Welchen Wert hat ein Unternehmen, und welcher Preis ist hierfür angemessen? Beim Beantworten dieser Frage sind sowohl die Verkäufer, als auch die Käufer bei geplanten Unternehmenstransaktionen oft unsicher – unter anderem, weil diese beiden Größen vom jeweils aktuellen Marktumfeld beeinflusst werden. [...]
Wenn Sie den Wert Ihres Unternehmens schätzen möchten, nehmen Sie den um Sondereffekte bereinigten durchschnittlichen Umsatz der letzten drei Jahre bzw. den Durchschnitt des EBITs der letzten drei Jahre, und multiplizieren Sie diesen mit den jeweiligen aktuellen Deal-Multiples für Umsatz bzw. EBIT. Ihr geschätzter Unternehmenswert liegt dann innerhalb dieser sich ergebenden Preispannen.
Bewertung mittels Trading-Multiples
Deal-Multiples gehören zu den vergleichswertorientierten Bewertungsverfahren, im M&A-Jargon auch Comps (von Comparable Analysis) genannt. Ebenfalls zu dieser Kategorie zählen die sogenannten Trading-Multiples. Hierfür werden öffentliche Finanzkennzahlen von möglichst ähnlichen börsennotierten Unternehmen im selben Sektor und mit möglichst ähnlicher Finanzstruktur verglichen, um den Mittelwert einer Bezugsgröße zu bestimmen.
Mit diesem Mittelwert, zum Beispiel der EBIT-Marge, kann man dann aufgrund des Börsenwertes (der Multiplikator entspricht dann dem Unternehmenswert an der Börse dividiert durch die Bezugsgröße) Rückschlüsse auf den Wert einer nicht-börsen-notierten Gesellschaft ziehen. Werden an der Börse beispielsweise Textil-Unternehmen mit einem durchschnittlichen EBIT-Multiple von 8-mal gehandelt, dann kann man diese Zahl auch für die Bewertung eines großen, nicht börsen-notierten Textil-Unternehmens heranziehen, das verkauft werden soll. Wem Annäherungen aufgrund von Marktwerten nicht ausreichen, der kann sich seinem Unternehmenswert auch über andere Bewertungsverfahren nähern.
2. Einzelwert-Verfahren: Bewertung des vorhandenen Vermögen
Einzelwertverfahren beispielsweise gehen von der Auflösung eines Unternehmens aus (Liquidationswert) und bewerten alle vorhandenen Vermögensgegenstände. Sie beantworten die Frage: Was bekomme ich in der Summe für die einzelnen „Assets“ des Inventars (zum Beispiel gebrauchte Maschinen, Grundstücke, Gebäude) meines Unternehmens, wenn ich diese veräußere? Auch Marken oder Kundenlisten können verkauft werden und hierzu gezählt werden. Abzuziehen sind bei dieser Betrachtung die Ablösungsbeträge für vorhandene Verbindlichkeiten und die Liquidationskosten. Eine solche Berechnung ist einfach nachvollziehbar und kann von jedem selbst gemacht werden, insofern man realistische Verkaufswerte für das Inventar ermitteln kann. Oft werden beim Einzelwertverfahren Liquidationsbetrachtungen gemacht, um entscheiden zu können, ob der oder die Eigner das Gesamtunternehmen zu einem gebotenen Preis verkaufen sollten oder einen höheren Gewinn erzielen könnten, wenn sie das Unternehmen selbst zerschlagen.
Wiederbeschaffungsrechnung als Entscheidungshilfe
Auch Wiederbeschaffungsrechnungen (zum Beispiel das Errichten einer Produktionsanlage auf der grünen Wiese) werden oft zu Vergleichszwecken und als Entscheidungshilfe bei „Make or Buy“-Investitionen herangezogen. Oft hinken diese Vergleiche jedoch, da gewisse „Gegenstände“ nur schwer monetär zu schätzen sind – so zum Beispiel das Erreichen der behördlichen Genehmigungen, die zeitliche Dauer der Er- und Einrichtung der Produktion oder immaterielle Vermögensgegenstände. Daher sollten solche Berechnungen eher für das Ermitteln von Preisgrenzen angewandt werden als zum Ermitteln von Unternehmenswerten.
Wesentlich wichtiger sind in der Bewertungspraxis die Gesamtwertverfahren und hier insbesondere das DCF-Verfahren. Für einen Großteil aller Unternehmenskäufe und -verkäufe dürfte die DCF-Bewertung die geeignetste Methode sein, um eine detaillierte Annäherung für eine Preis- bzw. Wertspanne zu berechnen.
3. Gesamtwert-Verfahren: DCF berücksichtigt künftigen Cash-Flow
DCF steht für Discounted Cash-Flow, also für die künftigen Zahlungsströme (Free Cash-Flows), die anhand spezifisch ermittelter, gewichteter Kapitalkosten abgezinst (diskontiert) werden. Der Free Cash-Flow entspricht den freien Zahlungsströmen des Unternehmens, der allen Kapitalgebern zusteht. Um den dem Anteilseigner zustehenden Unternehmenswert zu berechnen, werden hiervon die Finanzverbindlichkeiten abgezogen.
Für das Modellieren der DCF wird ein Business-Plan entwickelt – es werden also für eine Zeitspanne von fünf bis zehn Jahren die Umsätze und Kosten geplant und die jährlichen Ergebnisse (EBIT) ermittelt. Für die Cash-Flows werden schließlich vom EBIT die Unternehmenssteuern, Investitionen in Sachanlagen (CAPEX), Erhöhungen des Umlaufvermögens (Working Capital) abgezogen und die Abschreibungen und Minderungen des Umlaufvermögens hinzuaddiert. Auch für die Periode nach der Planung (also zum Beispiel zehn Jahre) wird ein Wert bestimmt, denn man geht bei DCF-Verfahren von einer Unternehmensfortführung aus. Der Fortführungswert (Terminal-Value) macht oft einen hohen Anteil des ermittelten Gesamtwertes aus: Über 50 Prozent sind keine Seltenheit.
Den Terminal-Value, Fortführungswert, ermitteln
Es gibt mehrere Methoden den Terminal-Value zu bestimmen, über sogenannte Exit-Multiples (EBIT oder EBITDA-Multiples bei Annahme eines Verkaufs des Unternehmens nach der Planungsperiode, siehe Abschnitt Deal-Multiples) oder über eine konstante Wachstumsformel. Letztlich werden die Cashflows und der Terminal-Value mit dem spezifisch ermittelten Diskontierungssatz – den durchschnittlichen, gewichteten Kapitalkosten, auch WACC (Weighted Average Working Capital) genannt – auf den aktuellen Bewertungsstichtag abgezinst.
Die Modellierung von umfassenden DCFs kann sehr komplex werden (und eine detaillierte Ausführung würde den Rahmen eines Artikels sprengen). Deshalb solle man sich an DCF-Berechnungen nicht mal so eben selbst versuchen: Entweder man hat die nötigen Vorkenntnisse und ausreichend Erfahrung oder man lässt die DCFs von einem Spezialisten erstellen. Er wird zuerst das Bewertungsobjekt abgrenzen, die Vergangenheit und aktuelle Lage analysieren sowie die Entwicklung des Unternehmens und des Marktumfeldes prognostizieren, um schließlich die Cash-Flows zu entwickeln und mittels der geschätzten Faktoren (zum Beispiel des WACCs) eine Wertspanne ermitteln. DCF-Berechnungen liegen viele Annahmen zugrunde; deshalb sind Erfahrung, Objektivität und Kenntnis nicht nur des M&A-Marktes für eine valide Bewertungsermittlung unerlässlich.
Ertragswertverfahren: primär in Deutschland üblich
Auch das Ertragswertverfahren berücksichtigt künftige Zahlungsströme bzw. den Barwert der künftig den Investoren zufließenden Auszahlungen (Überschüsse, die beim Fortführen des Unternehmens und beim Veräußern des nicht betriebsnotwendigen Vermögens, erwirtschaftet werden).
Hierbei wird für die Modellierung angenommen: Das Unternehmen durchläuft keine strategischen Änderungen und eine Vollausschüttung findet statt. Das Ertragswertverfahren basiert auf einem Standard des Institutes der Wirtschaftsprüfer (IDW) und findet heute noch immer bei Verschmelzungen Anwendung anhand der von Wirtschaftsprüfern angefertigten Prüfberichte. Es wird primär in Deutschland angewandt; im internationalen Umfeld wird die DCF-Analyse bevorzugt. Gemäß einer Erhebung im Jahr 2012 werden in Deutschland und Österreich knapp 40 Prozent aller Bewertungen mittels DCF-Analyse durchgeführt, gefolgt von circa 30 Prozent mit dem Ertragswertverfahren und circa 14 Prozent Vergleichswertverfahren. Der Rest entfällt auf Mischverfahren und Substanzwertverfahren.
Im Idealfall mehrere Bewertungsverfahren nutzen
In der M&A-Praxis haben sich weitgehend das DCF-Verfahren und Multiple-Bewertungen durchgesetzt. Idealerweise kommt bei einer Unternehmenstransaktion jedoch nicht nur ein Bewertungsverfahren zur Anwendung. Es macht Sinn, sich dem objektiven Wert mittels Wertspannen, die aus unterschiedlichen Bewertungsmethoden gewonnen wurden, anzunähern. Im Investment-Banking üblich ist daher auch der Einsatz eines sogenannten Football-Fields (in Anlehnung an die Yards-Linien des American Football-Spielfelds), das die verschiedenen Wertspannen zeigt.
Fazit
Um Ihr Unternehmen zu bewerten, können Sie eine erste, eigene Wertschätzung mittels Markt-Multiplikatoren vornehmen. Diese finden Sie im Internet und in kommerziellen Datenbanken; Sie können auch die Unternehmenswertrechner auf den Webseiten mancher M&A-Berater und Finanzmagazine hierfür nutzen. Um jedoch auch die Besonderheiten Ihres Unternehmens in die Bewertung einfließen zu lassen, sind eine gründliche Geschäftsplanung und das Anwenden des DCF-Modells nötig. Hierbei sollen Sie sich von Experten unterstützen lassen.
*Stephan Jansen ist geschäftsführender Gesellschafter der M&A- und PMI-Beratung Beyond the Deal Deutschland, Frankfurt.
Be the first to comment