Warum Ländergrenzen nicht länger ein Hindernis sind

Anfang dieses Jahres teilte der Digitalverband Bitkom e.V. mit, dass sich der Personalnotstand in der IT-Branche immer weiter verschärft. Branchenübergreifend sei die Zahl im letzten Jahr auf 96.000 offene Stellen angestiegen. Zusätzlich verschärft wird die Fachkräftelücke dadurch, dass der Bedarf aufgrund der Digitalisierung und neuer Technologien künftig zunimmt. [...]

Foto: Isabelabela/Pixabay

Bis 2026 werden laut dem Stifterverband und McKinsey in Deutschland bis zu 780.000 zusätzliche Technologie-Spezialisten benötigt. Hinzu kommt demografischer Wandel mit der Folge, dass 12,9 Millionen bzw. 30 % der Erwerbspersonen bis 2036 das Renteneintrittsalter überschreiten werden.

Auch die aktuelle Personalstudie „Global Hiring Report“ von Deel, einer Softwarelösung für HR- und Compliance-Prozesse sowie Gehaltsabrechnungen, zeigt den erhöhten Bedarf: Im Vergleich zum Jahresanfang sucht inzwischen jedes zweite Unternehmen in Deutschland nach Fachkräften. Im EMEA-Ranking liegt Deutschland damit auf Rang zwei (die Schweiz liegt auf Platz sechs, Österreich auf Platz 22).

Dabei werden sowohl laut der Umfrage Bitkom als auch laut Deel insbesondere Programmierer und IT-Administratoren händeringend gesucht. Wie können Unternehmen diesem Problem begegnen?

IT-Personalnotstand durch internationales Recruiting lösen

Angesichts der alarmierenden Zahlen sollten IT-Unternehmen ihre Recruiting- und Hiring-Strategien überdenken. Anstatt etwa die geografische Lage weiterhin als ein zentrales Einstellungskriterium zu betrachten, sollten Bewerber-Qualifikationen ausschlaggebend sein.

Dieses Umdenken ermöglicht eine Suche nach geeigneten IT-Spitzenkräften jenseits der eigenen Ländergrenzen. So bilden moderne Tech-Lösungen und -Tools die Grundlage, um Teams, unabhängig ihres Standorts, miteinander zu verbinden.

Firmen können dank ihnen ein modernes Arbeitsumfeld schaffen, das dem Zeitplan der Mitarbeitenden entspricht und ihnen ermöglicht, ihre Produktivität und Kreativität in vollem Umfang auszuschöpfen.

Um Lösungen für den IT-Fachkräftemangel in Deutschland zu finden und weiterhin wettbewerbsfähig zu sein, dürfen Ländergrenzen beim Recruiting und Hiring nicht länger als Hindernis auftreten. Stattdessen sollten sich deutsche Unternehmen noch stärker für Teammitglieder im Ausland öffnen.

Dezentrales Arbeiten bringt neue Herausforderungen mit sich

Setzen IT-Unternehmen die Idee des „Arbeitnehmenden ohne Grenzen“ um, bringt dieser Schritt auch Herausforderungen mit sich. Fehlen eine klare Strategie und Vision, verschärfen sich die Probleme.

Aus diesem Grund müssen IT-Firmen ihre Remote-Work-Strategie neu ausrichten – sofern eine solche überhaupt vorhanden ist. Denn dezentrales Arbeiten geht über reine Remote-Work-Modelle hinaus. Immerhin trennen Mitarbeitende und Büro viele hunderte, wenn nicht sogar tausende Kilometer. Das Prinzip „eben-mal-schnell-ins-Büro-zu-fahren“ entfällt.

Daher ist es wichtig, dass sich international ausgerichtete IT-Unternehmen auf eine gemeinsame Anlaufstelle für Personalbelange und Hiring einigen. Die Aufgabe dieser Abteilung ist es, die Angelegenheiten (potenzieller) Mitarbeitenden unabhängig ihres Standorts einheitlich zu bedienen.

Dabei sollten Unternehmen mit werdenden Teammitgliedern so bewusst und wertschätzend umgehen wie mit ihrem Kundenstamm – unabhängig davon, um was für eine Bewerbung es sich handelt. Neben einer zentralen HR-Anlaufstelle sollten IT-Unternehmen folgende weitere Aspekte beachten, wenn sie sich für Teammitglieder aus dem Ausland, und damit für ein dezentrales Arbeitsmodell, öffnen:

1. Global denken, lokal handeln: 

Der Zugang zu einem globalen Talente-Pool eröffnet IT-Unternehmen die Chance, ihren Kundenstamm besser zu bedienen und schneller zu wachsen. Gleichzeitig müssen sich Firmen bewusst sein, dass die Teammitglieder unterschiedliche kulturelle und soziale Hintergründe mitbringen. Diese lokalen Unterschiede gilt es zu respektieren – und die Menschen regional abzuholen.

Dabei gilt die Maxime: Hyperlokale Besonderheiten anerkennen, bedeutet Wertschätzung zeigen. Es vermittelt Mitarbeitenden das Gefühl, in einer globalen Organisation gesehen und einbezogen zu werden. Um dies zu erreichen, helfen Richtlinien, die die verschiedenen Bräuche und Kulturen berücksichtigen.

Dazu gehören etwa, verschiedene Zeitzonen, Arbeitsgewohnheiten oder auch regionale Feiertage zu beachten und sie beispielsweise bei der Organisation von Meetings einzuplanen. Dezentralisierte globale Organisationen sollten andere Kulturen nicht als Hindernis ansehen, sondern als eine Bereicherung für alle Teammitglieder.

2. Management muss neue Remote-Work-Arbeitsformen unterstützen: 

Für IT-Unternehmen, die bisher vor allem auf Büropräsenz gesetzt haben und nur corona-bedingt auf mobiles Arbeiten gesetzt haben, ist der Wechsel zum dezentralen Modell mit Personal jenseits der eigenen Ländergrenzen ein großer Schritt.

Ist die Entscheidung aus der Chefetage daher erfolgt, muss der Wandel von Führungskräften und Management unterstützt werden. Wenn sie skeptisch sind, merken die restlichen Mitarbeitenden, dass die neue Unternehmenskultur nicht von ihnen mitgetragen wird.

Für den Erfolg neuer Remote-Work-Strategien ist es somit entscheidend, dass die gesamte Führungsebene gemeinsam an einem Strang zieht. Gleichzeitig müssen sie bedenken, dass manchen Teammitglieder Veränderungen schwerer fallen als anderen.

Ein gutes Management versucht den unterschiedlichen Charakteren mit ihren individuellen Hintergründen daher Empathie und Verständnis entgegenzubringen. Das gilt im Übrigen auch für die unterschiedlichen Kommunikationsbedürfnisse eines dezentralen Remote-Teams.

Richtlinien für Kommunikationsprozesse festlegen

Zweifelsohne verändert sich die Kommunikation in einer Organisation, wenn sie Teammitglieder jenseits der eigenen Ländergrenzen beschäftigt. Aus diesem Grund sollten IT-Unternehmen Richtlinien für ihre Remote-Teams definieren und klar kommunizieren.

Dabei sollten sie beispielsweise die bevorzugte Reaktionszeit, Schreibstil und Tonalität sowie die richtigen Kommunikationstools der Mitarbeitenden berücksichtigen. Nur all zu leicht entsteht ein Wirrwarr aus vielen verschiedenen Anwendungen und Programmen, die möglicherweise überlappende Funktionen haben. Oder es besteht intern keine Klarheit darüber, für welchen Zweck ein Tool genutzt wird.

Um dies zu vermeiden, kann zum Beispiel festgestellt werden, dass Zoom nur für Videoanrufe mit Kunden verwendet wird, während Slack für  Messaging und E-Mails für Wochenberichte genutzt wird.

Durch klare Kommunikationsrichtlinien lässt sich verhindern, dass wichtige Daten und Informationen verloren gehen, was negative Auswirkungen auf die Reaktionszeit und Produktivität des Teams hat.

Fazit: Globale Teams machen Unternehmen authentischer

Neue dezentrale Arbeitsmodelle sind eine einmalige Chance, den Fachkräftemangel in Deutschland zu bewältigen. Schließlich sind in anderen Regionen dieser Welt gut ausgebildete Talente vorhanden. Durch digitale Plattformen und Kommunikationstools können IT-Unternehmen von der bestehenden Vielfalt an qualifizierten Fachkräften jenseits der jeweiligen Landesgrenzen profitieren.

Insbesondere Firmen, die den Anspruch verfolgen, globale Produkte herzustellen, gewinnen dabei an Authentizität, wenn tatsächlich ein globales Team dahinter steht. 

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