Wird KI Arbeitsplätze vernichten oder der Arbeit mehr Sinn verleihen?

Das Thema künstliche Intelligenz (KI) ist zurzeit allgegenwärtig. Sei es bei Chat-Assistenten, bei der Analyse von Kundenpräferenzen oder bei der virtuellen Instandhaltung von Produktionsgeräten – die Einsatzmöglichkeiten dieser Technologie sind vielseitig und entwickeln sich stetig weiter. [...]

Stefan Schwarz, Partner Business Consulting bei Teradata. (c) Teradata
Stefan Schwarz, Partner Business Consulting bei Teradata. (c) Teradata

Laut einer aktuellen Studie der Digital-Agentur Arithnea und des Marktforschungsinstituts Splendid Research gehen die Meinungen der Deutschen zu KI allerdings stark auseinander: Demnach ist ein Drittel der Befragten (38 Prozent) der Meinung, dass KI ihr Leben verbessern wird. 33 Prozent hingegen empfinden KI als gefährlich und 30 Prozent der Befragten macht sie sogar Angst. Verstärkt wird die Sorge vor dieser neuartigen Technologie nicht nur durch ethische und datenschutzrechtliche Diskussionen, sondern sicher auch durch die pauschalisierende Aussage, der Einsatz von KI in Firmen und Fabriken werde unzählige Arbeitsplätze kosten. Doch hier lohnt sich ein genauerer Blick auf die Zahlen und die mittel- und langfristigen unternehmerischen Erwägungen. Ein Perspektivenwechsel kann helfen, sich vor Augen zu führen, welchen Nutzen KI für unsere Arbeitswelt bedeuten kann, wenn die bestehenden Fragestellungen richtig angegangen werden.

Sorge vor Arbeitsplatzverlust unbegründet

Schon heute liegen uns Zahlen vor, die belegen, dass der bisherige Stand der KI nicht zu einem übermäßigen Abbau von Arbeitsplätzen geführt hat. Laut des Instituts der deutschen Wirtschaft haben 62 Prozent der digitalisierten Unternehmen in Deutschland, bei denen das Internet das Hauptgeschäft darstellt, zwischen 2015 und 2017 sogar mehr Menschen eingestellt. Besonders oft handelte es sich dabei um Fachkräfte im Bereich Internet of Things, Cloud oder Virtual Reality. Nur 17 Prozent der Unternehmen hätten sich verkleinert. Viele Unternehmen erkennen nämlich, dass Digitalisierung und KI Wettbewerbsvorteile darstellen. Stillstand und Angst vor technologischer Veränderung sind schlechte Berater in diesen Zeiten, denn langfristig gefährden sie die Zukunft eines Unternehmens und damit die Arbeitsplätze der Mitarbeiter.

Technologischer Wandel heißt also nicht automatisch Arbeitsplatzverlust. Es bedeutet auch nicht, dass alle bisherigen Mitarbeiter in Zukunft durch Datenspezialisten ersetzt werden müssen. Die Unternehmen profitieren nämlich weitaus mehr davon, ihre jetzigen Mitarbeiter in KI und Datenanalyse weiterzubilden. Ein Szenario: Ein Produktionsunternehmen möchte Predictive Maintance für seine Maschinen einsetzen und benötigt dafür eine kompetente Person, welche die notwendigen Daten in das KI-System einspeist und auswertet. Hierfür braucht es weitaus mehr als nur Datenexpertise. Ein detailliertes Verständnis der Maschine und ihrer Funktionsweise ist entscheidend – ein Ingenieur, der eine Weiterbildung in Predictive Maintaince erhalten hat, ist hier deutlich qualifizierter. Eine aktuelle, weltweit durchgeführte Microsoft-Studie zeigt, dass viele KI-basierte Unternehmen eben diesen Weg wählen und nicht nur in KI-Technologien investieren, sondern auch in entsprechende Qualifizierungsprogramme für ihre eigenen Mitarbeiter.

KI schafft neue Freiräume

Ohne Zweifel werden sich durch KI zahlreiche Wertschöpfungen in einem Unternehmen vom Menschen auf die Technik verlagern. Arbeitsprozesse werden in vielen Bereichen schneller und effizienter werden. Auch hiervon können Mitarbeiter mittel- und langfristig profitieren. So stellte eine Studie des Weltwirtschaftsforums fest, dass in 12 Industriebranchen im Jahr 2018 71 Prozent der Gesamtarbeitsstunden von Menschen absolviert wurden, 29 Prozent von Maschinen. Bis 2022 sei zu erwarten, dass nur noch 58 Prozent der Arbeitsstunden von Menschen geleistet werden, während Maschinen die übrigen 42 Prozent übernehmen, so der Bericht. Reduziert sich also die Wochenstundenzahl, weil KI einen Teil der Arbeitslast übernimmt, haben Mitarbeiter mehr Zeit für ihre Familien, für persönliche Entfaltung und für soziale oder politische Tätigkeiten. Von dieser Entwicklung profitiert letztendlich auch die Gesellschaft als Ganzes. Der Geldvorteil, der durch diese effizientere Arbeitsweise von den Unternehmen erwirtschaftet wird, kann und sollte der Belegschaft und der Bevölkerung zugutekommen. Das Beratungsunternehmen Accenture prognostiziert, dass Unternehmen ihre Umsätze durch KI sowie die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine bis 2022 um 38 Prozent steigern könnten. Diese Mehreinnahmen können insbesondere dazu benutzt werden, um Angestellte beim Erlernen neuer Fähigkeiten im Bereich der KI zu unterstützen.

Gleichzeitig bietet uns diese Phase des technologischen Wandels die Möglichkeit, grundlegend darüber nachzudenken, wie die Arbeitswelt sinnstiftender gestaltet werden kann, sodass die Mehrheit davon profitieren kann. KI erlaubt es, repetitive Aufgaben von Maschinen durchführen zu lassen und ermöglicht es uns so, mehr Zeit für komplexere Fragestellungen aufzuwenden. Algorithmen könnten Behörden beispielsweise dabei helfen, Anträge zu verwalten, damit Sachbearbeiter mehr Zeit für persönliche Anfragen hätten. Schon heute gibt es Möglichkeiten in der Krebsvorsorge, KI-Systeme in der Diagnostik einzusetzen. So kann ein KI-gestütztes Computersystem die Auswertung von Mammografie-Scans übernehmen, sodass sich der Arzt den so dringend benötigten Patientengespräche widmen kann.

Menschliche Kreativität nach wie vor entscheidender Unternehmensfaktor

Mit Sicherheit wird KI unsere Arbeitswelt nachhaltig verändern. Vergangene technische Revolutionen zeigen uns, dass manche unserer heutigen Berufe womöglich aussterben werden. Doch gleichzeitig wird eine Fülle neuer Berufsbilder entstehen – darunter manche, die wir uns noch nicht einmal vorstellen können. KI ist jedoch kaum in der Lage, den Menschen in der Arbeitswelt vollkommen überflüssig zu machen. Sie eignet sich hervorragend für Mustererkennung, aber strategische Planung, Einfühlungsvermögen und Innovationskraft entscheiden letztendlich über den Erfolg in der Arbeitswelt – Faktoren, die eine Maschine nicht leisten kann. Im Optimalfall soll KI den Menschen bei der Verwirklichung seiner Kreativität und seiner Fähigkeiten unterstützen, nicht ersetzen. Ohne die Bedenken der Bevölkerung gegenüber KI zu adressieren, wird diese Technologie niemals ihr volles Potenzial entfalten können. Es liegt an der Politik, den KI-Entwicklern und den Unternehmen, nicht nur Aufklärungsarbeit zu leisten, sondern auch einen angemessenen und rücksichtsvollen Übergang in diese neue technologische Ära zu gestalten.

*Dr. Stefan Schwarz ist Partner Business Consulting bei Teradata.


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