Schulden ersticken Innovationen und lähmen Unternehmen. Eine Studie unterstreicht die Notwendigkeit einer KI-gestützten Modernisierung, um diese massiven Schulden effektiv zu bewältigen. [...]
Die Digitalisierung der Wirtschaft schreitet unaufhaltsam voran – und doch kämpfen viele Großunternehmen mit einer unsichtbaren Last: den technischen Schulden. Der Report „Smash Through Tech Debt: Why AI Is The Jackhammer“, den Publicis Sapient gemeinsam mit HFS Research veröffentlicht hat, legt den Finger in die Wunde. Die Analyse basiert auf den Einschätzungen von über 600 IT- und Business-Entscheidern aus unterschiedlichsten Branchen weltweit.
Milliardenlast bremst Innovation
Die Zahlen sind alarmierend: Laut HFS Research belaufen sich die technischen Schulden der Global-2000-Konzerne auf bis zu zwei Billionen US-Dollar. Technische Schulden entstehen, wenn kurzfristige, pragmatische Lösungen langfristig stabile und nachhaltige IT-Architekturen verdrängen. Was als schnelle Hilfe gedacht ist, entwickelt sich zum Innovationshemmnis und Kostenfaktor.
„Der Umfang der technischen Schulden, mit denen Unternehmen konfrontiert sind, ist erschreckend, und um sie zu überwinden, sind mehr als nur schrittweise Veränderungen erforderlich“, sagt Nigel Vaz, CEO von Publicis Sapient. „Was wir brauchen, ist ein grundlegender Wandel in der Herangehensweise von Unternehmen an die Transformation. KI ist nicht nur ein Werkzeug, sondern ein Katalysator für die Neugestaltung von Bereitstellungsmodellen und die Beschleunigung der Modernisierung.“
Trotz hoher Investitionen bleibt der Durchbruch aus
Obwohl Unternehmen im Schnitt rund 30 Prozent ihres IT-Budgets in die Modernisierung stecken, haben laut Studie nur drei von zehn ihre Kernanwendungen tatsächlich erneuert. Der Großteil bleibt im „Legacy-Modus“ gefangen, Modernisierung wird häufig zur bloßen Kosmetik. Die Ursachen sind vielfältig:
- Mangel an qualifizierten Fachkräften: 55 Prozent der Befragten sehen hier das größte Hindernis.
- Integrationsprobleme: 41 Prozent kämpfen mit der Anbindung neuer Technologien an bestehende Systeme.
- Datenqualität und Governance: 40 Prozent nennen diese als kritische Herausforderungen.
- Regulatorische und ethische Bedenken: Für 39 Prozent eine zentrale Hürde.
- Unsicherheit über ROI und Nutzen: 31 Prozent sind skeptisch, ob sich Investitionen lohnen.
- Widerstände im Unternehmen: 25 Prozent berichten von internen Blockaden.
KI: Hoffnungsträger mit Anlaufproblemen
Die Erwartungen an Künstliche Intelligenz sind hoch: 80 Prozent der Führungskräfte sehen in ihr einen Schlüssel zur erfolgreichen Modernisierung. Dennoch gibt nur jedes fünfte Unternehmen an, KI bereits skalierbar einzusetzen. Fast die Hälfte hat noch nicht einmal mit der Integration begonnen, 27 Prozent befinden sich in der Evaluierungsphase. 15 Prozent stehen der Technologie noch skeptisch gegenüber.
Phil Fersht, CEO und Chefanalyst von HFS Research, bringt es auf den Punkt: „Technische Schulden sind nicht nur eine Belastung, sondern eine tickende Zeitbombe, die die Zukunft globaler Unternehmen bedroht. KI ist kein luxuriöses Zusatzfeature oder ein glänzendes neues Tool, von dem wir uns Verbesserungen erhoffen – sie ist das Einzige, was diese Krise entschärfen kann.“
Services-as-Software: Das Ende des Personalmodells
Ein Paradigmenwechsel zeichnet sich ab: Weg von klassischen Staff-Augmentation-Modellen, hin zu Services-as-Software. Drei von vier Führungskräften erwarten eine Abkehr von personalbasierten Outsourcing-Strategien zugunsten automatisierter, KI-gestützter Servicemodelle. Das Ziel: weniger Abhängigkeit von externen Teams, mehr Effizienz durch intelligente Plattformen.
Doch die Anbieterlandschaft hinkt hinterher. Nur zehn Prozent der Unternehmen sehen ihre Dienstleister als proaktive Partner bei der Umstellung auf KI-gestützte Delivery-Modelle. 71 Prozent der Entscheider zeigen sich daher offen für einen Anbieterwechsel, um bessere Lösungen und Beratung zu erhalten.
Diskrepanzen zwischen IT und Business als Bremsklotz
Ein zentrales Ergebnis des Reports: Die größten Barrieren liegen nicht in der Technologie, sondern in der Organisation selbst. Unterschiedliche Zielsetzungen, widersprüchliche Erfolgskennzahlen und divergierende Vorstellungen vom Nutzen der KI führen zu Reibungsverlusten zwischen IT und Business. So fokussieren IT-Leiter bei der Auswahl von Dienstleistern meist auf Kosten, während Fachbereiche funktionale Expertise priorisieren. Die Folge: Transformationen verlaufen schleppend, das volle Potenzial der KI bleibt ungenutzt.
Fünf Empfehlungen für den Ausstieg aus der Schuldenfalle
Der Report formuliert fünf zentrale Handlungsfelder, um den Teufelskreis technischer Schulden zu durchbrechen:
- Tech Debt aktiv abbauen: Unternehmen sollten technische Schulden wie finanzielle behandeln – sie tracken, priorisieren und gezielt abbauen.
- KI als Fundament, nicht als Add-on: Die Modernisierung muss von Grund auf KI-zentriert gedacht werden.
- Anbieterwahl neu ausrichten: Weg von FTE-basierten Modellen, hin zu produktisierten, KI-gestützten Services.
- Neue Preismodelle etablieren: Outcome-basierte, transparente und flexible Preismodelle statt klassischer Zeit- und Materialabrechnung.
- Betriebsmodelle anpassen: Rollen, Governance und Delivery-Strukturen müssen auf KI und Automatisierung ausgerichtet werden.
Fazit: Wer zögert, verliert
Die Studie macht deutlich: Technische Schulden sind kein reines IT-Problem, sondern ein strategisches Risiko für das gesamte Unternehmen. Die Zeit für zögerliche Schritte ist vorbei. „Jetzt ist es an der Zeit, die Regeln der Modernisierung neu zu schreiben. Wer nicht entschlossen handelt, läuft Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten“, so Phil Fersht. Unternehmen, die den Wandel aktiv gestalten, können sich von der Last der Vergangenheit befreien und die Chancen der KI für nachhaltiges Wachstum nutzen. Die anderen riskieren, im globalen Wettbewerb den Anschluss zu verlieren.

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