Mit Förderung des BMVIT entwickeln Projektpartner aus Industrie und Forschung bis 2021 eine neue Methode für die verbesserte Planung und Steuerung cyber-physischer Montagesysteme auf Basis rekonfigurierbarer Zellen. [...]
Eine steigende Variantenvielfalt, individualisierbare Produkte, verkürzte Produktlebenszyklen aber auch sinkende Losgrößen fordern zunehmend eine erhöhte Flexibilität seitens der Industriebetriebe. Um auch in Zukunft jenen Anforderungen gewachsen zu sein, müssen vor allem die Produktionsbereiche flexibler werden. „Wir werden in den nächsten Jahren einen Rückgang der Linienmontage erleben. Neue Trends zeichnen sich vor allem im Bereich der Zellenmontage ab“, erklärt Projektleiter Lukas Lingitz von Fraunhofer Austria.
Forscher arbeiten an wandlungsfähiger Montage
Wie müssen Montagesysteme gestaltet sein, damit Industriebetriebe auch in Zukunft am internationalen Parkett konkurrenzfähig bleiben? Dieser Frage geht Lingitz im Forschungsprojekt „StaProZell“ nach und orientiert sich damit am aktuellen Forschungsbedarf der Industrie. Zusammen mit seinem Team verfolgt er das Ziel, eine neue Methode zur Planung und Steuerung einer stabilen Produktion in einem wandlungsfähigen zellenorientierten Montagesystem zu entwickeln und zu evaluieren. Konkrete Anwendungsfälle sowie reale Daten kommen dabei von den beiden Industriepartnern Innio Jenbacher und Brantner Fahrzeugbau.
Die Evaluierung der „StaProZell“-Methode findet im Anschluss anhand eines Proof-of-Concept-Demonstrators in der TU Wien Pilotfabrik Industrie 4.0 statt. Als Technologiepartner steuert Bosch Rexroth neben dem nötigen Equipment auch Knowhow rund um den Digital Twin zum Projekt bei. Als weiterer wissenschaftlicher Partner ist die Ungarische Akademie der Wissenschaften (MTA SZTAKI) mit an Bord. Fraunhofer Austria zeichnet als Konsortialführer für das vom BMVIT im Rahmen des FFG-Programms „Produktion der Zukunft“ geförderten Forschungsprojekt „StaProZell“ verantwortlich und bringt Kompetenzen in den Themenfeldern Produktionsplanung- und Steuerung sowie cyber-physische Montagesysteme ein.
Digital Twin im Zentrum
In der Wissenschaft sind mittlerweile vereinzelt Konzepte vorhanden, die derartige wandlungsfähige modulare Montagesysteme beschreiben. Jedoch gilt es für eine erfolgreiche technische und wirtschaftliche Umsetzung noch einige Herausforderungen zu bewältigen. Aktuelle Konzepte und Methoden zur Produktionsplanung, vor allem solche für wandlungsfähige modulare Systeme, sind nur teilweise in das physische Montagesystem integriert und können so nur längerfristige Anpassungen berücksichtigen. Durch eine vollständige Echtzeitintegration des Montagesystems in die Planungs- und Steuerungslogik mittels Abbildung in einem Digital Twin kann auf kurzfristige Änderungen und Abweichungen, wie Engpässe oder Maschinenausfälle, sofort reagiert werden. Der Digital Twin ermöglicht es, unterschiedliche Szenarien in einer Simulation zu bewerten und basierend auf den Ergebnissen aktiv das physische Montagesystem zu steuern. „Je nach Auftragsart und -anzahl strukturieren sich die einzelnen Module selbständig zu neuen Montagezellen um. Der Digital Twin berücksichtigt im Hintergrund alle Aufträge, die derzeitige Konfiguration, die Verfügbarkeit und Qualifikation der Mitarbeiter sowie viele andere Einflüsse“, so Lingitz. Durch die ständige Neuplanung und Neuausrichtung der Systemmodule des Montagesystems können Unternehmen eine bisher ungeahnte Flexibilität erreichen.
Statements der Projektpartner
„StaProZell ist ein wichtiges Forschungsprojekt auf dem Weg zur Fabrik der Zukunft. Es zeigt, dass bereits die aktuelle Automatisierungstechnik auf die Herausforderungen immer kleinerer Stückzahlen bis zur Losgröße 1 vorbereitet ist – wenn sie standardisierte Echtzeit-Schnittstellen und offene Protokolle unterstützt. Durch die enge Verbindung von Produkt Montagesystemen und Produktionsmaschinen über digitale Zwillinge gewinnen Anwender eine bislang unerreichbare Flexibilität und können in Echtzeit auf kurzfristige Änderungen und Abweichungen reagieren“, so Hans Michael Krause, Leiter Markt- und Produktmanagement SPS- und IoT-Systeme bei Bosch Rexroth.
Brantner Fahrzeugbau ist ein familiengeführtes mittelständisches Produktionsunternehmen, das sich auf den Bau von landwirtschaftlichen Anhängern und Abschiebefahrzeuge spezialisiert hat. „Das saisonale Geschäft sowie die hohen Spezialanforderungen unserer Kunden auf der einen Seite und das Verlangen die Wertschöpfung im Land zu halten auf der anderen Seite stellen uns vor extreme Herausforderungen. Als Teil des Forschungsprojektes setzen wir aktiv einen Schritt in Richtung Digitalisierung. Die Schlagworte One-Piece-Flow und Industrie 4.0 sollen bei uns gelebt werden“, so Firmeninhaber Hans Brantner.
„Das Projekt StaProZell soll einen wichtigen Beitrag zur Produktions- und Effizienzsteigerung, u. A. durch Verlagerung von Routinetätigkeiten in automatisierte Systeme, und damit zur Sicherung des Standorts Jenbach leisten“ sagt Sven Wolf, Leiter des Bereichs Overhaul & Repair bei Innio Jenbacher. Er ergänzt: „Gerade bei der Überholung unserer Gasmotoren nach Ende des Produktlebenszyklus sind besonders im Hochlohnland Österreich erfahrene, hoch motivierte und engagierte Mitarbeitern genauso wichtig wie effiziente Planungs- und Steuerungsprozesse, um eine Überholung wirtschaftlich rentabel gegenüber einer Neuanlage zu machen.“ Patrik Steinlechner, Projektleiter bei Innio Jenbacher, fügt hinzu: „Die Zusammenarbeit mit Fraunhofer Austria im Projekt StaProZell soll uns neue Wege aufzeigen und uns dabei unterstützen weitere Potentiale im Bereich digitaler Prozesse zu heben.“
„Fraunhofer Austria und MTA SZTAKI forschen als Partner bereits seit längerem an rekonfigurierbaren (Montage-) Systemen. Die bisherigen Ergebnisse wurden bereits in mehreren Projekten erfolgreich umgesetzt und in wissenschaftlichen Foren publiziert. Die Kompetenzen der beiden Partner ergänzen sich auch in aktuellen Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Im Projekt StaProZell erwarten wir ähnliche Erfolge wie bisher sowie Ergebnisse, die die industriellen Partner auch in der Praxis einsetzen können“, so Dávid Gyulai, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der MTA SZTAKI.
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