Was Manager tun können: Anerkennung senkt Burnout-Risiko

Die Haltung von Chefs gegenüber dem Team entscheidet maßgeblich mit, ob der vielerorts herrschende Stress zu Burnout führt. Das zeigen Forscher mehrerer Unis. [...]

Erschöpft: Supervisoren berichten über alle Branchen hinweg von belastenden Zuständen, in denen Angestellte ihre Gesundheit riskieren (c) pixabay.com

Fühlen Arbeitnehmer sich leistungsgerecht belohnt, ist das Risiko einer arbeitsbedingten Erschöpfung deutlich geringer. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse einer Studie, an der Wissenschaftler der Goethe-Universität Frankfurt, des Frankfurter Sigmund-Freud-Instituts und der Technischen Universität Chemnitz beteiligt waren.

Eine leistungsgerechte Belohnung verstehen die Wissenschaftler dabei so: „Das bedeutet mehr als nur angemessene Bezahlung, wichtig ist vor allem die soziale Anerkennung, die Menschen für ihren Arbeitseinsatz erhalten“, erläutert der Frankfurter Sozialpsychologe Professor Rolf Haubl.

Für die Untersuchung wurden fast 900 Supervisoren, die Profit- und Non-Profit-Unternehmen beraten, nach ihrer Einschätzung zur Arbeitsbelastung befragt. Diese Experten berichteten von belastenden Zuständen: Über alle Branchen hinweg seien die Arbeitsbedingungen so, dass viele Beschäftigte ihre psychische Gesundheit riskieren. Die Studienautoren führten neben ihrer Befragung auch 30 Intensivinterviews mit Supervisoren. Einer berichtete von einem Unternehmen, in dem weniger als 100 angehäufte Überstunden bei Leistungsträgern als Zeichen dafür gewertet werden, dass jemand nicht richtig arbeite.

Überforderung führt nicht zu Gleichgültigkeit: Mitarbeiter leiden darunter, Qualitätsstandards verletzen zu müssen

Die Studienergebnisse bestätigten nicht eine immer wieder im Zusammenhang mit Überforderung am Arbeitsplatz geäußerte Vermutung. Mitarbeiter reagieren nicht gleichgültig gegenüber ihrer Arbeit, wenn sie sich im Job überfordert fühlen, zeigt die Studie. Das Gegenteil ist der Fall.

„Die Befragten trafen in den Organisationen in der überwiegenden Mehrzahl auf Beschäftigte, für die Arbeit – noch – eine Sinn stiftende Funktion hat und die deshalb darunter leiden, wenn sie aufgrund eines herrschenden ökonomischen Effizienzdrucks gezwungen sind, Qualitätsstandards zu verletzen“, sagt der Chemnitzer Professor Günther G. Voss. In den meisten Organisationen hat in den vergangenen Jahren die Arbeitsintensität eindeutig zugenommen: Arbeitsprozesse werden verdichtet und beschleunigt und Nischen beseitigt. Darüber hinaus steigt die Zahl der prekären und befristeten Arbeitsverhältnisse.

Die befragten Supervisoren berichteten in der Umfrage auch davon, dass Arbeitnehmern heute immer häufiger viel zugemutet werde, zum Beispiel der Spagat zwischen Professionalität und Kostenreduzierungen, für den sie keine Unterstützung von ihrem Arbeitgeber erhalten. „Und das führt entweder dazu, sehenden Auges die eigene Gesundheit zu riskieren, um Karrierevorteile zu erlangen, oder es demoralisiert“, kommentiert Haubl die Ergebnisse.

Sollten Arbeitsplätze keine Gesundheitsrisiken sein, wie es die Weltgesundheitsorganisation in der Charta von Ottawa verlange, bedürfe es eines Einstellungswandels, der heute vielerorts noch in weiter Ferne liege, so der Professor.

Die Empfehlung der Studieninitiatoren lautet: Arbeitgeber sollten in die Organisationskultur investieren, um das Burnout-Risiko im Unternehmen zu senken. „Neben der leistungsgerechten Belohnung als einflussreichster Faktor kommt es besonders auf das Verhalten und die Einstellung der Vorgesetzten und der Kollegen an“, sagt Professor Haubl.

Haltung des Chefs kann vor dem Ausbrennen schützen

Chefs, die ihre Mitarbeiter nicht nur als Kostenfaktoren betrachteten, sondern als eine Belegschaft mit produktiven Fähigkeiten, die sie nachhaltig zu entwickeln suchten, schützten ebenso vor überfordernden Arbeitsbedingungen wie Kollegen, die sich halbwegs solidarisch verhalten, so der Frankfurter Professor.

Momentan sieht das laut der Studie noch anders aus: 62,7 Prozent der Befragten registrieren, dass Führungskräfte nur unzureichend Halt und Orientierung bieten. 53,3 Prozent können nicht erkennen, dass das Betriebsklima in den Organisationen gut ist.

Die Professoren Rolf Haubl und Günter G. Voss haben die Befragungsergebnisse unter dem Titel „Grenzen professioneller Arbeit – Risikofaktoren für Arbeit und Gesundheit“ veröffentlicht. Für die Studie wurden 893 Supervisoren in Profit- und Non-Profit-Unternehmen befragt, wie sie aktuell die Arbeitsbedingungen in den Unternehmen wahrnehmen. An der Befragung waren die Goethe-Universität Frankfurt und die Technische Universität Chemnitz beteiligt. Die Studie wurde mit Mitteln der Deutschen Gesellschaft für Supervision gefördert.

*Andrea König schreibt seit 2008 für CIO.de. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit für die CIO-Redaktion sind Themen rund um Karriere, soziale Netzwerke, die Zukunft der Arbeit und Buchtipps für Manager. Die Arbeit als freie Autorin für verschiedene Redaktionen ist mittlerweile kein Vollzeitjob mehr – hauptberuflich arbeitet sie als PR-Beraterin bei einer Hamburger Kommunikationsagentur.


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