Eine Sentiment Analysis hilft Unternehmen, den emotionalen Wert ihrer Kommunikation zu ermitteln. Das müssen Sie über die Sentimentanalyse wissen. [...]
Emotionen treiben Veränderungen voran. Umso wichtiger wird es für Unternehmen, mit Hilfe einer Sentiment Analysis (auch Sentimentanalyse, Stimmungsanalyse oder Sentiment Detection) herauszufinden, welche Emotionen ihre Kommunikationsbemühungen hervorrufen. Inzwischen geht das längst über die reine Textanalyse hinaus – auch Audio- und Videomaterial kann einbezogen werden.
Sentimentanalyse – Definition
Bei der Sentiment Analysis handelt es sich um eine Analysetechnik, die Statistiken, Natural Language Processing (NLP) und Machine Learning (ML) einsetzt, um die emotionale Bedeutung von Kommunikation zu ermitteln.
Unternehmen nutzen die Sentimentanalyse, um
- Kundennachrichten,
- Call-Center-Interaktionen,
- Online-Bewertungen,
- Beiträge in sozialen Medien und
- andere Inhalte zu bewerten.
Mit der Sentiment Analysis lässt sich verfolgen, wie sich die Einstellung gegenüber Unternehmen, Produkten oder Dienstleistungen (oder einzelnen Merkmalen dieser Produkte oder Dienstleistungen) verändert.
Sentiment Analysis – Beispiele
Eines der bekanntesten Online-Beispiele für eine Sentimentanalyse ist ein Projekt des Computational Story Lab der University of Vermont – das Hedonometer. Jeden Tag laufen dort mehr als 50 Millionen englischsprachige Tweets zusammen (was in etwa einem Zehntel des gesamten Twitter-Nachrichtenverkehrs entspricht). Daraus errechnet das Tool täglich einen durchschnittlichen „Happiness Index“.
Rein rechnerisch betrachtet, ist der Ansatz simpel: Das Labor sammelte circa 10.000 häufig verwendete Wörter und ließ Menschen über Amazons Mechanical-Turk-Service jedem Wort eine „Glücksnote“ zuordnen. Neutrale und stark kontextabhängige Begriffe werden dabei herausgefiltert. Die Punktzahlen der Übrigen werden addiert und gemittelt, um den täglichen Glücks-Score zu ermitteln. Die Wortlisten inklusive Bewertungen sind auf der Projekt-Website (auf Englisch und neun weiteren Sprachen) verfügbar.
Dieser Ansatz verkörpert nach Meinung von Hayley Sutherland, Senior Research Analyst für Conversational AI bei IDC, eine altmodische Methode für Sentimentanalysen. Dieser könne sich für wirklich große Textmengen dennoch sehr gut eignen, so die Expertin.
Das Hedonometer verwendet darüber hinaus auch eine einfache Positiv-Negativ-Skala – was die häufigste Art der Sentiment Analysis darstellt. Während das Hedonometer eine Skala von eins bis neun verwendet, gehen andere Ansätze von drei Werten aus (positiv, negativ und neutral) oder geben einen Prozentsatz an. „Feiner abgestufte Ansätze können auch andere Emotionen erkennen. Das variiert von Tool zu Tool“, weiß Sutherland. „Traurig, wütend und aufgeregt sind einige der gängigeren Emotionen.“ Unternehmen können diese granulare Version der Stimmungsanalyse nutzen, um zu erkennen, ob Menschen frustriert sind oder sich unwohl fühlen.
Eine weitere Art der Sentimentanalyse ist die Absichtserkennung: „Dabei geht es darum, herauszufinden, welche Handlung der Kunde beabsichtigt. Zum Beispiel im Verkauf: Sind sie am Kauf interessiert oder sind sie es nicht?“, erklärt Sutherland. Dabei könne eine Sentiment Analysis inzwischen weit mehr als nur Text zu analysieren: „Einige Systeme nutzen Gesichts-, andere Stimmanalysen. Ich sehe immer mehr Unternehmen, die sich auf emotionale KI fokussieren. Wenn man zusätzlich zu den Worten auch den Tonfall versteht, ist es zum Beispiel einfacher, Sarkasmus zu erkennen.“
Beispiele für Sentimentanalysen im öffentlichen Sektor sind etwa:
- die Weltgesundheitsorganisation (WHO) setzt im Rahmen ihres „Vaccine Confidence Project“ die Sentiment Analysis ein, um soziale Medien, Nachrichten, Blogs, Wikipedia und andere Online-Plattformen zu untersuchen;
- im Frühjahr 2021 brachte Google Cloud seine „Intelligent Impact Solution“ auf den Markt, die eine Sentiment-Analysis-Komponente enthält; damit sollen Regierungsbehörden ihre Kommunikationsbemühungen im Rahmen von COVID-19-Impfkampagnen besser koordinieren.
Sentimentanalyse – Methoden und Tools
Die grundlegende Ebene der Stimmungsanalyse umfasst entweder Statistik oder maschinelles Lernen (auf Grundlage von überwachten oder halbüberwachten Lernalgorithmen). Wie beim Hedonometer sind auch beim überwachten Lernen Menschen beteiligt, um einen Datensatz zu bewerten. Im Fall des halbüberwachten Lernens stellt eine Kombination aus automatisiertem Lernen und regelmäßigen Überprüfungen sicher, dass der Algorithmus die richtigen Ergebnisse erzielt.
Eine weitere Methode, um Sentimentanalysen durchzuführen ist Deep Learning: „Deep Learning verwendet vielschichtige neuronale Netze, die sich an der Funktionsweise des menschlichen Gehirns orientieren“, erklärt Sutherland. Diese anspruchsvolle Ebene der Sentiment Analysis kann ganze Sätze oder ganze Gespräche untersuchen, um Emotionen zu ermitteln sowie zur Analyse von Sprachaufnahmen und Videomaterial verwendet werden. Inzwischen bieten sowohl alle großen Cloud-Anbieter, als auch Provider von Kundensupport- und Marketing-Lösungen Sentiment-Analysis-Tools an.
Unternehmen, die an Sentimentanalysen interessiert sind, sollten sich zunächst mit den Tools und Technologien auseinandersetzen, die sie bereits einsetzen, meint Boris Evelson, Principal Analyst bei Forrester Research: „Verfügen sie über ein Umfrage-Tool, das eine Sentiment Analysis beinhaltet? Auch Plattformen zum Management von Kundenfeedback bieten Sentimentanalyse-Optionen, ebenso wie allgemeine Analytics Tools wie IBM Watson Discovery oder Micro Focus IDOL. Wir raten unseren Kunden, sich erst einmal dort umzusehen, da sie eine Sentiment Analysis in der Regel als Teil der Dokumentenerfassung und -auswertung oder des Customer-Experience-Prozesses benötigen.“
Nur wenige Unternehmen bauen ihre eigenen Sentimentanalyse-Plattformen auf. Das erfordert sowohl internes Fachwissen als auch ausufernde Trainingsdatensätze. Für Unternehmen mit sehr spezifischen Anforderungen, die von bestehenden Plattformen nicht erfüllt werden, kann sich dieser Aufwand dennoch lohnen. Kommt es dazu, entstehen eigenentwickelte Tools häufig auf der Grundlage von Open-Source-Bibliotheken. Zu den NLP-Bibliotheken, die sich für eine Sentiment Analysis eignen, gehören:
Darüber hinaus unterstützen einige Low-Code-Tools für Maschinensprache ebenfalls die Sentimentanalyse, darunter PyCaret und Fast.AI. Sentimentanalysen mit Deep Learning funktioniert mit Transformer-Modellen wie:
Letztgenanntes kann eine Sentiment Analysis sogar ohne Trainingsdaten durchführen.
Der Aufbau einer eigenen Plattform für Stimmungsanalysen kann Unternehmen nach Auffassung von Dan Simion, Vice President für KI und Analytics bei Capgemini, einen Wettbewerbsvorteil verschaffen: „Das ist der Trend, den wir auf dem Markt bei den großen Unternehmen beobachten. Wenn sie das gleiche Tool von der Stange kaufen wie ihre Konkurrenten, wird nichts aus dem Wettbewerbsvorteil.“
Ein gängiger Ansatz für Unternehmen, die ihre eigenen Plattformen aufbauen, ist die Einbindung von Sentimentanalyse-Funktionen über Programmierschnittstellen (APIs). Alle großen Cloud-Anbieter bieten diese an. „Die Frage ist letztendlich, wie gut diese APIs sind. Wenn Sie ein Nischenprodukt haben, werden sie ihnen wahrscheinlich nichts nutzen“, gibt Simion zu bedenken. Und dann seien da noch die Kosten, fügt er hinzu: „Jeder einzelne API-Aufruf kostet Geld. Sie müssen sich vergewissern, dass es wirtschaftlich machbar ist, diese speziellen APIs aufzurufen. Davon abgesehen, könnte das eine gute Lösung für kleine und mittlere Unternehmen sein.“
Sentiment Analysis – Datasets
Maschinensprache und Deep-Learning-Ansätze zur Sentimentanalyse erfordern große Trainingsdatensätze. Kommerzielle und öffentlich verfügbare Tools bringen oft große Datenbanken mit, die aber in der Regel sehr allgemein gehalten und nicht auf bestimmte Branchen zugeschnitten sind.
„Man braucht Milliarden von Wörtern und Beispielen, um zu lernen, Stimmungen richtig einzuschätzen“, weiß Bryan Richardson, Associate Partner bei McKinsey. Die allergrößten Unternehmen könnten – ausreichend Zeit vorausgesetzt – in der Lage sein, ihre eigenen Daten zu sammeln: „Für ein einzelnes Unternehmen, einen Einzelhändler oder eine Bank, ist es schwierig, genügend Daten über ihre eigenen Kunden zu sammeln, um ein Modell zu erstellen. Aber durch Tools wie Transfer Learning werden NLP-Modelle jetzt anhand sehr großer Datenbestände kalibriert und dann auf verschiedene Praxisfälle angewandt.“
Unternehmen können also mit einem kommerziellen Tool und einem kleinen Satz domänenspezifischer Trainingsdaten beginnen und diesen dann auf ihre eigenen Bedürfnisse anpassen.
Sentimentanalyse – Use Cases
Im Unternehmensumfeld kommt die Sentimentanalyse vor allem in der Kundenkommunikation zum Einsatz, etwa in Callcentern. Entsteht nach der Veröffentlichung eines neuen Produkts eine negative Stimmungslage, können Unternehmen tief in die Materie eintauchen und herausfinden, welche Funktionen Probleme verursachen oder mehr Ressourcen für die Problembehandlung abstellen. Da im Kundensupport inzwischen vermehrt webbasierte Videoanrufe getätigt werden, lassen sich auch immer mehr Videotrainingsdaten erfassen.
Die gleiche Art von Technologie, die zur Durchführung von Stimmungsanalysen für die Kundenerfahrung verwendet wird, kann auch auf die Employee Experience angewandt werden. Der Beratungsriese Genpact beispielsweise setzt die Sentiment Analysis bei seinen 100.000 Mitarbeitern ein, wie Amaresh Tripathy, Global Leader of Analytics, preisgibt: „Wir verwenden ein KI-Tool, einen Chatbot für Konversationen. Statt der Personalabteilung kontaktiert ein Chatbot die Mitarbeiter und bietet bei Bedarf Unterstützung an.“
Auch in Sachen Markenimage kann die Sentimentanalyse Unternehmen unterstützen. Hierbei geht es darum, zu verstehen, wie Teile der Kundschaft über die Produkte denken und Marketing-Botschaften gezielt an diese Kunden auszuspielen. „Die Sentiment Analysis ist besonders nützlich für die Öffentlichkeitsarbeit“, meint Andy Thurai, Chefanalyst bei Constellation Research. „Man will lieber früher als später wissen, wenn sich negative Nachrichten verbreiten, um Krisenmanagement zu betreiben.“ Früher habe man Umfragen per Post verschickt und es habe Tage oder gar Wochen gedauert, die Daten zu sammeln und zu analysieren, so Thurai. „Aber auf Twitter und anderen Kanälen scheinen die Leute ihre Meinung ungefiltert kundzutun.“
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.
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