsmarkt, bis 2020 soll ein Volumen von 1,45 Billionen US-Dollar erreicht werden. Die Treiber dieser Entwicklung sind die Bereiche Infrastruktur, Energieversorgung sowie smarte Gebäude. Intelligente Städte sind interdisziplinäre Großprojekte mit jeder Menge Beteiligter. Neben der Stadtverwaltung und den Städteplanern, sind Energie-, Wasser- und Stromversorger, Verkehrsplaner, Geografen und Meteorologen, Techniker und IT-Anbieter involviert. Herausforderung ist es, eine gemeinsame Sprache zu finden und gemeinsame Ziele zu definieren. Ein großes gemeinsames Ziel kann der Klimaschutz sein, wie zum Beispiel in Kopenhagen – die dänische Hauptstadt will die Digitalisierung möglichst vieler Lebensbereiche dazu nutzen, um bis 2025 klimaneutral zu werden – ein ehrgeiziges Projekt.

*Matthias Schorer ist Lead Business Development Manager IoT EMEA bei VMware.


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