Warum Banken KI beherrschen müssen

Bisher arbeiten nur wenige Banken aktiv mit künstlicher Intelligenz (KI). Fast die Hälfte stuft sie als irrelevant für ihr Geschäft ein. Das wird sich bald ändern. [...]

img-1
Machine Learning kann Banken helfen, bessere Entscheidungen zu treffen - etwa in der Kreditvergabe, der Betrugserkennung oder dem Risikomanagement (c) pixabay.com

In den kommenden Jahren wird der Anteil von KI-Anwendungen weltweit stark zunehmen. Das gilt auch für das moderne Banking. Das Bewusstsein hierfür ist allerdings noch längst nicht überall vorhanden. Das zeigt die Studie Digital Outlook 2025 Financial Services, die das Analystenhaus Lünendonk gemeinsam mit einigen Unternehmensberatungen umgesetzt hat. Demnach haben gerade mal neun Prozent der Banken KI-Anwendungen in ihre Prozesse integriert. 41 Prozent stufen KI sogar als aktuell irrelevant für ihr Geschäft ein.

Viel Nachholbedarf in dieser Branche also. Vor allem der KI-Teilbereich Machine Learning (ML) kann im Bankwesen großen Nutzen stiften. Dabei geht es um das Generieren von Informationen aus Daten durch Erfahrung: ML-Modelle leiten aus vorhandenen Daten Gesetzmäßigkeiten und Muster ab, die sich wiederum verallgemeinern lassen. Werden diese Muster dann über neue, unbekannte Datenbestände gelegt, können sie auch hier Problemstellungen lösen. Auf diese Weise ließen sich zahlreiche Anwendungen im Banking optimieren, etwa in Bereichen wie Kreditentscheidungen, Risikomanagement oder Betrugserkennung.

Mit ML Prozesse und Standardvorgänge optimieren

Wo heute in vielen Banken noch veraltete, regelbasierte Systeme zum Einsatz kommen, etwa um die Kreditwürdigkeit eines Kunden zu bewerten, könnte ML schnell und effizient verlässlichere Ergebnisse liefern. Denn die ML-Algorithmen erkennen Zusammenhänge aus repräsentativen historischen Datenquellen. Ein Beispiel: Besucht ein Kunde regelmäßig Spielkasinos, ist bei ihm die Gefahr höher, dass er einen Kredit nicht zurückzahlt als bei anderen Kunden mit sonst vergleichbaren Voraussetzungen. Indem der Algorithmus solche Informationen berücksichtigt, lernt er, Personen mit zunächst ähnlichen Profilen dennoch unterschiedlich hohen Kreditrisikogruppen zuzuordnen – eine wichtige Information für den Bankberater.

Deep Learning ist ein Teilbereich des maschinellen Lernens, der in den vergangenen Jahren zu bahnbrechenden Entdeckungen und ganz neuen KI-Anwendungen geführt hat. Es steht für eine dem menschlichen Gehirn nachempfundene neurale Netzstruktur, mit der sich große Datenmengen analysieren lassen. Dem zugrunde liegen selbstlernende Algorithmen mit der Fähigkeit, strukturierte wie unstrukturierte Daten zu verarbeiten, auch wachsende Datenmengen effektiv zu nutzen und neue Einsatzmöglichkeiten zu entwickeln. Zu den strukturierten Daten in standardisierter Form zählen im Bankwesen etwa Kunden- und Kreditdaten. Unstrukturierte Daten ohne festgelegtes Datensatzformat sind etwa Bilder, Audiodateien, Dokumente, Social Media- oder Webseiteninhalte. Diese unstrukturierten Daten umfassen etwa 80 Prozent des Datenbestands einer Bank.

Die Algorithmen arbeiten lassen

Prinzipiell lässt sich ML gut auf alle Tätigkeiten anwenden, die Routinecharakter haben, vorhersehbar sind oder gut automatisiert werden können. Sie liefern ausreichend Daten, anhand derer die Algorithmen lernen können. Damit können sieben Problemstellungen der prädiktiven Modellierung angegangen werden:

  • Klassifikation,
  • Regression,
  • Clusterbildung,
  • Dimensionsreduktion,
  • Optimierung,
  • Assoziationserkennung und
  • Generierung neuer Daten.

So kann Machine Learning Vorhersagen generieren, Empfehlungen und Entscheidungen aussprechen, Erkennungsaufgaben bewältigen und Daten aufbereiten.

img-2
Machine-Learning – die verschiedenen Typen von Problemstellungen im Überblick (c) Q_PERIOR

ML ist ein hochkomplexes Thema. Wichtig ist daher ein Kompromiss zwischen dieser Komplexität und Erklärbarkeit: Da ML-Modelle immer vielschichtiger werden, neigen sie dazu, Algorithmen mit einfacheren internen Darstellungen in der Modellleistung zu übertreffen. Das wiederum hat den Nachteil, dass sie oft schwer erklärbar sind. Doch gerade für die Finanz- und Bankenbranche ist es wichtig, eine Vorhersage plausibel erklären zu können. Finanzinstitutionen sind gesetzlich verpflichtet, alle Details offenzulegen, die während eines Entscheidungsprozesses berücksichtigt wurden. Ein Beispiel: Bei einem abgelehnten Darlehensantrag reicht es nicht, die Entscheidung mit „weil der Algorithmus es gesagt hat“ zu begründen.

Die Lösung hier heißt Explainable Artificial Intelligence (XAI): Dieser relativ neue Forschungszweig der KI konzentriert sich auf die Entwicklung von Verfahren und Algorithmen, die in der Lage sind zu erklären, wie sie zu einer bestimmten Vorhersage gekommen sind. Ein Ansatz von XAI ist beispielsweise das Erklärungsmodell Local Interpretable Model-agnostic Explanations (LIME). Damit lassen sich diejenigen Input-Variablen ermitteln, die am stärksten für bestimmte Vorhersagen des Modells verantwortlich sind.

Objektiv entscheiden – mit dem richtigen Algorithmus

Maschinelles Lernen kann nicht nur Standardprozesse verbessern, sondern auch helfen, ethische Standards in einer Bank besser einzuhalten. Derzeit bedienen sich beispielsweise Kreditsachbearbeiter regelbasierter Systeme, um zu entscheiden, ob eine Person einen Kredit erhält und wie hoch der Kreditzins ausfallen soll. Die Software bietet nicht mehr als eine Orientierungshilfe, das macht Kreditentscheidungen sehr subjektiv. Mithilfe leistungsfähiger und erklärender ML-Modelle, die das gesamte Verfahren der Entscheidungsfindung ersetzen, könnten Bankberater absolut objektive Entscheidungen treffen und so dafür sorgen, dass jeder Kunde fair und auf seine Situation angepasst behandelt wird. So zeigt sich, dass Algorithmen aus den großen Datenmengen wertvolle Informationen für Entscheidungsprozesse ziehen können.

Zwei Dinge sind nötig, um KI-Modelle erfolgreich in Banken zu implementieren: eine stabile organisatorische und technische Infrastruktur und eine gute Datengrundlage. Beides spielt für die Auswahl der richtigen Algorithmen eine zentrale Rolle. Es gibt keinen Universalalgorithmus. Vielmehr gilt: Je nach Art der Problemstellung und der Anwendung gibt es Algorithmen, die besser oder weniger gut funktionieren. Deshalb erfordert die Auswahl viel Wissen über die zu verwendenden Daten, die jeweiligen Algorithmen, die Probleminstanzen und die Domäne.

Beispielsweise hilft ein umfassendes Auswahlschema, das alle möglichen Auswahlfaktoren sowie Anwendungen und Bereiche einer Bank abdeckt, die bestmöglichen Algorithmen schnell und zuverlässig auszuwählen. Gerade um einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Banken mit KI-Einsatz zu erlangen, ist der richtige Algorithmus entscheidend für die Leistungsfähigkeit des KI-Systems. Daher gilt: Um KI und maschinelles Lernen sinnvoll zu implementieren, müssen Banken die nötigen digitalen Prozesse in die Wege leiten. Sie sind daher gut beraten, diese Aufgabe schnellstmöglich anzugehen.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

*Tim T. Mack ist Berater bei Q_PERIOR. Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören SAP Banking, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen (ML).


Mehr Artikel

Frauen berichten vielfach, dass ihre Schmerzen manchmal jahrelang nicht ernst genommen oder belächelt wurden. Künftig sollen Schmerzen gendersensibel in 3D visualisiert werden (c) mit KI generiert/DALL-E
News

Schmerzforschung und Gendermedizin

Im Projekt „Embodied Perceptions“ unter Leitung des AIT Center for Technology Experience wird das Thema Schmerzen ganzheitlich und gendersensibel betrachtet: Das Projektteam forscht zu Möglichkeiten, subjektives Schmerzempfinden über 3D-Avatare zu visualisieren. […]

img-8
News

KI ist das neue Lernfach für uns alle

Die Mystifizierung künstlicher Intelligenz treibt mitunter seltsame Blüten. Dabei ist sie weder der Motor einer schönen neuen Welt, noch eine apokalyptische Gefahr. Sie ist schlicht und einfach eine neue, wenn auch höchst anspruchsvolle Technologie, mit der wir alle lernen müssen, sinnvoll umzugehen. Und dafür sind wir selbst verantwortlich. […]

img-10
Case-Study

Erfolgreiche Migration auf SAP S/4HANA

Energieschub für die IT-Infrastruktur von Burgenland Energie: Der Energieversorger hat zusammen mit Tietoevry Austria die erste Phase des Umstieges auf SAP S/4HANA abgeschlossen. Das burgenländische Green-Tech-Unternehmen profitiert nun von optimierten Finanz-, Logistik- und HR-Prozessen und schafft damit die Basis für die zukünftige Entflechtung von Energiebereitstellung und Netzbetrieb. […]

FH-Hon.Prof. Ing. Dipl.-Ing. (FH) Dipl.-Ing. Dr. techn. Michael Georg Grasser, MBA MPA CMC, Leiter FA IT-Infrastruktur der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft m.b.H. (KAGes). (c) © FH CAMPUS 02
Interview

Krankenanstalten im Jahr 2030

Um sich schon heute auf die Herausforderungen in fünf Jahren vorbereiten zu können, hat die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft (KAGes) die Strategie 2030 formuliert. transform! sprach mit Michael Georg Grasser, Leiter der Fachabteilung IT-Infrastruktur. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*