Wie geht es mit dem Home-Office weiter?

Die Home-Office-Pflicht für Unternehmen ist vorerst erloschen. Jetzt muss sich zeigen, ob hybride Arbeitswelten wirklich zum New Normal werden. [...]

Hybrides Arbeiten im Home-Office sowie Büro ist in vielen Unternehmen noch längst nicht als das New Normal ausgemacht (c) pixabay.com

Kaum drehte die COVID-19-Pandemie unser Büroleben von rechts auf links, wurde dafür mit „New Normal“ ein Begriff kreiert, um den Zustand von Home-Office, digitalen Meetings und remote Führung zu etikettieren. Das zeigt, wie wir unsere Welt (voreilig) mit neuen Begriffen traktieren und einen Ausnahmesituation gleich als einen neuen Realitätsstatus deklarieren. Das Ganze ohne sich die Zeit zu nehmen, akute Ausnahmezustände von mittelfristigen Entwicklungen zu differenzieren und sich profund mit dem Thema zu beschäftigen.

Ein Jahr später fällt uns das jetzt auf die Füße, weil sich das New Normal seit dem 1. Juli 2021 wieder auf altem rechtlichen Terrain bewegt. Denn seither ist die bundesweite Corona-Arbeitsschutzordnung zur Home-Office-Pflicht perdu. Jetzt geht es in Sachen Home-Office wieder um das Spiel der freien Kräfte. In ihm steckt Zündstoff. Während das Gros der Angestellten nicht mehr hinter den Status vor Corona zurück will, gibt es bei den Arbeitgebern kein einheitliches Bild.

Wie hybrid, bleibt offen

Aussagen aus den DAX-30-Unternehmen sprechen Bände: Hybrid wird die künftige Arbeitswelt natürlich sein, glauben wir der Telekom und ihren Aussagen gegenüber tagesschau.de: „Es gibt kein Zurück in die alte Welt. Die Zukunft unserer Arbeit ist hybrid. Wir wollen die Vorzüge des Büros und die des mobilen Arbeitens bestmöglich miteinander verbinden.“ Nur wie hybrid, ist offen. Für die Deutsche Bank beispielsweise bleibt das Büro die erste Option. Und der Chemiekonzern BASF schiebt die Frage, wie hybrid die neue Arbeitswelt werde, auf dezentrale Vereinbarungen: „Ob und wie mobil gearbeitet werden kann, besprechen Mitarbeiter und Führungskraft unter Berücksichtigung der betrieblichen Gegebenheiten.“

Reichlich vage. Noch ist also nicht klar, ob hybrid in Großkonzernen zu einer Mogelpackung oder ernsthaften Option wird. Aus mittelständischen Unternehmen fehlen klare Aussagen. Doch ist anzunehmen, dass hier die Präsenz vor Ort dominierend bleibt, leben sie doch vom direkten Austausch zwischen den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und weniger von formalen Regeln. Ganz zu schweigen, dass ihre digitalen Infrastrukturen häufig das Arbeiten von zu Hause noch nicht abdecken, auch wenn sich durch Corona einiges getan hat.

Bei aller Diskussion um die neue Arbeitswelt, wird ein Begriff in der ganzen Diskussion um hybrides Arbeiten peinlichst vermieden, nämlich Kontrolle. In (vermeintlich) agilen Zeiten ist er schlicht verpönt. Gleichwohl schwingt er unterschwellig mit. Viele Arbeitgeber alter Prägung – in meinen Augen bilden sie die Mehrheit – trauen dem Home-Office-Frieden nicht: Arbeiten ihre Mitarbeiter wirklich acht Stunden oder machen sie zu viel dolce vita. Von wegen transformatorische Führung als neue Königsdisziplin für Manager – viele Führungskräfte zehren nach wie vor davon, ihre Untergebenen zu kontrollieren. Soll versus Ist, hinterlegt mit griffigen Kennzahlen. Nicht mehr zu überblicken, ob ihre Teams Gas geben, muss für Old-Style Manager ein Gräuel sein.

Hybrides Arbeiten braucht gute Führung

Allerdings funktionieren hybride Modelle nur dann gut, wenn die neue Art der Führung wirklich gelebt wird. Darauf verweist eine Studie der TU Wien (basierend auf 20 Interviews mit Unternehmen). Dort heißt es: Wenn hybrides Arbeiten zur Regel werde, sei „gute Führung der Schlüsselfaktor“. Sie erzeuge Vertrauen trotz digitaler Distanz und orchestriere eine „Zusammenarbeitskultur“.

Gerade für eine solche Kultur halten Unternehmen das Büro für wichtig: „Wir sind überzeugt, dass sich Innovationen, die Kreativität der Teams und ein Wir-Gefühl am stärksten vor Ort entfalten“, vertritt die Allianz einen klaren Standpunkt. Das ist nachvollziehbar. Bei allem Hype um New Normal entstehen aus einzelnen Monaden keine gemeinsamen Welten, geschweige denn richtungsweisende Ideen. Genauso wenig lässt sich eine gemeinsame analoge Teamzeit kalendarisch festschreiben. Nach dem Motto, am Dienstag sind wir alle im Büro und machen einen auf Gemeinschaft. Das funktioniert nicht. Teamspirit und neue Ideen entstehen nicht verordnet, sondern spontan.

Ist das Home-Office das Maß aller Dinge?

Und wie sieht es bei den Mitarbeiter aus, die 2020 binnen weniger Tage aus dem Nichts in eine neue Arbeitswelt katapultiert wurden? Ratsam wäre es auch für sie, tiefer darüber nachzudenken, ob das Home-Office wirklich das Maß aller Dinge für sie ist. Klar war es anfangs großartig, sich nicht bewegen zu müssen und alles bequem von zu Hause zu erledigen. Doch längst nicht für alle. Für Familien mit zwei berufstätigen Elternteilen, ist das Home-Office teils ein Horror. Wer erhält den ruhigen Arbeitsplatz, wer nimmt in der Küche Platz?

Wer erledigt die Hausarbeit, wer kümmert sich um die Kinder? Hier haben sich viele private Dramen im Home-Office abgespielt. Vielleicht hat die räumliche Trennung zwischen Arbeit und Privatsphäre nach wie vor etwas Gutes. Sie sorgt für ein kostbares Gut, nämlich die Trennung von zwei Lebensbereichen. Im Home-Office vermengen sich Arbeit und Privatsphäre, was Menschen oft nicht guttut. Denn dadurch verschwinden Grenzen, die in der Vergangenheit Schutz geboten und Endpunkte gesetzt haben.

Egal, aus welcher Perspektive wir das Home-Office betrachten, steht es an, New Normal in einen anderen Zustand zu wandeln. Die Corona-Verordnung ist abgelaufen, die gesellschaftliche Lage normalisiert sind. Organisationen kommen nicht umhin, das Thema ernsthaft zu verhandeln und können sich nicht mehr hinter Arbeitsschutz- und Arbeitsstättenverordnungen verschanzen. Gefragt sind Akteure, die das Terrain neu sondieren und ausmessen: die Wünsche der Mitarbeiter nach mehr Home-Office mit denen des Unternehmens nach hoher Produktivität und gemeinsamer Kultur sowie nach Kosteneinsparungen für überflüssige Büroflächen.

Auf den Gesetzgeber zu hoffen, er möge es wie die Niederlande anno 2015 über ein Rahmenwerk richten, ist in Deutschland momentan keine Option. In dieser Legislaturperiode ist das Thema vom Tisch. Stattdessen könnten Betriebsvereinbarungen entstehen. Nur, wer treibt den Prozess? Betriebsräte gibt es nicht überall und wie steht es mit ihren eigenen Aktien in diesem Spiel? Sind sie nicht auch an einem Zurück zur analogen Welt im Sinne ihrer originären Interessen interessiert. Oder wird der HR-Bereich, der so oft unsichere und ambivalente Lagen mit bürokratischen Regelungen erschlägt, zum Anwalt des Themas und lotet beide Parteien aus?

Gar nicht so einfach. Doch gibt es keine klaren und verbindlichen Regeln, die gleichzeitig geschmeidig genug sind, um sie auf Spezifika zu adaptieren, laufen Unternehmen Gefahr, dass das Home-Office ein Privileg für Hochleistende und Unersetzliche wird. In diesem Sinne wäre es dann kein Allgemein-, sondern ein Luxusgut, das sich jeder hart erarbeiten muss. Gewährt von den unmittelbaren Führungskräften.

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*Frank Schabel arbeitet als freier Autor und Managementberater in Heidelberg. Zuvor war er bei SAP, CSC Ploenzke sowie Hays in leitendender Funktion in den Bereichen Marketing und Kommunikation tätig.


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