In video veritas - oder nicht? Die MODUL University Vienna entwickelt eine Lösung zur automatischen Identifikation von gefälschtem Video-Content. [...]
Dramatische News erhalten erst durch Originalaufnahmen echte Glaubwürdigkeit. Die Verfügbarkeit solch wertvollen Materials ist heutzutage größer denn je – fast immer ist ein Smartphone-bewaffneter Beobachter vor Ort, um Content innerhalb von Sekunden hochzuladen. Diese sogenannten User Generated Videos (UGV) sind für Nachrichtendienste extrem wertvoll, denn oft sind sie die allerersten Bilder eines Ereignisses. Sie können aber auch die Reputation eines Dienstes unwiderruflich zerstören, wenn sie sich später als manipuliert oder gar gefälscht entpuppen. Den Wahrheitsgehalt solcher Videos – unter großem Zeitdruck – zu bestätigen ist somit von größter Wichtigkeit und bindet enorme Ressourcen bei Medienorganisationen. Eine Gruppe internationaler Medientechnologie-Experten will diesen Aufwand nun drastisch reduzieren: Im Rahmen des mit mehreren Millionen Euro dotierten EU-Projekts „InVID – In Video Veritas“ wollen sie eine webbasierende Plattform errichten, die UGVs automatisch nach Relevanz zu aktuellen Ereignissen identifiziert und deren Glaubwürdigkeit mittels modernster Analyseverfahren bestätigt oder verwirft.
ECHTHEITSZERTIFIKAT
Der Leiter einer der zentralen Arbeitsgruppen des Projekts, Lyndon Nixon, vom Institut für Neue Medientechnologie an der MODUL University Vienna, zum kommerziellen Nutzen des Projekts: „InVID wird quasi ein Echtheitszertifikat für UGVs ausstellen. So können sich Sendeanstalten, Nachrichtenagenturen, Zeitschriften, Herausgeber sowie Web-Anbieter auf die Authentizität des verfügbaren Materials verlassen. Das spart ihnen enorme Ressourcen und wird die Qualität ihrer Nachrichten signifikant verbessern.“
Doch bevor dieses Angebot online geht ist viel technische Innovation gefragt. Denn der bisherige Prozess zur Bestimmung der Echtheit beruht auf individueller, menschlicher Einschätzung – und nicht auf objektiv messbaren Kriterien. So müssen die Verantwortlichen binnen kürzester Zeit verifizieren, ob Zeitpunkt und Ort des dargestellten Ereignisses plausibel erscheinen (passen Landschaft, Tageszeit, Kleidung etc.?), dass das Video-Material nicht manipuliert wurde und dass die Metadaten korrekt sind. Weiter gilt es zu klären, wer das Video aufgenommen hat, ob diese Person zwecks Verifizierung und Vereinbarung von Nutzungsrechten kontaktiert werden kann, ob es ähnliche Bilder vom gleichen Ereignis im Web gibt und inwieweit das Ereignis in Social Media bereits diskutiert wird.
InVID soll alle wesentlichen Schritte automatisiert durchführen. Zu Beginn werden die aktuell meistdiskutierten Themen ermittelt. Zu diesen Themen werden dann in Social Networks verfügbare Videos gefunden, indiziert, zeitlich fragmentiert und dem Inhalt entsprechend annotiert. Anhand der Annotierungen und Metadaten u.a. über den Benutzer, Aufnahmeort und -zeit kann schon ein erstes Ranking des Videos erfolgen. Damit wird der nachfolgende Verifizierungs-Prozess auf jene Videos fokussiert, bei denen eine hohe Möglichkeit besteht, dass sie nachrichtenrelevant und vertraulich sind. Der automatisierte Verifizierungsprozess prüft dann, ob ein Video bereits in einem anderen Kontext im Web aufgetaucht ist und ob das Video in irgendeiner Weise technisch manipuliert wurde. Ist all dies positiv abgeschlossen, dann werden weitere Komponenten der InVID-Plattform die Klärung aller rechtlichen Angelegenheiten zur Nutzung dieses Videos unterstützen. Dazu zählen die Identifikation des Video-Produzenten sowie die Verhandlung und vertragliche Regelung der Rechte und einer angemessenen Entlohnung. Bei all diesen Schritten wird dabei auf innovative Datenanalysen und -visualisierungen der webLyzard Web Intelligence Plattform zurückgegriffen. Diese wurde vom Wiener Unternehmen webLyzard technology GmbH – einem Spezialisten für Medienanaylse und Marktforschung – speziell für die Auswertung großer Datenmengen in Social Media entwickelt.
AUCH ÖSTERREICHISCHE VIDEOS WERDEN KÜNFTIG VERIFIZIERT
Tatsächlich kann das Team um Nixon bei der Entwicklung all dieser technischen Innovationen auch auf ein umfassendes journalistisches Know-how von Experten in der Nachrichtenindustrie zurückgreifen. Dazu Nixon: „Eine Kernkompetenz von InVID wird es sein, die Journalisten bei Press Agencies und News Studios bei Fernsehsendern direkt mit der Technologie zu unterstützen. Deswegen ist es besonders wertvoll, dass wir in InVID drei der führenden Nachrichtenorganisationen mit an Bord haben: die Austria Presse Agentur (APA), Deutsche Welle und Agence France Presse (AFP). Durch die Teilnahme der APA ist sichergestellt, dass im Rahmen des InVid Projekts neben internationalen Meldungen auch regionale Nachrichten aus Österreich besondere Berücksichtigung finden werden.“
Für das InVID-Team der MODUL University Vienna beginnt der Verifizierungs-Prozess nicht erst beim Video sondern bereits bei der Quellen-Auswahl, wie Nixon ergänzt: „Wichtig ist es, Videos nur von vertrauenswürdigen Quellen zu verwenden. An der MODUL University Vienna haben wir hier bereits ein sehr hilfreiches Tool entwickeln können, das als ‚Lügendetektor des Internets‘ bekannt wurde. Dieses werden wir weiterentwickeln, sodass es Social Media Benutzer, die eine hohe Glaubwürdigkeit besitzen, identifizieren kann.“
Das internationale Konsortium mit Projekt-Teilnehmern aus Österreich, Frankreich, Deutschland, Spanien, und Griechenland wird erstmals zahlreiche unabhängig entwickelte Technologien zusammenführen, diese weiterentwickeln und für den Zweck der Verifikation von UGVs einsetzen. Durch die Beteiligung von führenden europäischen Organisationen mit langjähriger Erfahrung in den Bereichen Innovationen und Medientechnologie ist das InVID-Projekt bestens dafür gerüstet, sich den außergewöhnlichen technischen Herausforderungen des Projekts zu stellen. (pi)
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