Künstliche Intelligenz soll Marketing nicht ersetzen, sondern menschlicher machen. Eine aktuelle Untersuchung von Contentful und Atlantic Insights zeigt, wie Unternehmen Technologien einsetzen, um Kreativität, Effizienz und Personalisierung besser zu verbinden. ITWelt.at hat sich die Studie angesehen. [...]
Die Studie basiert auf einer Befragung von 425 Marketingentscheidern weltweit, ergänzt durch Tagebuchstudien und Experteninterviews. Zentrale Erkenntnis: Nahezu alle Chief Marketing Officers (96 Prozent) priorisieren den Einsatz von KI, doch nur 65 Prozent investieren mehr als 100.000 Dollar in entsprechende Initiativen. Der Effekt bleibt oft hinter den Erwartungen zurück – ein Missverhältnis, das die Autoren als „Optimismus-Execution-Gap“ bezeichnen.
Teams nutzen bereits heute KI-gestützte Werkzeuge: Fast die Hälfte arbeitet mit Produktivitäts-Copiloten wie Google Workspace oder Microsoft 365, 48 Prozent setzen generative Tools für Text, Bilder oder Videos ein, und 46 Prozent greifen auf Design-Software zurück. Allerdings bestehen erhebliche Bedenken hinsichtlich Sicherheit, Datenschutz, Kosten und fehlender Schulung.
Integration statt Tool-Flut
Während in der Vergangenheit „Stack Sprawl“ – die unkontrollierte Ansammlung von Tools – dominierte, haben viele Teams heute eine Kernmenge von sechs bis zehn Plattformen etabliert. Damit wollen sie Komplexität reduzieren und Arbeitsabläufe optimieren. Auffällig ist, dass sich neue Technologien häufig über „Stealth Integration“ verbreiten, also über Einzelanwender, die sie informell einführen, statt über zentrale Rollouts.
Einige der größten Hindernisse betreffen nicht die Technologie selbst, sondern deren Einbindung in bestehende Prozesse. Das führt zu dem Phänomen „Platform Purgatory“: Die gleichen Tools, die Arbeitsabläufe erschweren, sollen diese eigentlich vereinfachen.
Neue Kompetenzprofile: Datengetriebene Kreativität
Die Studie verdeutlicht, dass klassische Trennlinien zwischen kreativen und analytischen Rollen verschwimmen. Erfolgreiche Marketer kombinieren Kreativität mit datengetriebenen Entscheidungen – ein Ansatz, den die Autoren „Evidence-based Creativity“ nennen.
Gefragt sind vor allem Kompetenzen in Datenanalyse, Personalisierungsstrategien, digitalem Experience Design und Prompt Engineering. Besonders europäische Teams gelten hier als Vorreiter, da sie methodischer testen und durch regulatorische Erfahrungen mit DSGVO und dem kommenden EU-AI-Act bereits ein ausgeprägtes Bewusstsein für Governance entwickelt haben.
Geschwindigkeit, Qualität und Personalisierung gleichzeitig
Die Untersuchung zeigt Unterschiede zwischen den Märkten: Europäische Marketer setzen stark auf Effizienz und Kostensensitivität, während US-Teams Qualität und Flexibilität priorisieren. Erfolgreich sind jedoch diejenigen, die nicht zwischen Geschwindigkeit und Qualität oder Skalierung und Personalisierung wählen, sondern beides zugleich umsetzen.
Dies führt zu einem „Agility Paradox“: Unternehmen wollen gleichzeitig schnell, skalierbar und personalisiert arbeiten – ein Anspruch, der zwangsläufig zu Spannungen führt. Erfolgreiche Teams begegnen dem, indem sie klare Prozesse, wiederverwendbare Vorlagen und systematisches Tracking etablieren.
Investitionsstrategien: Von Pilotprojekten zur Infrastruktur
Die Budgets spiegeln eine zunehmende Ernsthaftigkeit wider. In den USA investieren 39 Prozent der Unternehmen mindestens 500.000 Dollar in KI-Projekte, in Europa liegt dieser Anteil bei 24 Prozent. Dennoch zeigt sich: Mehr Geld bedeutet nicht automatisch bessere Resultate. Entscheidend ist, Budgets entlang der drei Säulen Geschwindigkeit, Qualität und Personalisierung zu verteilen und laufend anzupassen.
Die meistgenutzten Anwendungen sind Produktivitäts-Copiloten, generative Content-Tools, Workflow-Automatisierung und Chatbots. Der größte nachweisbare Nutzen liegt in schnellerer Content-Erstellung, besserer Kampagnenplanung und stärker personalisierten Kundenerlebnissen.
Von Experimenten zur Systematisierung
Ein zentrales Fazit lautet, dass Marketing-Teams Experimente hinter sich lassen und in strukturierte Implementierung übergehen müssen. Statt Tools isoliert zu testen, gilt es, systematische Integrationspläne zu erstellen, Training anzubieten und interne Benchmarks festzulegen.
Besonders betont wird die Rolle des „AI-Orchestrators“. Diese Marketer zeichnen sich nicht dadurch aus, perfekte Prompts zu schreiben, sondern darin, aus einer Vielzahl von KI-Ergebnissen die passenden auszuwählen, sie markenkonform zu gestalten und menschliche Intuition mit maschineller Skalierung zu verbinden.
Das Fazit der ITWelt-Redaktion
Die Studie zeigt klar: Künstliche Intelligenz verändert das Marketing tiefgreifend, aber nicht so, wie es vielfach erwartet wurde. Sie ersetzt weder Kreativität noch menschliche Intuition, sondern ergänzt sie um Geschwindigkeit, Skalierung und datenbasierte Optimierung. Erfolgreiche Teams setzen auf ausgewogene Investitionen, systematische Prozesse und ein neues Kompetenzprofil, das Kreativität und Datenverständnis vereint. Entscheidend wird sein, nicht auf eine Tool-Flut zu setzen, sondern die vorhandene Infrastruktur optimal zu orchestrieren.
Die Studie kann hier heruntergeladen werden.

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