Wenn kreative Werke wie Bücher, Bilder oder Musik keinem Copyright mehr unterliegen, so können sie doch großen wirtschaftlichen und sozialen Wert haben. Das belegt eine Studie von Juristen der University of Illinois und der University of Glasgow. Die Universitäten haben ermittelt, dass allein Fotos unter Public Domain, die auf Wikipedia genutzt werden, einen Wert von 246 bis 270 Mio. Dollar pro Jahr darstellen. Ob ewig lange Copyrights, wie sie die moderne Content-Industrie anstrebt, wirklich im Sinne der Allgemeinheit sind, erscheint also fraglich. [...]
Rechteinhaber sprechen gern vom Wert des Copyrights, was nicht verwunderlich ist. „Wenn man ein Monopol auf etwas hat, macht man viel Geld“, sagt Paul Heald, Jusprofessor in Illinois. „Was sie bequemerweise ignorieren ist, dass das Fehlen von Copyright Wert schafft.“ Wie groß dieser Wert insgesamt ist, scheint kaum abschätzbar. Daher hat das Team nur einen kleinen Aspekt betrachtet, nämlich die Bebilderung von Wikipedia – und allein hier steckt jedes Jahr etwa eine Viertel Mrd. Dollar.
Die Juristen haben in dem Paper „The Valuation of Unprotected Works: A Case Study of Public Domain Photographs on Wikipedia“ insbesondere Wikipedia-Seiten zu Autoren, Komponisten und Lyrikern analysiert. Dabei hat sich gezeigt, dass Beiträge eher bebildert sind, wenn die Person vor längerer Zeit gelebt hat. Das dürfte daran liegen, dass es dann sicher Bilder gibt, die keinem Copyright unterliegen. Immerhin handelt es sich bei der überwältigenden Mehrheit der Fotos und Illustrationen um Public-Domain-Material. Um den Gesamtwert der Bebilderung auf Wikipedia abzuschätzen, hat das Team Kosteneinsparungen sowie dank der Illustrationen gesteigerten Traffic berücksichtigt.
Für Heald ist damit klar gezeigt, dass exzessives Copyright eigentlich hohe Kosten verursacht: „Wie wir in unserer Arbeit zeigen, ist es nicht einfach ein Nettogewinn für die Allgemeinheit, wenn wir Copyrights verlängern.“ Vielmehr gäbe es eindeutige, messbare und spürbare Verluste. „Wir glauben, dass unser empirisches Beispiel politischen Entscheidungsträgern verdeutlichen sollte, wie das Fehlen von Copyright ökonomischen Wert schaffen kann“, meint der Jurist.
Gerade in den USA ist ein Trend zu absurd langen Copyrights bekannt. Mindestens 70 Jahre gilt dort das Urheberrecht auf kreative Werke – gehören sie Konzernen, auch länger. Aber auch das ist Rechteinhabern oft zu wenig. „So lange Lobbyisten für Copyright-Verlängerungen behaupten, dass Tantiemenzahlungen an Privatbesitzer ein geeignetes Maß des Gemeinwohls sind, müssen politische Entscheidungsträger mit Dollar-Beträgen über den Geldwert der Public Domain konfrontiert werden“, sagt daher Heald.
Der Jurist betont, dass langes Copyright nur den Wohlstand einiger weniger mehrt, nicht aber den der Gesellschaft allgemein. Obwohl er betont, dass „Kreativ-Industrien sich auf Public-Domain-Werke als Bausteine für wertvolle Neuschöpfungen verlassen“, geht der Jurist auf moralische Fragen nicht ein.
Dabei scheint für Konsumenten nicht unbedingt einsichtig, warum große Konzerne ewig langes Copyright auch auf Werke bekommen, deren Ideen aus der Public Domain entnommen sind – beispielsweise Disneys „Dschungelbuch“-Franchise, die sich bei Kipling bedient hat, diverse mehr oder weniger guter Shakespeare-Verfilmungen oder der aktuelle Trend der Märchen-Adaptionen. (pte)
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