Versicherer auf dem Weg in das digitale Zeitalter

Laut einer Studie von Accenture könnte der Jahresabsatz von Sach-, Unfall- und Lebensversicherungen über digitale Kanäle bis 2016 auf 25 Mrd. Euro ansteigen. In Österreich herrscht aber noch Aufholbedarf. [...]

Der Jahresabsatz von Sach-, Unfall- und Lebensversicherungen über digitale Kanäle könnte in Europa bis 2016 auf bis zu 25 Mrd. Euro ansteigen. Dies entspricht mehr als einer Verdopplung des Niveaus des Jahres 2012 (12 Mrd. Euro). Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Managementberatungs-, Technologie- und Outsourcing-Dienstleisters Accenture, für die Verantwortliche von 78 europäischen Versicherern befragt wurden. Demnach soll der Anteil digital vertriebener Polizzen von elf Prozent in diesem Jahr auf bis zu 18 Prozent des Neugeschäftsvolumens bis 2016 steigen.

Laut der Studie planen mehr als drei Viertel der europäischen Versicherer (78 Prozent) einen Ausbau ihrer Investitionen in die digitale Transformation ihrer Kundenkontakt- und Vertriebsfunktionen. Binnen drei Jahren sollen bei jedem Unternehmen durchschnittlich 27 Millionen Euro in diesen Bereich fließen.

„Die Bewegung hin zu einem digitalen Geschäftsmodell ist für Versicherer unumgänglich, und unsere Studie zeigt, dass die Industrie stark in diesen Veränderungsprozess investiert“, sagt Thomas Schönbauer, Sales Director Insurance bei Accenture Österreich. „Erst die digitale Transformation bietet die Grundlage für Interaktionen im Zusammenhang mit Information, Beratung und Verkauf, um auch zukünftig Kunden zu begeistern. Schließlich nutzen diese tagtäglich Produkte und Dienstleistungen, die durch ein hohes Maß an Bequemlichkeit, Einfachheit und Geschwindigkeit gekennzeichnet sind. Damit liegt die Messlatte auch für die Assekuranz deutlich höher als in der Vergangenheit. Das gilt insbesondere für die heranwachsende ‚digitale Generation‘, welche daran gewöhnt ist, Bücher, Elektronik, Musik, Reisen und viele Dinge des täglichen Bedarfs ganz selbstverständlich online zu kaufen. Versicherer tun daher gut daran, mit einer klaren Strategie in Fähigkeiten und Ressourcen zu investieren, mit denen sich das Erlebnis der Kunden bei jedweder Interaktion mit ihrem Anbieter verbessern und intensivieren lässt.“

Die wesentliche Herausforderung der Digitalisierung sehen Versicherer insbesondere in der Komplexität der Durchsetzung von Veränderungen in den bestehenden physischen Vertriebskanälen, so etwa bei den ca. 23.000 in Österreich registrierten Versicherungsvermittlern, deren künftige Rolle massiv auf dem Prüfstand steht. Dies bestätigten 85 Prozent der befragten Führungskräfte.

Online-Versicherungsplattform chegg.net arbeitet mit rund 80 Prozent der heimischen Versicherungsmakler und nahezu allen Versicherungsgesellschaften zusammen. Seit Anfang dieses Jahres bietet das Unternehmen seinen professionellen Preis- und Leistungsvergleich von Versicherungsangeboten auch kostenlos für Konsumenten an. Thomas Lang, Vorstand von chegg.net, unterstützt auf Anfrage von Computerwelt.at die Ergebnisse der Accenture-Studie: „In Österreich halten wir eine Verdoppelung bis 2016 aufgrund der im internationalen Vergleich niedrigeren Ausgangslage für absolut realistisch.“ Die Plattform sieht sich jedoch nicht als Ersatz für den Versicherungsvermittler, so Lang: „Für uns besteht die Herausforderung darin, Konsumenten die Vorzüge unseres professionellen Versicherungsvergleichs zu vermitteln und aufzuzeigen, dass sie bei unserem Tool das Beste aus zwei Welten bekommen: Sie können sich selbst auf Knopfdruck einen umfassenden Marktüberblick verschaffen, bekommen aber auf Wunsch auch Unterstützung durch professionelle, unabhängige Versicherungsmakler.“

KONKURRENZ DURCH GOOGLE, AMAZON & CO.
Andere Digitalisierungsbarrieren stellen nach Meinung der Entscheider darüber hinaus Beschränkungen in den bestehenden IT-Systemen und die fehlende Agilität ihrer Organisation dar (jeweils 81 Prozent). Und noch eines zeigt die Studie deutlich: Neun von zehn europäischen Versicherern (89 Prozent) erwarten eine Verschärfung der Wettbewerbssituation im Versicherungsvertrieb innerhalb der kommenden drei Jahre. Dabei gehen fast zwei Drittel (64 Prozent) davon aus, dass diese Entwicklung von Wettbewerbern aus dem Lager der Nicht-Versicherer wie Google oder der E-Commerce-Giganten wie Amazon ausgehen wird.

„Versicherer beginnen zu realisieren, dass der Weg in Richtung Digitalisierung mit zahlreichen Herausforderungen gepflastert ist – von der Überwindung organisatorischer Hürden bis hin zu aufkommenden externen Risiken“, sagt Thomas Schönbauer. „Um den Nutzen der Digitalisierung zu maximieren, müssen die Unternehmen ihre Perspektive wechseln und statt ihrer Produkte den Kunden und dessen Bedürfnisse in den Fokus nehmen, denn genau dies macht die Gefährlichkeit neuer Wettbewerber aus. Die stetige Verbesserung der Kundenerlebnisse ist Teil der Unternehmens-DNA dieser neuen Wettbewerber und genau dies ist auch die strategische Waffe im Kampf um Marktanteile im Versicherungsvertrieb.“

Thomas Lang von chegg.net sieht etablierte Anbieter nur teilweise in Gefahr durch Amazon & Co.: „Das kommt auf die Sparte an. In Sparten, wo die Angebote relativ leicht vergleichbar sind – wie z.B. der KFZ-Haftpflicht-Versicherung – können solche Player aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten und der breiten Werbewirksamkeit sicher einen konkurrenzfähigen Versicherungsvergleich auf den Markt bringen. In Sparten wie z.B. den Personenversicherungen, wo sich die Leistungen von Angebot zu Angebot stark unterscheiden, braucht es für einen guten Versicherungsvergleich aber jahrelanges Know-how und Expertenwissen. Das geht sicher nicht von heute auf morgen. Versicherungsnehmer legen gerade in Österreich großen Wert auf persönliche Beratung bzw. professionelle Betreuung im Schadensfall. Ob Konsumenten tatsächlich Verträge über Portale dieser branchenfremden Anbieter abschließen, hängt sicher davon ab, inwiefern sie diese Bedürfnisse erfüllen können bzw. wollen.“ Lang ist sicher, dass Versicherungen – abgesehen von der KFZ-Sparte – auch künftig ein beratungs- und serviceintensives Produkt bleiben werden.

Thomas Lang ortet Aufholbedarf in Österreich: „Während in vielen anderen europäischen Ländern der Vertrieb im Internet seit Jahren boomt, ist dieser Trend in Österreich erst im Kommen. Wir merken aber eindeutig, dass das Internet als Informationsquelle und Anlaufstelle in Versicherungsfragen immer mehr an Bedeutung gewinnt. Das haben auch die Ergebnisse unserer österreichweiten Versicherungsstudie gezeigt, die wir vor kurzem veröffentlicht haben: Bereits ein Viertel der Österreicher informiert sich bei Versicherungsfragen zuerst dort, jeder Zweite würde eine Versicherung online abschließen. Das deckt sich mit den Ergebnissen der Accenture-Studie.“ (aw/rnf)


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