Versicherungsbranche muss auf neue Bedrohungen wie Cyberattacken reagieren

Versicherungsnehmer sind zunehmend besorgt darüber, dass ihr Versicherungsschutz durch neu aufkommende Risiken unzureichend geworden ist. Die Anbieter gehen nicht schnell genug auf diese Besorgnisse ein. [...]

Kunden verlangen umfassendere Versicherungsprodukte, um „Deckungslücken" hinsichtlich neuer Risiken zu schließen. (c) pixabay

Zu diesem Ergebnis kommt der von Capgemini und der Efma veröffentlichte World Insurance Report 2019. Die Studie stellt fest, dass sich in neu entstehenden Risikobereichen – von der Cybersicherheit bis hin zu Umweltbedrohungen – erhebliche Versorgungslücken entwickelt haben. Die Versicherer sind dabei weniger stark auf Veränderungen eingestellt als ihre Kunden, von denen sich die meisten eine umfassendere und personalisiertere Abdeckung wünschen. Gleichzeitig haben die Versicherer die große Chance, Technologie und Partnerschaften zu nutzen, um Makrotrends vorwegzunehmen und proaktivere Partner ihrer Kunden zu werden.

Versicherer reagieren nur langsam auf neue Risiken

Der Bericht identifiziert fünf Makrotrends, die für Versicherungskunden und ihre Unternehmen neue Risiken mit sich bringen: disruptive Umweltmuster, technologischer Fortschritt, sich entwickelnde soziale und demografische Trends, neue medizinische und gesundheitliche Bedenken und Veränderungen im Geschäftsumfeld. International sowie im DACH-Raum sind weniger als 25 Prozent der Geschäftskunden der Meinung, dass sie über eine ausreichende Deckung verfügen, um gegen ein von diesen Makrotrends ausgehendes Risiko abgesichert zu sein. Unter den Privatkunden international sowie in DACH verfügen weniger als 15 Prozent über eine ausreichende Absicherung.

Die meisten Versicherer haben bislang nur zögerlich auf diese Trends reagiert und ihre Kunden dafür gewappnet. Von den Lebens- und Krankenversicherern gaben weniger als 40 Prozent – in DACH knapp 30 Prozent – an, eine Pipeline mit neuen Produkten aufgebaut zu haben, um aufkommende Risiken umfassend abzudecken.

„Die Versicherer haben sich lange Zeit auf die Transformation ihrer Kernsysteme konzentriert. Jetzt erwarten ihre Kunden Antworten auf neue Entwicklungen: Ihre Absicherungsbedürfnisse sind durch jüngst gewachsene Risiken gestiegen und sie wünschen sich individuellere Angebote. Dem können die Versicherer nur mit neuen Technologien nachkommen“, fasst Wolfgang Barvir, Head of Financial Services bei Capgemini in Österreich, die Situation zusammen. „Wer sich jetzt allerdings zügig technologisch weiterentwickelt und als Partner seiner Kunden auch präventiv handelt, wird von einer umso größeren Offenheit und Nachfrage profitieren.“

Erhebliche Versorgungslücken

Die langsame Reaktion auf neue Bedrohungen hat zu erheblichen Deckungslücken für Kunden geführt, die diesen Risiken ausgesetzt sind: Der Bericht schätzt die Gefahr von Cyberangriffen international für 83 Prozent der privaten Versicherungskunden als mittel bis hoch ein – aber nur 3 Prozent sind umfassend dagegen abgesichert. In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind 78 Prozent der Privatkunden mittel- bis hochgradig gefährdet und ebenfalls 3 Prozent gegen Cyberangriffe abgesichert.

Von den Geschäftskunden sind international 87 Prozent, in DACH 84 Prozent mittel- bis hochgradig durch Cyberangriffe gefährdet, doch weniger als jeweils 18 Prozent umfassend versichert. 81 Prozent der Geschäftskunden international sind mittel bis stark steigenden Gesundheitskosten für die Mitarbeiter ausgesetzt, aber nur 17 Prozent dahingehend abgesichert. Unter den Geschäftskunden in DACH sind es 76 bzw. 15 Prozent. Von zunehmenden Naturkatastrophen sind international fast 75 Prozent bedroht, aber nur 22 Prozent effektiv dagegen abgesichert – gegenüber 66 Prozent Gefährdeten und 23 Prozent Versicherten im DACH-Raum.

Verbraucher sind bereit für Veränderungen

Die Versicherungslandschaft wandelt sich – und die Kunden zeigen eine größere Bereitschaft zur Veränderung als ihre Versicherer: Mehr als die Hälfte (58 Prozent international, 53 Prozent in DACH) der Kunden gaben an, dass sie bereit sind, neue Versicherungsmodelle auszuprobieren. Allerdings investiert international erst jeder Vierte (26 Prozent) Versicherer in weitere Modelle, in DACH mehr als jeder Dritte (37 Prozent). Im Gegenzug für bessere Services zur Risikokontrolle und -prävention würden international 37 Prozent der Kunden – im DACH-Raum nur 26 Prozent – mit großer Bereitschaft zusätzliche Daten austauschen. Allerdings haben nur 27 Prozent der Versicherer international, in DACH immerhin 33 Prozent die Möglichkeit, Echtzeitdaten für die Risikomodellierung zu nutzen.

„Diese Studie zeigt, dass die Zukunft der Versicherung in Partnerschaften liegt“, sagt Vincent Bastid, Generalsekretär der Efma. „Versicherungsanbieter müssen mit Partnern kooperieren, die über ein hohes Maß an technologischem Fachwissen verfügen – von KI bis hin zur fortgeschrittenen Analytik. Parallel sollten sie enger mit ihren Kunden zusammenarbeiten, um den reaktionsschnellen, bedarfsgerechten Service zu bieten, den viele suchen.“

Versicherer müssen innovativ sein und Partner sowie Präventor werden
Die Versicherer müssen auf neue Bedrohungen und sich ändernde Kundenerwartungen reagieren, indem sie neue Technologien nutzen und Kooperationen eingehen. Die Risikobewertung kann durch den Einsatz maschinellen Lernens, künstlicher Intelligenz und fortgeschrittener Analytik sowie einer effektiven Zusammenarbeit mit InsurTechs erheblich verbessert werden. Die Fortschritte in diesen Bereichen sind durchmischt: Eine Mehrheit der Versicherer (57 Prozent international, 56 Prozent in DACH) nutzt KI, maschinelles Lernen und fortgeschrittene Analytik, aber nur 29 Prozent international – in DACH immerhin 44 Prozent – haben bereits eine automatisierte Risikobewertung implementiert und nur 20 Prozent international, in DACH 17 Prozent eine Insight-Generierung aus IoT-Geräten in Echtzeit.

Der Studie zufolge muss der technologische Fortschritt durch einen Einstellungswandel ergänzt werden: Wo sich die Versicherer traditionell als Kostenträger verstehen, müssen sie zusätzlich die Rolle eines Präventors annehmen und als Partner enger mit ihren Kunden zusammenarbeiten, um Risiken zu minimieren und On-Demand-Services anzubieten.


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