Was Sie über schlankes Management wissen müssen

Prozesse optimieren, Verschwendung minimieren, Kosten senken: Wir zeigen, was sich hinter dem Begriff Lean Management verbirgt und wie Unternehmen profitieren können. [...]

Die Prinzipien des Lean Management lassen sich auch auf die IT-Organisation übertragen (c) pixabay.com

Globalisierung, wirtschaftliche Krisen, zunehmender Wettbewerbsdruck und kürzere Innovationszyklen stellen Unternehmen vor große Herausforderungen. Auch das Tempo der Digitalisierung nimmt stetig zu. Unternehmen müssen daher ihre Geschäftsmodelle ständig überprüfen und bei Bedarf anpassen. Zudem sollten sie ihre Prozesse optimieren und verschlanken, Kosten senken und bei allen Aktionen den Fokus auf den Wert für den Kunden richten. Ein Erfolgsfaktor dafür ist Lean Management, sprich schlankes . Die Lean-Prinzipien lassen sich auch auf das IT-Management übertragen.

Dieser Artikel beantwortet die wichtigsten Fragen rund um Lean Management und insbesondere Lean IT-Management.

Was ist Lean Management?

Lean Management lässt sich als „Schlankes Management“ ins Deutsche übersetzen und steht für Flexibilität. Lean Management umfasst alle Methoden, Denkweisen und Tools, mit denen Unternehmen ihre Prozesse optimieren können. Ein in diesem Sinne schlankes Unternehmen konzentriert sich auf das Wesentliche und setzt die richtigen Ressourcen zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Qualität ein, um Mehrwert für den Kunden zu erreichen.

„Lean Management ist mittlerweile ein anerkannter Managementansatz, der es ermöglicht, Freiraum für Innovationen sowie die Flexibilisierung und Individualisierung der Produkte zu schaffen“, erklärt Inge Hanschke, Geschäftsführerin der Management- und IT-Beratung Lean42. Im Kern gehe es darum, mit möglichst schlanken Prozessen maßgeschneiderte Produkte bereitzustellen, so Hanschke.

Lean Management geht als Sammlung von Management-Praktiken ursprünglich auf das Toyota Production System (TPS) zurück und bezog sich zunächst auf die schlanke Produktion von PKWs. Toyota zeichnete sich in den 1980er-Jahren im Vergleich zum Wettbewerb durch höhere Qualität, weniger Ausschuss und eine größere Zahl an produzierten Fahrzeugen bei geringerem Einsatz an Ressourcen aus. Kernelemente des TPS waren/sind synchronisierte und standardisierte Prozesse, das Vermeiden von Fehlern, verbesserte Produktionsanlagen sowie die systematische Qualifizierung der Mitarbeiter. Dahinter steckt das Ziel einer kontinuierlichen Verbesserung (Kaizen).

„Lean Management ist mittlerweile ein anerkannter Managementansatz, der es ermöglicht, Freiraum für Innovationen sowie die Flexibilisierung und Individualisierung der Produkte zu schaffen“, sagt Inge Hanschke von der Beratungsfirma Lean42 (c) Lean42

Welche Ziele verfolgt Lean Management?

„Das Ziel von Lean Management ist es, Kundenwert ohne Verschwendung zu schaffen, Prozesse und Organisation zu verschlanken und zu optimieren“, sagt Hanschke. Beispiele für „Verschwendungen“ sind schlecht vorbereitete oder geführte Meetings, unnötige Formalien, lange mehrstufige Genehmigungsverfahren oder Überproduktion. Auch falscher Technologieeinsatz, unnötige oder übertriebene Reports sowie unklare Verantwortlichkeiten kosten viel Zeit und senken die Motivation der beteiligten Mitarbeiter.

Um Verschwendung zu minimieren, sollten sich Unternehmen auf die Prozesse konzentrieren, die zur Wertschöpfung beitragen. Da diese Verschlankung Zeit und Kosten spart, kann das Unternehmen effizienter agieren.

Verstehen und Analysieren: Beim Leanisieren identifizieren Firmen schnell und systematisch Ansatzpunkte für die Erhöhung des Kundenwerts und zur Verschlankung (c) Lean42

Auf welchen Prinzipien baut Lean Management auf?

Um die erhofften Effekte zu erzielen, basiert Lean Management auf folgenden fünf Kernprinzipien: Kundenorientierung, Nutzen– / Wertorientierung, Flussprinzip, Pull-Prinzip und Null-Fehler-Prinzip.

Alles auf einen Blick: Business Model Canvas skizziert die neun zentralen Faktoren für den Erfolg eines Geschäftsmodells (c) Business Modell Canvas, Osterwalder, Pigneur & al. 2010

Kundenorientierung

Am Anfang stehen viele Fragen: Wer sind die Kunden? Welche Bedürfnisse/Anforderungen/Ziele haben sie? Wofür sind sie bereit, wieviel Geld auszugeben? Welchen Nutzen hat der Kunde von was? Was ist der Wert von Produkten und Leistungen aus Sicht der Kunden? Können wir die Produkte oder Leistungen in der geforderten Qualität zu diesem Preis selbst oder durch Lieferanten liefern?

Im Kern geht es hier darum, den Wert des Produkts oder der Leistung aus Sicht des Kunden zu definieren. Ziel ist es, die Produkte und Leistungen exakt auf die Bedürfnisse des Kunden abzustimmen, so dass er die richtigen Leistungen zur richtigen Zeit in der notwendigen Qualität und zum adäquaten Preis erhält. Qualität ist dabei neben Funktionalität und Usability ein wesentlicher Kundennutzen.

Doch wie identifiziert man, wovon ein Kunde profitiert und was für ihn einen Mehrwert darstellt? Hier bieten sich zwei Methoden an: Gemba Walk und Lean-Startup. Beim Gemba Walk verschafft sich der Manager oder Business-Analyst vor Ort einen Überblick über die aktuelle Situation und die Abläufe in der eigenen Firma oder beim Kunden. Er geht dorthin, wo es Probleme gibt oder Verbesserungen notwendig sind und spricht mit den betroffenen Personen / Mitarbeitern, um die Ursachen der Probleme zu identifizieren.

Gemba Walk: Der Manager oder Business-Analyst verschafft sich vor Ort einen Überblick über die aktuelle Situation und die Abläufe in der eigenen Firma oder beim Kunden (c) Lean42

Beim Lean-Startup-Ansatz geht es darum, für ein Produkt oder einen Service möglichst schnell und zu geringstmöglichen Kosten Feedback von den Kunden zu erhalten. Dazu entwickelt man zuerst zügig die Kernfunktionalität (Was ist wesentlich?) und holt dann das Feedback der Kunden ein (Wie kommt das Produkt an? Wie funktioniert es?). Aus dem Feedback werden die wirklichen Kundenwünsche und auch die Bedürfnisse des Marktes ersichtlich. Die so gewonnenen Erkenntnisse fließen in den weiteren Entwicklungs-Zyklus ein und münden in eine permanente Weiterentwicklung des Produkts.

Nutzen- / Wertorientierung

Hier geht es darum, den Wertstrom zu identifizieren und Verschwendungen zu ermitteln und auszuschalten. Zentrales Element dafür ist die Wertstromanalyse. Der Wertstrom umfasst alle Schritte und Prozesse, die zur Herstellung des Produktes oder der Dienstleistung benötigt werden – vom Rohmaterial bis hin zum fertigen Produkt. Durch den Fokus auf die wertschöpfenden Prozesse lassen sich Verschwendungen vermeiden und beispielsweise unnötige Funktionen oder Schritte in Prozessen vermeiden, um die Durchlaufzeiten zu verbessern. Damit können Unternehmen auch die verfügbaren Ressourcen effizient und optimal einsetzen.

Fluss-Prinzip

Damit ist ein kontinuierlicher Ablauf der Produktion oder der Geschäftsprozesse gemeint, der Lastspitzen und Lasttäler vermeidet. In der Produktion kann dies etwa durch die Fertigung von kleinen Losen sowie Vermeidung von Liegezeiten und Zwischenlagerung erfolgen. In administrativen Prozessen ist es möglich, hemmende Formalien auszuschalten, die Entscheidungen verzögern.

Pull-Prinzip

Hier werden Leistungen nur nach Bedarf und zu dem Zeitpunkt erbracht, zu dem sie angefordert werden. Das heißt, die Produktion startet erst, wenn eine Bestellung des Kunden vorliegt oder die Bestände ein Minimum erreicht haben. Ziel ist es, die Kapazität bedarfsgerecht auszulasten. Für die schnelle Reaktion ist in der Regel eine enge Integration zwischen Geschäftsprozessen und Partnern erforderlich.

Null-Fehler-Prinzip

Ein wichtiges Prinzip des Lean Managements ist das Streben nach Perfektion und ständiger Verbesserung (Kaizen). Dazu erläutert Hanschke: „Da jeder Fehler als Störung des Prozesses angesehen wird, gehen Verantwortliche den Problemen vor Ort und sofort auf den Grund, suchen nach den Ursachen und beseitigen diese an der Wurzel. Die Folge ist ein Effizienz- und Qualitätsgewinn durch eine Reduktion von Fehlleistungen und ein frühes Reagieren auf Fehler, die Fehlerkosten sinken.“ Unternehmen werden durch das permanente Erkennen und Beseitigen der Fehler zudem zu einer lernenden Organisation.

Wie lässt sich Lean Management auf die IT übertragen?

Diese Lean-Prinzipien lassen sich auch auf das IT-Management übertragen. Hintergrund: Viele IT-Abteilungen stehen vor großen Herausforderungen. Auf der einen Seite sollen sie zu möglichst geringen Kosten den reibungslosen Betrieb der IT-Infrastruktur gewährleisten, Geschäftsprozesse optimieren und schnell auf neue Anforderungen der Fachabteilungen reagieren. Auf der anderen Seite sollen sie im Rahmen der Digitalisierung federführend zu Innovationen und der künftigen Weiterentwicklung des Unternehmens beitragen.

Die IT kann diesen Spagat meistern, wenn sie sich nach den Lean-Prinzipien ausrichtet. „Wir nennen das ‚Leanisieren‘ der IT“, erklärt Beraterin Hanschke. 2Beim Leanisieren identifizieren Firmen schnell und systematisch Ansatzpunkte für die Erhöhung des Kundenwerts und zur Verschlankung und minimieren Verschwendung. Sie suchen nach zielführenden Lösungen und setzen geeignete Quick-win basierte Maßnahmen um. Die IT-Abteilung müsse die Geschäftsprozesse analysieren. Es gelte, Lean Management mithilfe von Methoden der agilen Entwicklung oder DevOps im Sinne einer enger Verzahnung von Anwendungsentwicklung und IT-Betrieb zu realisieren.

Welche Herausforderungen und Fallstricke gibt es?

Die grundlegenden Gedanken von Lean Management beziehen sich auf die Lösung von Problemen, verbunden mit einer kontinuierlichen Verbesserung. Daher geht es darum, ehrlich zu sein, die Ist-Situation schonungslos zu analysieren und die Probleme sichtbar zu machen anstatt sie zu verstecken. Das funktioniert nur mit einer Unternehmenskultur, die Fehler nicht verurteilt, sondern die erkannten Probleme als Chance zur Weiterentwicklung und Verbesserung sieht. Hier haben viele Unternehmen noch Nachholbedarf.

Da die Wertstromanalyse vom Rohmaterial bis hin zum fertigen Produkt alle Fertigungsprozesse umfasst, müssen Unternehmen Abteilungsgrenzen überwinden und organisationsübergreifend optimieren, vom Einkauf über Vertrieb bis hin zur Produktion. Voraussetzung für den Erfolg sind daher eine offene Kommunikations- und Leistungskultur innerhalb der Firma, die Abkehr vom Silodenken und teilweise auch die Überwindung von hierarchischen Strukturen. Es geht um Change Management, da häufig ein langer, gesteuerter Veränderungsprozess notwendig ist. Dieser gelingt oft nur, wenn die Geschäftsführung die Verantwortlichen für das Lean Management unterstützt.

Welchen Nutzen bringt Lean Management in der IT?

Die Digitalisierung zwingt Unternehmen, ihre Geschäftsmodelle in immer kürzeren Zeitabständen zu überdenken und anzupassen. Techniken wie Lean Startup mit der Konzentration auf Kernfunktionen, Feedback der Kunden und Weiterentwicklung sind gerade in Zeiten der Digitalisierung erfolgsentscheidend für eine kürzere Time-to-Market. Durch die Verschlankung können Firmen zudem die steigende Komplexität besser beherrschen und die Freiräume für notwendige Innovationen schaffen.

Worauf müssen Firmen bei der Implementierung von Lean Management in der IT achten?

Hier die wichtigsten Punkte hierbei sind:

  • Umfassende Analyse, um den Ist-Zustand im Unternehmen zu verstehen (Wo drückt der Schuh?). Hier auch Befragung des Managements und der Key User. Es geht darum, sich „ehrlich“ zu machen.
  • Handlungsfelder identifizieren, um die richtigen Dinge mit den richtigen Tools angehen zu können
  • Schrittweises und agiles Vorgehen
  • Nutzenorientierte Quick Wins finden: Wie laufen Prozesse für das Business durch die IT besser? Wie läuft Kommunikation zwischen den Fachbereichen und der IT-Abteilung? Wer hat wo welchen Nutzen? Wo sind die Probleme?
  • Enge Zusammenarbeit zwischen IT-Abteilung und Fachbereichen notwendig
  • Offene Leistungs- und Fehlerkultur
  • muss die offene Unternehmenskultur vorleben und Voraussetzungen für gute Teamleistung schaffen

Use Cases: Wie lässt sich Lean Management in der IT umsetzen?

Zwei Beispiele für Lean Management in der IT:

1) Erschließung von neuen Kundengruppen sowie Verschlankung von administrativen Prozessen im CRM

Ein Unternehmen setzte mehrere CRM-Systeme ein und plante die Ablösung durch eine Cloud-Lösung. Ein externer Berater analysierte zunächst das Geschäftsmodell und insbesondere die Kundengruppen und deren Kontaktkanäle. Es folgte eine kombinierte Wertstrom-/End-to-end-Prozessanalyse, die Handlungsfelder wie unklare Verantwortlichkeiten oder Datenredundanzen ergab. Im Rahmen eines Lean-Startups setzten die Berater ein Pilotprojekt um und testeten es mit Vertretern der relevanten Kundengruppen. Nach dem Feedback wurde die Lösung verändert, schrittweise mit agilen Entwicklungsmethoden umgesetzt und in der bestehenden Organisation und IT-Infrastruktur verankert. Das Ergebnis: Das Unternehmen konnte dank einer besseren Datenbasis gezieltere Marketingaktionen starten.

Während des Projekts stellten sich allerdings einige Herausforderungen. So galt es Widerstände im mittleren Management zu überwinden, die mit der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit Probleme hatten. Zudem war das notwendige Know-how für die agile Entwicklung im Rahmen des Lean-Startup-Projekts nur teilweise vorhanden. Das Wissen musste erst aufgebaut werden.

2) Verankerung vom Demand Management in der Organisation

Ein Unternehmen hatte zwar Demand Management bereits eingeführt, „lebte“ es aber nicht. Daher ermittelte ein Berater zunächst in einer kombinierten Wertstrom-/End-to-end-Prozessanalyse, wer vom Demand Management profitiert: Wer nutzt welche Ergebnisse entlang welcher Prozesse? Wer liefert welche Ergebnisse entlang welcher Prozesse?

Auf diese Weise traten schnell Handlungsfelder wie unklare Verantwortlichkeiten oder unklare Prozesse zutage. Ein Beispiel: Da das Demand Management nicht im Projektantrags-Prozess oder Projektportfolio-Management eingebunden war, hatte es keinen Einfluss.

*Jürgen Mauerer ist Journalist und betreibt ein Redaktionsbüro in München.


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