Was SWIFT-Ausschluss und Hightech-Sanktionen bewirken

Mit weitreichenden Sanktionen will der Westen Russland zwingen, seine mörderische Invasion in die Ukraine zu stoppen. Doch gerade die Folgen des SWIFT-Ausschlusses sind derzeit noch nicht abzusehen. [...]

Die Menschen in der Ukraine brauchen Hilfe. Mit den Sanktionen soll Russland gezwungen werden, seinen Angriffskrieg zu beenden (c) pixabay.com

Die EU, Deutschland und einige westliche Verbündete haben angekündigt, russische Finanzsysteme aus dem SWIFT-System auszuschließen und sie somit von den internationalen Finanzströmen abzuschneiden. Betroffen sind erst einmal jene Banken, die schon vorher von der internationalen Gemeinschaft mit Sanktionen belegt worden waren. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass weitere Institute folgen.

Ebenso wurden Sanktionen gegen die russische Zentralbank beschlossen. Im Wesentlichen soll dabei verhindert werden, dass der russische Präsident Wladimir Putin an seine Devisenreserven herankommt, um damit die Kriegskasse zu füllen. Vor allem der SWIFT-Ausschluss Russlands birgt allerdings erheblich Risiken für den Westen.

Was ist SWIFT?

SWIFT, die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunications, ist eine 1973 gegründete Organisation, die mit SwiftNet ein nach eigenen Angaben besonders sicheres Telekommunikationsnetz betreibt. Weltweit nutzen über 11.000 Banken, Brokerhäusern und Börsen dieses Netzwerk, um Finanznachrichten auszutauschen. Dabei werden standardisierte, hoch abgesicherte Codes hin- und hergeschickt, um beispielsweise Geld über Landesgrenzen hinweg zu transferieren.

Der Hauptsitz liegt im belgischen La Hulpe. Weitere Operating Center und Rechenzentren sind in Zoeterwoude, in den Niederlanden, in Culpeper (Virginia, USA) und im schweizerischen Diessenhofen angesiedelt. Im Januar 2022 wurden weltweit täglich über 46 Millionen Finanznachrichten via SWIFT übermittelt. Das dahintersteckende Finanzvolumen erreicht viele Billionen Dollar pro Tag. Kontrolliert wird der genossenschaftlich organisierte SWIFT-Betrieb von den Zentralbanken aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, den Niederlanden, Schweden, der Schweiz und den USA.

Das SWIFT-Netz ist für den grenzüberschreitenden Handel deswegen von entscheidender Bedeutung, weil es den Unternehmen in einem Land ermöglicht, Zahlungen in einem anderen Land zu garantieren. So muss beispielsweise ein EU-Unternehmen, das russische Produkte kauft, über SWIFT Geld von einer lokalen Bank auf das Bankkonto des russischen Verkäufers überweisen und dabei die SWIFT-Bankcodes verwenden.

Mit der weitgehenden Trennung Russlands vom SWIFT-Netz, können die Putin-Regierung und die russischen Unternehmen keine Zahlungen für Waren und Dienstleistungen mehr erhalten. Laut Aseem Prakash, Mitbegründer und Global Futurist des Center for Innovating the Future, einer Beratungsfirma mit Sitz in Toronto, laufen vierzig Prozent der russischen Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft über das Netzwerk.

Russland baut an SWIFT-Alternative

Wird das globale Finanznetzwerk allerdings als Sanktionswaffe eingesetzt, könnte das auch jenseits der russischen Grenzen langfristige Auswirkungen haben, warnen Finanzexperten. Derartige Maßnahmen könnten das Vertrauen in den US-Dollar und in das eigentlich unpolitische SWIFT-Netzwerk untergraben. Damit könnten die Schaffung von Alternativen wie der Handel in lokalen Währungen, die Verwendung von Kryptowährungen und die Bildung neuer bilateraler Freihandelsabkommen beschleunigt werden, warnt Prakash. China, Iran und Indien zum Beispiel handeln bereits in ihren lokalen Währungen.

SWIFT wurde schon in der politischen Auseinandersetzung um das iranische Atomprogramm als Druckmittel eingesetzt. Im März 2012 kappten die SWIFT-Verantwortlichen aufgrund von EU-Sanktionen den Datenverkehr mit großen iranischen Banken. Daraufhin brach der Außenhandel Irans empfindlich ein. Die gesamte Wirtschaft des Landes wurde erheblich geschädigt. Manche Experten behaupten, diese Maßnahmen hätten das autokratisch herrschende Mullah-Regime Irans wieder an den Verhandlungstisch zurückgezwungen.

Ob sich der russische Präsident Putin, der die völkerrechtswidrige Invasion der Ukraine angeordnet hatte, angesichts der SWIFT-Maßnahmen ebenso zum Einlenken bewegen lässt, ist jedoch fraglich. Russland hatte nach der Annexion der Halbinsel Krim im Jahr 2014, als ebenfalls eine SWIFT-Abkopplung Russlands zur Diskussion stand, ein eigenes Finanz-Messaging-System namens SPFS auf den Weg gebracht.

Dieses russische System zur Übermittlung von Finanzmitteilungen wird seit 2018 von sämtlichen Banken in Russland akzeptiert. Die russische Nachrichtenagentur TASS meldete vor rund einem Jahr, dass die Anzahl der Systemteilnehmer 400 erreicht habe, wobei sich auch 23 ausländische Banken aus Armenien, Belarus, Deutschland, Kasachstan, Kirgisistan und der Schweiz dem SPFS angeschlossen hätten. Des Weiteren strebt Russland danach, SPFS mit den Transaktionssystemen anderer Staaten zu verbinden, darunter das chinesische Cross-Border Inter-Bank Payments System (CIPS).

Empfindliche Treffer gegen die russische Kleptokratie

Dennoch dürfte der SWIFT-Ausschluss die russische Wirtschaft empfindlich treffen. Vor allem die Banken, die größtenteils von russischen Oligarchen kontrolliert werden und tief in die Machtzirkel des Kreml verstrickt sind, dürften Putin nicht egal sein.

Momentan sind aber zentrale russische Finanzinstitute von den Sanktionen betroffen. US-Präsident Joe Biden sprach von einer „vollständigen Blockade“ von zwei der größten russischen Finanzinstitute – VEB und Russlands Militärbank Promsvyaz-Bank, die Geschäfte im Verteidigungsbereich abwickelt. In einer Erklärung des US-Finanzministeriums hieß es, die VEB sei für Russlands Fähigkeit zur Kapitalbeschaffung von größter Bedeutung, während die Promsvyaz-Bank ein wichtiger Bestandteil des russischen Verteidigungssektors sei.

Die beiden Institute und ihre 42 Tochtergesellschaften verfügten zusammen über Vermögenswerte im Wert von 80 Milliarden Dollar. Der Biden-Administration zufolge wurden auch Finanztransaktionen von fünf wichtigen russischen Oligarchen blockiert, von denen angenommen wird, dass sie „an der Kleptokratie des russischen Regimes beteiligt sind“.

Die Folgen der Sanktionen und des SWIFT-Ausschlusses sind derzeit noch nicht abzusehen. „Wenn der Westen die russische Wirtschaft lahmlegt, könnte Russland als Vergeltung die Energieversorgung abstellen“, sagte Prakash. „Das würde in Deutschland, das 65 Prozent seines Erdgases aus Russland bezieht, ein absolutes Chaos auslösen.“ Derweil versuchen deutsche Politiker, diese Sorgen zu zerstreuen. Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte, Deutschland komme mit seinen Energiereserven problemlos durch den restlichen Winter und müsse sich danach um neue Optionen kümmern.

Probleme könnte es allerdings auf den Finanzmärkten geben. Westliche Banken haben Hunderte von Milliarden Dollar im Spiel, insbesondere in Öl- und Gas-Futures. Zahlreiche Öl- und Gastanker schippern derzeit auf See, deren Ladung vor Wochen und Monaten gekauft wurde, konstatiert Prakash. Wenn Russland von SWIFT abgeschnitten ist, könnten diese Käufe nicht abgewickelt werden. Es seien die Banken in den USA und der EU, die für dieses Geld aufkommen müssten.

Russland von Hightech-Importen abschneiden

Auch hinter anderen Sanktionen des Westens steht ein Fragezeichen. Das gilt vor allem für die Beschränkung der Exporte von Hightech-Produkten nach Russland. US-Präsident Biden hatte argumentiert: „Die beispiellosen Exportkontrollmaßnahmen werden mehr als die Hälfte von Russlands High-Tech-Importen abschneiden, Russlands Zugang zu lebenswichtigen technologischen Inputs einschränken, seine industrielle Basis verkümmern lassen und Russlands strategische Ambitionen, Einfluss auf der Weltbühne auszuüben, untergraben.“

Die Sanktionen rund um Technik und IT zielen insbesondere darauf ab, die Ausfuhr sensibler Technologien für den russischen Verteidigungs-, Luftfahrt- und Schifffahrtssektor zu unterbinden. Die Beschränkungen der US-Regierung gelten auch für Halbleiter, Telekommunikation, Verschlüsselungssicherheit, Laser, Sensoren, Navigation, Avionik und maritime Technologien. Man möchte Russland den Zugang zu westlicher Spitzentechnologie verwehren.

Prakash wies darauf hin, dass sich die Sanktionen gegen Hightech-Produkte nicht nur auf Produkte beziehen, die von US-Firmen hergestellt werden. Die Beschränkungen verbieten auch die Ausfuhr aller Produkte, die anderswo hergestellt werden und US-Technologien beinhalten. „China wird in der Lage sein, einige Lücken zu füllen“, sagte der Zukunftsforscher. „Aber die Sanktionen werden den russischen Herstellern, die alle möglichen Produkte aus verschiedenen Teilen der Welt importieren, schaden.“ Die Russen müssten alles neu überdenken – die Lieferketten, die Zahlungen, sogar die Gestaltung ihrer Fabrikhallen.

Was hat Putin in seine mörderische Pläne schon eingepreist?

Einen Exportstopp sämtlicher Hightech-Güter durchzusetzen, dürfte jedoch nicht einfach werden. Während die Ausfuhr von Halbleitern relativ leicht über die Lieferketten kontrolliert werden kann, weil es nur eine relativ kleine Anzahl von Unternehmen gibt, die sie herstellen, verbirgt sich hinter den Beschränkungen rund um Sensoren und Software deutlich mehr Aufwand. „Die Einhaltung und Durchsetzung von Sanktionen auf globaler Ebene wird für allgemeine High-Tech-Produkte schwierig sein“, sagte Prakash.

Nicht zuletzt dürfe man bei all diesen Sanktionsüberlegungen aus Sicht des Zukunftsforschers die alles entscheidende Frage nicht außen vor lassen: „Inwieweit hat Putin all dies bereits vorausgesehen und mit eingeplant?“

*Lucas Mearian schreibt für unsere US-Schwesterpublikation Computerworld.com.

**Martin Bayer: Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP; Betreuung von News und Titel-Strecken in der Print-Ausgabe der COMPUTERWOCHE.


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