Jede Minute wird in der Welt eine unvorstellbare Menge an Daten generiert. Wie kommt das Gehirn mit diesen zunehmend umfangreichen und komplexen Datenmengen zurecht? Forscher sind dabei, ein interaktives System zu entwickeln, das Daten nicht nur den menschlichen Vorlieben entsprechend darstellt, sondern die Darstellung auch ständig variiert, um einer Überlastung des Gehirns vorzubeugen. Das Projekt könnte Studierenden ein effizienteres Lernen und Journalisten eine schnellere Recherche ermöglichen. Mehrere Museen in Deutschland, den Niederlanden, im Vereinigten Königreich und in den USA haben bereits Interesse an der neuen Technik bekundet. [...]
Daten sind überall: Sie werden entweder von Menschen erstellt oder von Maschinen generiert, beispielsweise von Sensoren abgetastete Klimadaten, Satellitenbilder, digitale Bilder und Videos, Aufzeichnungen von Kaufvorgängen, GPS-Signale, usw. Diese Informationen sind eine wahre Goldgrube. Sie stellen aber auch eine Herausforderung dar: Die heutigen Datenmengen sind so umfangreich und so schwierig zu verarbeiten, dass sie neue Ideen, Tools und Infrastrukturen erforderlich machen.
Die Forscher des CEEDs-Projekts sind dabei, ein interaktives Umfeld zu schaffen, in das diese Massendaten, bekannt unter dem Schlagwort Big Data, eingebettet werden sollen, damit der menschliche Geist effizienter neue Ideen entwickeln kann. Sie haben eine sogenannte eXperience Induction Machine (XIM) konstruiert, durch die Nutzer mithilfe virtueller Realität in das „Innere“ großer Datenmengen eindringen können. Diese immersive multimodale Umwelt (die an der Universität Pompeu Fabra in Barcelona entwickelt wird) verfügt auch über eine Vielzahl von Sensoren, mit dem das System die Informationen in einer für die Nutzer angemessenen Form darstellt, je nach deren Reaktionen bei Ansicht der Daten. Diese Reaktionen – wie Gesten, Augenbewegungen und Herzschlag – werden vom System beobachtet, um dann die Darstellung der Daten entsprechend anzupassen.
Jonathan Freeman, Psychologieprofessor am Goldsmiths (University of London) und Koordinator von CEEDs, erläutert: „Das System registriert es, wenn Teilnehmer müde werden oder die Informationsflut nicht mehr verarbeiten können. Dann nimmt es entsprechende Anpassungen vor. Entweder wird die Art der Darstellung vereinfacht, um die Sinneseindrücke zu verringern, den Nutzer zu entlasten und ihm eine bessere Konzentration zu ermöglichen, oder es leitet ihn in Bereiche der Datendarstellung, die eine geringere Informationsdichte aufweisen.“
Als erstes haben die Forscher von CEEDs ihre Maschine an Neurowissenschaftlern erprobt. Dafür wurden die in diesem Fachgebiet üblichen riesigen Datenmengen visuell und akustisch untermalt. Durch unterschwellige Reize wie z. B. blinkende Pfeile lenkte die Maschine Neurowissenschaftler in Datenbereiche, die für die jeweilige Person potenziell interessanter waren. Erste Pilotversuche haben bereits das Potenzial dieses Konzepts in Hinblick auf neue Erkenntnisse über die Funktionsweise des Gehirns aufgezeigt.
MUSEEN UND GESCHÄFTE
Mögliche Anwendungen für CEEDs reichen von der Sichtung von Satellitenbildern und der Suche nach Erdöl bis hin zur Astronomie, Wirtschaftswissenschaft und Geschichtsforschung. „Das Potenzial liegt überall dort, wo es eine Fülle von Daten gibt, die entweder einen hohen Zeitaufwand erfordern oder nur sehr mühsam zu verarbeiten sind“, fügt Freeman hinzu. „Wir beobachten, dass die Menschen allein schon aufgrund des Zeitfaktors körperlich nicht in der Lage sind, all die Daten zu verarbeiten, mit denen sie konfrontiert werden. Jedes System, das diesen Prozess beschleunigen und effizienter machen kann, ist von äußerst hohem Nutzen.“
CEEDs kann dabei helfen, das Feedback von Nutzern an verschiedenen Orten wie Geschäften, Museen, Bibliotheken und Konzertsälen zu erfassen und darauf zu reagieren. In echten und in virtuellen Klassenräumen können Lehrkräfte effizienter unterrichten, indem sie ihr Lehrmaterial an die Aufnahmefähigkeit ihres Publikums anpassen. Die CEEDs-Technologie wird seit zwei Jahren in der Gedenkstätte Bergen-Belsen in Deutschland eingesetzt, und im Vorfeld der Gedenkfeierlichkeiten anlässlich des Jahrestags der Beendigung des Zweiten Weltkriegs im kommenden Jahr wird derzeit auch mit Museen in den Niederlanden, im Vereinigten Königreich und in den USA verhandelt. Das Projektteam führt ferner Gespräche mit mehreren öffentlichen, gemeinnützigen und gewerblichen Organisationen und Vereinigungen über eine weitere Anpassungen verschiedener CEEDs-Systeme an deren Bedürfnisse. Bei den Anfragen, die derzeit im Gespräch sind, geht es um eine virtuelle Geschäftsumgebung auf einem internationalen Flughafen und um die Visualisierung der Bodenqualität und der Klimaverhältnisse in Afrika, mit der die Landwirte vor Ort bei der Optimierung ihrer Ernteerträge unterstützt werden sollen.
BIG-DATA-GROSSPROJEKT
CEEDs ist ein Großprojekt: 16 Partner in neun Ländern (Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, die Niederlande, Spanien, Ungarn und das Vereinigte Königreich) schließen sich zusammen, um unserem Gehirn einen optimalen Zugang zu Big Data zu eröffnen. Im Rahmen der Maßnahme neue und künftige Technologien fließen EU-Mittel in Höhe von 6,5 Mio. Euro in diese Initiative.
Die Maßnahmen der EU zur Nutzung von Massendaten gehen über herkömmliche Forschungsprojekte hinaus. Die Europäische Kommission hat die Regierungen unlängst aufgefordert, sich an der Big-Data-Revolution zu beteiligen, und sie nutzt das gesamte Spektrum an politischen und rechtlichen Instrumenten, um das Potenzial einer datengestützten Wirtschaft so gut wie möglich auszuschöpfen.
Neelie Kroes, für die Digitale Agenda zuständige Vizepräsidentin der Kommission, ist überzeugt: „Big Data müssen uns nicht beängstigend erscheinen. Mit Projekten wie diesem erlangen wir die Kontrolle über die Daten und können mit ihnen so umgehen, dass wir uns auf die Lösung von Problemen konzentrieren können. Die Bedeutung von Big Data muss auf höchster Ebene erkannt werden.“ (pi)
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